34. Abenteuer
Wie sie die Toten aus
dem Saale warfen
Da setzten sich die Herren aus
Müdigkeit zu Tal.
Volker und Hagen die gingen vor den
Saal
Über den Schild sich lehnend
in ihrem Übermut:
Da pflagen launger Reden diese beiden
Helden gut. (2074)
Da sprach von Burgonden Geiselher der
Degen:
“Noch dürft ihr lieben
Freunde nicht der Ruhe pflegen;
Ihr sollt erst die Leichen aus dem
Hause tragen:
Wir werden noch bestanden, das will
ich wahrlich euch sagen. (2075)
“Sie sollen untern
Füßen uns hier nicht länger liegen.
Bevor im Sturm die Heunen
mögen uns besiegen,
Wir haun noch manche Wunde, die mir
gar sanfte tut:
Des hab ich,” sprach da Geiselher,
“einen willigen Mut.” (2076)
“O wohl wir solches Herren,” sprach
Hagen dagegen,
“Der Rat geziemte niemand als einem solchen
Degen,
Wie unsern jungen Herren wir diesen
Tag gesehn:
Ihr Burgonden möget alle
drob in Freuden stehn.” (2077)
Da folgten sie dem Rate und trugen
vor die Tür
Siebentausend Tote, die warfen sie
dafür;
Vor des Saales Stiege fielen sie zu
Tal:
Da erhoben ihre Freunde mit Jammern
kläglichen Schall. (2078)
Darunter war noch mancher nur so
mäßig wund,
Käm ihm gute Pflege, er
würde noch gesund;
Doch von dem hohen Falle fand er nun
den Tod:
Das klagten ihre Freunde: Es zwang
sie wahrhafte Not. (2079)
Da sprach der Fiedelspieler, Volker
gar unverzagt:
“Nun sah ich doch, man hat mir die
Wahrheit gesagt:
Die Heunen sind feige, sie klagen wie
ein Weib,
Statt dass sie pflegen sollten der
Schwerverwundeten Leib.” (2080)
Da mocht ein Markgraf
wähnen, er mein es ernst und gut:
Der Verwandten einen sah er gefallen
in das Blut;
Er dacht ihn wegzutragen und wollt
ihn schon umfahn:
Den schoss ob ihm zu Tode dieser
kühne Fiedelmann. (2081)
Eine große Flucht erhob
sich, als das die andern sahn
Sie begannen all zu fluchen demselben
Fiedelmann.
Einen Spieß vom Boden nahm
er, der war scharf und hart,
Der von einem Heunen zu ihm herauf
geschossen ward. (2082)
Den schoss er durch die Veste von
sich kräftiglich
Über ihre Häupter.
Das Volk Etzels wich
Erschreckt von seinem Wurfe weiter
von dem Saal;
Vor seinen starken Kräften
die Leute bangten überall. (2083)
Da stand vor dem Hause manch tausend
Mann.
Volker und Hagen huben zu reden an
Mit Etzeln dem König in
hohem Übermut;
Das schuf bald große Sorge
diesen Helden kühn und gut. (2084)
“Wohl wär es,” sprach da
Hagen, “Des Volkes Trost im Leib,
Wenn die Herren föchten
voran in Sturm und Streit,
Wie von meinen Herren hier ein jeder
tut:
Die hauen durch die Helme, dass von
den Schwertern fließt das Blut.” (2085)
So kühn war Herr Etzel, er
fasste seinen Schild:
“Nun hütet eures Lebens,”
sprach da Kriemhild,
“Und bietet Gold den Recken auf der Schilde
Rand,
Denn erreicht euch Hagen, ihr habt
den Tod an der Hand.” (2086)
So kühn war der
König, er wollt in den Streit,
Wozu so reiche Fürsten nun
selten sind bereit.
Man musste bei den Riemen des
Schildes ihn halten an.
Hagen der grimme ihn mehr zu
höhnen begann: (2087)
“Eine ferne Sippschaft war es,”
sprach Hagen gleich zur Hand
“Die Etzeln und Siegfried zusammen
einst verband;
Er minnte Kriemhilden eh sie gesehen
dich:
Böser König Etzel,
was rätst du denn wider mich?” (2088)
Diese Rede hörte die edle
Königin.
Darüber ward unmutig
Kriemhild in ihrem Sinn,
Dass er sie schelten durfte vor
König Etzels Bann:
Wider die Gäste hub sie aufs
neu zu werben an. (2089)
Sie sprach: “Wer den Hagen von Tronje
mir erschlägt
Und mir sein Haupt als Gabe her zur
Stelle trägt,
Mit rotem Golde füll ich ihm
Etzels Schildesrand,
Auch geb ich ihm zum Lohne viel gute
Burgen und Land.” (2090)
“Ich weiß nicht was sie
zaudern,” sprach der Fiedelmann,
“Niemals haben Helden so verzagt
getan,
Wenn man bieten hörte so
hohen Ehrensold.
Wohl sollt ihnen Etzel nimmer wieder
werden hold. (2091)
“Die hier mit Schimpf und Schanden
essen des Königs Brot,
Und ihn nun verlassen in der
größten Not,
Deren seh ich manchen so recht
verzagt da stehn,
Und tun doch so verwogen; sie
können nie der Schmach entgehn.” (2092)
* Der reiche Etzel hatte Jammer und
Not:
Er beklagte seiner Mannen und Freude
bittern Tod;
Von manchen Landen standen ihm Recken
viel zur Seit,
Die weinten mit dem Könige
sein gewaltiges Leid. (2093)
* Da gedachten wohl die Besten: “Wahr
ist was Volker sagt.”
Von niemand doch von allen ward es so
schwer beklagt,
Als von Markgraf Iring, dem Herrn aus
Dänenland;
Was sich nach kurzer Weile wohl nach
der Wahrheit befand. (2094)
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