39. Abenteuer
Wie Gunther, Hagen und
Kriemhild erschlagen wurden
Da suchte sich Herr Dietrich selber
sein Gewand;
Ihm half, dass er sich waffnete, der
alte Hildebrand.
Da klagte so gewaltig der kraftvolle
Mann,
Dass von seiner Stimme das Haus zu
schüttern begann. (2393)
Doch gewann er wieder den rechten
Heldenmut.
Gewaffnet ward im Grimme bald der
Degen gut;
Seinen Schild den festen nahm er an
die Hand:
Sie gingen bald von dannen, er und
Meister Hildebrand. (2394)
Da sprach von Tronje Hagen: “Dort seh
ich zu uns gehn
Dietrich den Herren; der will uns
wohl bestehn
Nach dem großen Leide, das
wir ihm angetan.
Nun soll man heute schauen, wen man
den Besten nennen kann. (2395)
Und dünkt sich denn von
Berne der Degen Dieterich
Gar so starkes Leibes und so
fürchterlich,
Und will ers an uns rächen
was ihm ist geschehn,”
Also sprach Hagen, “ich bin wohl Mann
ihn zu bestehn.” (2396)
Die Rede hörte Dietrich und
Meister Hildebrand.
Er kam wo er die Recken beide stehen
fand
Außen vor dem Hause, gelehnt
an den Saal:
Sein Schild den guten setzte Dietrich
zu Tal. (2397)
Im leidvollen Sorgen hub da Dietrich
an:
“Gunther, reicher König, wie
habt ihr so getan
An mir Heimatlosem? Was tat ich euch
wohl je,
Dass alles meines Trostes ich nun
verwaiset mich seh? (2398)
Ihr fandet nicht Genüge an
der großen Not
Als ihr uns Rüdigeren, den
Helden, schluget tot:
Nun raubtet ihr mir alle, die mir
sind untertan.
Wohl hätt ich solchen Leides
euch Degen nimmer getan. (2399)
Gedenket an euch selber und an euer
Leid,
Eurer Freunde Sterben und all die Not
im Streit,
Ob es euch guten Recken nicht
betrübt den Mut;
O weh, wie so wehe mir der Tod
Rüdgers tut. (2400)
Solch Leid geschah auf Erden
niemanden je.
Ihr gedachtet wenig an mein und euer
Weh.
Miene Freuden alle liegen von euch
erschlagen;
Wohl kann ich meine Freunde
nimmermehr genug beklagen.” (2401)
“Wir sind wohl nicht so schuldig,”
sprach Hagen dagegen.
“Zu diesem Hause kamen alle eure
Degen
Mit großem Fleiß
gewaffnet in einer breiten Schar;
Man hat euch wohl die Märe
nicht so gesagt, wie sie war.” (2402)
“Was soll ich anders glauben? Mir
sagt Hildebrand:
Euch baten meine Recken vom
Amelungenland,
Ihr solltet ihnen Rüdgern
geben aus dem Saal;
Da botet ihr Gespötte nur
meinen Recken her zu Tal.” (2403)
Da sprach der Vogt vom Rheine: “Sie
wollten Rüdgern tragen.
Sagten sie, von hinnen: Das
ließ ich da versagen,
Etzeln zum Trotze, nicht aber deinem
Bann,
Bis Wolfhart der Degen darob zu
schelten begann.” (2404)
Da sprach der Held von Berne: “Es
muss nun also sein:
Gunther, edler König, bei
aller Tugend dein,
Vergilt mir nun das Herzeleid, das
mir von dir geschehn.
Versühn es, kühner
Ritter, so lass ichs ungerochen gehn. (2405)
“Ergibt dich mir zum Geisel mit Hagen
deinem Mann;
So will ich dich beschützen
so gut ich immer kann,
Dass dir bei den Heunen hier niemand
Leides tut:
Du sollst an mir erfahren, dass ich
getreu bin und gut.” (2406)
“Das verhüte Gott vom
Himmel,” sprach Hagen dagegen,
“Dass sich dir ergeben sollten zwei
Degen,
Die noch in Waffenwehre dir entgegen
stehn,
Und denen es leicht wäre
ihren Feinden zu entgehn.” (2407)
“Ihr sollt es nicht verweigern,”
sprach da Dieterich,
“Gunther und Hagen, ihr habt so
bitterlich
Beide mir betrübet das Herz
und auch den Mut,
Wollt ihr mir das vergüten,
dass ihr es billiglich tut. (2408)
“Ich geb euch meine Treue und reich
euch meine Hand,
Dass ich mit euch reiten will heim in
euer Land:
Ich geleit euch wohl nach Ehren, ich
stürbe denn den Tod,
Und will um euch vergessen all meiner
schmerzhaften Not.” (2409)
“Steht ab von dem Begehren,” sprach
wieder Hagen;
“Es würd uns wenig ehren,
wär von uns zu sagen,
Dass zwei so kühne Degen
sich ergeben eurer Hand:
Sieht man bei euch doch niemand als
alleine Hildebrand.” (2410)
Da sprach Meister Hildebrand: “Gott
weiß Herr Hagen,
Der Frieden, den Herr Dietrich euch
hat angetragen,
Es kommt noch an die Stunde, dass ihr
ihn nähmet gern:
Nun lässt euch wohlbehagen
diese Sühne meines Herrn.” (2411)
“Auch nähm ich eh den
Frieden,” sprach Hagen dagegen,
“Eh ich mit Schimpf und Schande so
vor einem Degen
Entliefe, Meister Hildebrand, als ihr
habt hier getan:
Ich wähnte doch, ihr
stündet vor Feinden besser euern Mann.” (2412)
Zur Antwort gab ihm Hildebrand: “Was
verweiset ihr mir das?”
Wer wars der auf dem Schilde vor dem
Wasgensteine saß,
Als ihm von Spanien Walther so viel
der Freunde schlug?
Wohl habt ihr an euch selber noch zu
rügen genug.” (2413)
Da sprach der Degen Dietrich: “Wie
ziemt solchen Degen
Sich mit Worten schelten wie alte
Weiber pflegen?
Ich verbiet es, Meister Hildebrand,
sprecht hier nicht mehr:
Mich heimatlosen Recken zwingt
große Beschwer. (2414)
“Lasst hören, Recke Hagen,”
sprach da Dietrich,
“Was sprachet ihr zusammen, ihr
Helden tugendlich,
Als ihr mich gewaffnet sahet zu euch
gehn?
Ihr sagtet, ihr alleine wolltet mich
im Streit bestehn.” (2415)
“Das wird euch niemand leugnen,”
sprach Hagen der Degen,
“Wohl will ichs hier versuchen mit
Kraftvollen Schlägen,
Es sei denn mir zerbreche das
Nibelungenschwert:
Mich entrüstet, dass zu
Geiseln ihr uns beide habt begehrt.” (2416)
Als da Dietrich hörte Hagens
grimmen Mut,
Den Schild behende zuckte der
schnelle Degen gut.
Wie rasch ihm von der Stiege entgegen
Hagen sprang!
Niblungens Schwert das gute auf
Dietrichen laut erklang. (2417)
Da wusste wohl Herr Dietrich, das der
kühne Mann
Grimmen Mutes fechte; zu schirmen
sich begann
Der Degen von Berne vor fürchterlichen
Schlägen.
Wohl erkannt er Hagen, diesen
zierlichen Degen. (2418)
Auch scheut' er Balmungen, eine Waffe
stark genug;
Nur unterweilen Dietrich mit Kunst
entgegenschlug,
bis er von Tronje Hagen im Streite
doch bezwang:
Er schlug ihm eine Wunde, die war
tief und auch lang. (2419)
Da gedachte Dietrich: “Dich
schwächte lange Not;
Mir brächt es wenig Ehre,
gäb ich dir hier den Tod.
So will ich nur versuchen, ob ich
dich zwingen kann
Als Geisel mir zu folgen.” Das ward
mit Sorgen getan. (2420)
Den Schild ließ er fallen:
Seine Stärke, die war groß;
Hagen von Tronje mit den Armen er
umschloss.
So wurde da bezwungen von ihm der
kühne Mann.
Gunther der Edle darob zu trauern
begann. (2421)
Hagnen band da Dietrich und
führt' ihn wo er fand
Die edle Königstochter und
gab in ihrer Hand
Den allerkühnsten Recken,
der je die Waffen trug:
Nach ihrem starken Leide ward sie da
fröhlich genug. (2422)
Da neigte sich dem Degen vor Freuden
Etzels Weib:
“Nun sei dir immer selig das Herz und
auch der Leib;
Du hast mir wohl vergütet
alle meine Not:
Ich will dirs immer danken, es
verhüt es denn der Tod.” (2423)
Da sprach der Degen Dietrich: “Nun
lasset ihn am Leben,
Edle Königstochter: Es mag
sich wohl begeben,
Dass euch sein Dienst
vergütet das Leid das er euch tat.
Er soll es nicht entgelten, dass ihr
ihn gebunden saht.” (2424)
Da ließ sie Hagen
führen in ein Haftgemach,
Wo niemand ihn erschaute und er
verschlossen lag.
Gunter der edle König hub da
zu rufen an:
“Wo blieb der Held von Berne? Er hat
mir Leides getan.” (2425)
Da ging ihm entgegen der Herre
Dieterich.
Gunthers Kräfte waren stark
und ritterlich;
Er versäumte sich nicht
länger, er rannte vor den Saal:
Von ihrer beider Schwertern erhob
sich mächtiger Schall. (2426)
So viel des Lobs sich Dietrich erwarb
seit Jahren her,
In seinem Zorne tobte Gunther
allzusehr.
Er war nach seinem Leide von Herzen
Feind dem Mann:
Ein Wunder musst es heißen,
dass da Herr Dietrich entrann. (2427)
Sie waren alle beide so stark und
mutesvoll,
Dass von ihren Schlägen
Pallas und Turm erscholl,
als sie mit Schwertern hieben auf die
Helme gut:
Da zeigte König Gunther
einen herrlichen Mut. (2428)
Doch zwang ihn der von Berne, wie
Hagen erst geschah.
Das Blut man aus dem Panzer dem
Helden fließen sah
Von einem scharfen Schwerte; das trug
Herr Dieterich;
Doch wehrte sich Herr Gunther, so
müd er war, ritterlich. (2429)
Der König war gebunden von
Dietrichens Hand,
Wie nimmer Könge sollten
leiden solch ein Band.
Er dachte, ließ er ledig
Gunthern und seinen Mann,
Wem sie begegnen möchten,
der müsste den Tod empfahn. (2430)
Dietrich von Berne nahm ihn bei der
Hand,
Er führt' ihn hin gebunden,
wo er Kriemhilden fand.
Sie sprach: “Willkommen, Gunther, ein
Degen auserkannt.” —
“Nun lohn euch Gott, Kriemhilde, wenn
hierzu euch Treue mahnt.” (2431)
Er sprach: “Ich müsst euch
danken, viel liebe Schwester mein,
Wenn euer Gruß in Gnade
geschehen könnte sein;
Ich weiß euch aber,
Königin, so zornig von Mut,
Dass ihr mir und Hagen solchen
Gruß im Spotte tut.” (2432)
Da sprach der Held von Berne: “Viel
edles Königsweib,
Man brachte nie als Geiseln so guter
Ritter Leib
Als ich, hehre Fraue, hier bring in
eure Hut;
Nun komme meine Freundschaft den
Heimatlosen zu Gut.” (2433)
Sie sprach, sie tät es
gerne. Da ging Dieterich
Mit weinenden Augen von den Helden
tugendlich.
Da rächte sich entsetzlich
König Etzels Weib:
Den auserwählten Degen nahm
sie Leben und Leib. (2434)
Sie ließ sie gesondert in
Gefängnis legen,
Dass sich ihr Leben nicht wiedersahn
die Degen,
Bis sie ihres Bruders Haupt vor Hagen
trug:
Da ward Kriemhildens Rache an beiden
grimmig genug. (2435)
Da ging die Königstochter
hin wo sie Hagen sah;
Wie feindselig sprach sie zu dem
Recken da:
“Wollt ihr mir wiedergeben was ihr
mir habt genommen,
So mögt ihr wohl noch lebend
heim zu den Burgonden kommen.” (2436)
Da sprach der grimme Hagen: “Die Bitt
ist gar verloren,
Viel edle Königstochter. Den
Eid hab ich geschworen,
Dass ich den Hort nicht zeige so
lange noch am Leben
Meiner Herren einer: Drum wird er
niemand gegeben.” (2437)
“Ich bring es an ein Ende,” sprach
das edle Weib.
Ihrem Bruder nehmen ließ sie
da Leben und Leib;
Man schlug das Haupt immer nieder:
Bei den Haaren sie es trug
vor den Held von Tronje: Da gewann er
Leid genug. (2438)
Als der Unmutvolle seines Herren Haupt
ersah,
Wider Kriemhilde sprach der Recke da:
“Du hasts nach deinem Willen zu Ende
nun gebracht,
Und es ist auch so ergangen wie ich
mir hatte gedacht. (2439)
“Nun ist von Burgonden der edle
König tot,
Geiselher der junge und auch Gernot.
Den Schatz weiß nun niemand
als Gott und ich allein:
Der soll dir Teufelsweibe immer wohl
verhohlen sein.” (2440)
Sie sprach: “So habt ihr
üble Vergeltung mit gewährt;
So will ich doch behalten
Siegfriedens Schwert.
Das trug mein holder Trauter, als ich
zuletzt ihn sah,
An dem mir Herzensjammer vor allem
Leide geschah.” (2441)
Sie zog es aus der Scheide, er konnt
es nicht verwehren.
Da dachte sie dem Recken das Leben zu
versehren:
Sie schwang es mit den
Händen, das Haupt schlug sie ihm ab.
Das sah der König Etzel, dem
es großen Kummer gab. (2442)
“Wehe!”, rief der König,
“Wie ist hier gefällt
Von eines Weibes Händen der
allerbeste Held,
Der je im Sturm gefochten und seinen
Schildrand trug!
So Feind ich ihm gewesen, mir ist
leid um ihn genug.” (2443)
Da sprach der alte Hildebrand: “Es
kommt ihr nicht zu gut,
Dass sie ihn schlagen durfte; was man
mir auch tut,
Ob er mich selber brachte in Angst
und große Not,
Dennoch will ich rächen
dieses kühnen Tronjers Tod.” (2444)
Hildebrand der alte zu Kriemhilden
sprang,
Er schlug dem Königsweibe
einen Schwertesschwang.
Wohl schmerzten solche Dienste von
Hilbranden sie:
Was mocht ihr aber helfen dass sie so
ängstlich schrie? (2445)
Die da sterben sollten lagen all
umher;
Zu Stücken lag verhauen die
Königstochter hehr.
Dieterich und Etzel huben zu weinen
an
Und jämmerlich zu klagen
manchen Freund und Untertan. (2446)
Da waren auch die Stolzesten erlegen
vor dem Tod:
Die Leute hatten alle Jammer und
Herzensnot.
Mit Leide war beendet des
Königs Lustbarkeit,
Wie die Liebe Leiden stets am letzten
Ende leiht. (2447)
Ich kann euch nicht bescheiden was
seit her geschah
Als dass man Fraun und Ritter immer
weinen sah,
Dazu die edeln Knechte, um lieber
Freunde Tod.
Hie hat die Mär ein Ende:
Das ist der Nibelungen Not. (2448)
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