16. Abenteuer
Wie Siegfried
erschlagen ward
Gunther und Hagen, die Recken
wohlgetan,
Berieten mit Untreuen ein Brischen in
den Tann.
Mit ihren scharfen Spießen
wollten sie jagen gehn
Bären, Schwein und
Büffel: Was konnte Kühnres geschehn? (942)
Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit
stolzem Sinn.
Man bracht ihnen Speise mancherlei
dahin.
An einem kalten Brunnen verlor er
bald den Leib:
Brunhild hat es geraten, Gunter des
Königs Weib. (943)
Da ging der kühne Degen, wo
er Kriemhilden fand.
Schon war aufgesäumt das
edle Birschgewand
Für ihn und die Gesellen:
Sie wollten über Rhein.
Da konnte Kriemhilden nicht
übler zu Mute sein. (944)
Seine liebe Tante küsst' er
an den Mund:
“Gott lasse mich dich, Fraue, noch
wieder sehn gesund,
Und mich auch deine Augen; mit holden
Freunden dein
Verkürze dir die Stunden;
ich kann nun nicht bei dir sein.” (945)
Da gedachte sie der Märe,
sie durft es ihm nicht sagen,
Die sie Hagen sagte: Da begann zu
klagen
Die edle Königstochter, dass
sie je geboren ward:
Ohne Maßen weinte die
wunderschöne Fraue zart. (946)
Sie sprach zu dem Recken: “Lasst euer
Jagen sein:
Mir träumte heunt von Leide,
wie euch zwei wilde Schwein
Auf der Haide jagten: Da wurden
Blumen rot.
Dass ich so bitter weine, das tut mir
sicherlich Not. (947)
Ich fürchte sehr und bange
vor etlicher Verrat.
Hier sind gewisslich welche, die man
erzürnet hat:
Die könnten uns verfolgen
mit feindlichem Hass.
Bleibt hier, mein lieber Herre, mit
Treue rat ich euch das.” (948)
“Meine liebe Traute, ich kehr in
kurzer Zeit;
Ich weiß nicht, dass hier
Jemand mit Hass trüg oder Neid.
Alle deine Freunde sind insgemein mir
hold;
Auch verdient ich von den Degen wohl
nimmer anderlei Sold.” (949)
“Nicht doch, lieber Siegfried, wohl
fürcht ich deinen Fall.
Mir träumte heunt von Leide,
wie über dir zu Tal
Fielen zwei Berge, dass ich dich nie
wieder sah:
Und willst du von mir scheiden, das
geht mir inniglich nah.” (950)
Er umfing mit Armen das tugendreiche
Weib,
Mit holdem Kusse herzt' er ihren
schönen Leib.
Da nahm er Urlaub und schied in
kurzer Stund:
Sie ersah ihn leider darnach nicht
wieder gesund. (951)
Da ritten sie von dannen in einem
tiefen Tann.
Der Kurzweil willen folgte manch
kühner Rittersmann
Gunthern dem Könige und
Siegfrieden nach.
Geiselher der Ruhe daheim mit
Gernoten pflag. (952)
Manch Saumross zog beladen vor ihnen
überrhein,
Das den Jagdgesellen das Brot trug
und den Wein,
Das Fleisch mit den Fischen und
Speise mancher Art,
Wie sie ein reicher König
wohl haben mag auf der Fahrt. (953)
Da ließ man herbergen bei
dem Walde grün
Vor des Wildes Wechseln die stolzen
Jäger kühn,
Als sie da jagen wollten, auf breitem
Angergrund.
Da war auch Siegfried kommen: Das
ward dem Könige kund. (954)
Von den Jagdgesellen ward
umhergestellt
Die Wart an allen Enden: Da sprach
der kühne Held,
Siegfried der starke: “Wer soll uns
in den Tann
Nach dem Wilde weisen? Ihr Degen
kühn und wohlgetan.” (955)
“Wollen wir uns scheiden,” hub da
Hagen an,
“Ehe wir beginnen zu jagen hier im
Tann?
So mögen wir erkennen, ich
und die Herren mein,
Wer die besten Jäger bei
dieser Waldreise sei'n. (956)
Die Leute und die Hunde, wir teilen
uns darein:
Dann fährt, wohin ihn
lüstet, jeglicher allein,
Und wer das Beste jagte, dem sagen
alle Dank.”
Da weilten die Jäger
beieinander nicht mehr lang. (957)
Da sprach der Herre Siegfried: “Der
Hunde hab ich Rat,
Ich will nur einen Bracken, der so
genossen hat,
Dass er des Wildes Fährte
spüre durch den Tann:
Wir kommen wohl zum Jagen!”, so
sprach der Kriemhilde Mann. (958)
Da nahm ein alter Jäger
einen Spürhund
Und brachte den Herren in einer
kurzen Stund,
Wo sie viel Wildes fanden: Was des
vertrieben ward,
Da erjagten die Gesellen, wie heut
noch guter Jäger Art. (959)
Was da der Bracke scheuchte, das
schlug mit seiner Hand
Siegfried der kühne, der
Held von Niederland.
Sein Ross lief so geschwinde, dass
ihm nicht viel entrann:
Das Lob er bei dem Jagen vor ihnen
allen gewann. (960)
Er war in allen Dingen mannhaft
genug.
Das Erste von den Tieren, die er zu
Tode schlug,
Das war ein starkes Halbschwein, mit
eigener Hand;
Nicht lang darauf der Degen einen
ungefügen Leuen fand. (961)
Als den Bracke scheuchte, schoss er
ihn mit dem Bogen
Und dem scharfen Pfeile, den er
darauf gezogen;
Der Leu lief nach dem Schusse kaum
dreier Sprünge lang.
Seine Jagdgesellen, die sagten
Siegfrieden Dank. (962)
Darnach schlug er wieder einen
Büffel und einen Elk,
Vier starker Auer nieder und einen
grimmen Schelk.
So schnell trug ihn die
Mähre, dass ihm nichts entsprang:
Hinden und Hirsche wurden viele sein
Fang. (963)
Einen großen Eber trieb der
Spürhund auf,
Als der flüchtig wurde, da
kam in schnellem Lauf
Derselbe Jagdmeister und nahm ihn
wohl aufs Korn:
Anlief den kühnen Degen der
Eber in großem Zorn. (964)
Da schlug ihn mit dem Schwerte der
Kriemhilde Mann:
Das hätt ein andrer
Jäger nicht so leicht getan.
Als er ihn gefället, fing
man den Spürhund.
Da ward sein reiches Jagen den
Burgonden alle kund. (965)
* Da sprachen seine Jäger:
“Kann es füglich sein,
So lasst uns, Herr Siegfried, des
Wildes ein Teil gedeihn:
Ihr wollt uns heute leeren den Berg
und auch den Tann.”
Darob begann zu lächeln der
Degen kühn und wohlgetan. (966)
Da vernahm man allenthalben
Lärmen und Getos.
Von Leuten und von Hunden ward der
Schall so groß,
Man hörte widerhallen den
Berg und auch den Tann.
Vierundzwanzig Hunde hatten die
Jäger losgetan, (967)
Da wurde viel des Wildes vom grimmen
Tod ereilt.
Sie wähnten es zu
fügen, dass ihnen zugeteilt
Der Preis des Jagens würde:
Das konnte nicht geschehn,
Als bei der Feuerstätte der
starke Siegfried ward gesehn. (968)
Die Jagd war zu Ende, und doch nicht
ganz und gar.
Die zu der Herberg wollten brachten
mit sich dar
Häute mancher Tiere, dazu
des Wilds genug.
Hei! Was man zur Küche vor
das Ingesinde trug! (969)
Da ließ der König
künden den Jägern wohl geborn
Dass er zum Imbiss wolle; da wurde
laut ins Horn
Einmal gestoßen: Also ward
bekannt,
Dass man den edeln Fürsten
bei den Herbergen fand. (970)
* Da sprach ein Jäger
Siegfrieds: “Herr, ich hab vernommen
An eines Hornes Schalle, wir sollen
nun kommen
Zu den Herbergen: Erwiedr ichs, das
behagt.”
Da ward nach den Gesellen mit Blasen
lange gefragt. (971)
Da sprach König Siegfried:
“Nun räumen wir den Wald.”
Sein Ross trug ihn eben, die andern
folgten bald.
Sie verscheuchten mit dem Schalle ein
Waldtier fürchterlich.
Einen wilden Bären; da
sprach der Degen hinter sich: (972)
“Ich schaff uns Jagdgesellen eine
Kurzweil.
Da seh ich einen Bären: Den
Bracken löst vom Seil.
Zu den Herbergen soll mit uns der
Bär:
Er kann uns nicht entrinnen und
flöh er auch noch so sehr.” (973)
Da lös'ten sie den Bracken,
gleich sprang der Bär hindann.
Da wollt ihn erreiten der Kriemhilde
Mann.
Er fiel in ein Geklüfte: Da
konnt er ihm nicht bei:
Das starke Tier wähnte von
den Jägern schon sich frei. (974)
Da sprang von seinem Rosse der stolze
Ritter gut
Und begann ihm nachzulaufen. Das Tier
war ohne Hut,
Es konnt ihm nicht entrinnen; er fing
es allzuhand.
Ohn es zu verwunden der Degen eilig
es band (975)
Kratzen oder beißen konnt es
nicht den Mann.
Er band es auf den Sattel:
aufsaß der Schnelle dann:
Er bracht es zu dem Herde in seinem
hohen Mut
Zu einer Kurzweile, der Degen edel
und gut. (976)
Er ritt zur Herberge in welcher
Herrlichkeit!
Sein Spieß war
ungefüge, stark dazu und breit;
Eine schmucke Waffe hing ihm herab
bis auf den Sporn;
Von rotem Golde führte der
Degen ein schönes Horn. (977)
Von besserm Birschgewande
hört ich niemals sagen.
Einen Rock von schwarzem Zeuche sah
man ihn tragen
Und einen Hut von Zobel, reich war
der genug.
Hei! Was für Borten an
seinem Köcher er trug! (978)
Von einem Panther war
darüber gezogen
Ein Vließ des Ruches wegen.
Auch trug er einen Bogen,
Den man mit einer Winde musste ziehen
an,
Wenn man ihn spannen wollte, er
hätte es selbst denn getan. (979)
Von der Haut des Luchses war alle
sein Gewand,
Das man von Kopf zu
Füßen bunt überstreuet fand.
Aus dem lichten Rauchwerk zu beiden
Seiten hold
Schien an dem kühnen
Jäger manche Borte von Gold. (980)
Auch führt' er Balmungen,
das breite schmucke Schwert:
Das war scharf und schneidig, nichts
bleib unversehrt;
Wenn man es schlug auf Helme; seine
Seiten waren gut.
Der herrliche Jäger, der
trug gar hoch seinen Mut. (981)
Weil ich euch der Märe ganz
bescheiden soll,
So war sein edler Köcher
guter Pfeile voll,
Mit goldenen Röhren, die
Eisen händebreit.
Wen er damit getroffen, dem war das
Ende nicht weit. (982)
Da ritt der edle Degen waidlich aus
dem Tann,
Ihn sahen zu sich kommen die in
Gunthers Bann.
Sie liefen ihm entgegen und hielten
ihm das Ross:
Da führt er auf dem Sattel
einen Bären stark und groß. (983)
Als er vom Ross gestiegen,
lös't er ihm das Band
Vom Mund und von den Füßen:
Die Hunde gleich zur Hand
Begannen laut zu heulen, als sie den
Bären sahn.
Das Tier zum Walde wollte: Das
erschreckte manchen Mann. (984)
Der Bär in die
Küche von dem Lärm geriet;
Hei! Was er von dem Feuer der
Küchenknechte schied!
Gerückt ward mancher Kessel,
zerzerret mancher Brand;
Hei! Was man guter Speisen in der
Asche liegen fand! (985)
Da sprangen von den Sitzen die Herren
und ihr Bann.
Der Bär begann zu
zürnen; der König wies sie an
Der Hunde Schar zu lösen,
die an den Seilen lag;
Und wär es wohl geendet, sie
hätten fröhlichen Tag. (986)
Mit Bogen und mit Spießen,
man versäumte sich nicht mehr,
Liefen hin die Schnellen, wo da ging
der Bär;
Doch wollte niemand
schießen, von Hunden wars zu voll.
So laut ward das Getöse,
dass rings der Bergwald erscholl. (987)
Der Bär begann zu fliehen
vor der Hunde Zahl;
Ihm konnte niemand folgen als
Kriemhilds Gemahl.
Er erlief ihn mit dem Schwerte, zu Tod
er ihn da schlug,
wieder zu dem Feuer das Gesind den
Bären trug. (988)
Da sprachen die es sahen, er
wär ein starker Mann.
Die stolzen Jagdgesellen rief man zu
Tisch heran:
Auf schönem Anger
saßen ihrer da genug.
Hei! Was man Ritterspeise vor die
stolzen Jäger trug! (989)
Die Schenken waren säumig,
sie brachten nicht den Wein:
So gut bedient mochten sonst Helden
nimmer sein.
Wären ihrer manche nicht so
falsch dabei,
So wären wohl die Recken
aller Schanden bar und frei. (990)
Da sprach König Siegfried:
“Mich verwundert sehr,
Man bringt uns aus der Küche
doch so viel daher,
Was bringen uns die Schenken nicht
dazu den Wein?
Pflegt man so der Jäger,
will ich nicht Jagdgeselle sein. (991)
“Ich hätt es wohl verdienet,
bedächte man mich gut.”
Von seinem Tisch der König
sprach mit falschem Mut:
“Man soll euch künftig
büßen, was heut uns muss entgehn;
Die Schuld liegt an Hagen, der will
uns verdursten sehn.” (992)
Da sprach von Tronje Hagen: “Lieber
Herre mein,
Ich wähnte, das Birschen
sollte heute sein
In dem Spechtsharte: Den Wein sandt
ich dahin.
Heut gibt es nichts zu trinken; doch
vermeid ichs künftighin.” (993)
Da sprach der Niederländer:
“Ich sag euch wenig Dank:
Man sollte sieben Säumer mit
Met und Lautertrank
Mir hergesendet haben; konnte das
nicht sein,
So hätte man uns besser
gesiedelt näher dem Rhein.” (994)
* Des wurde da nicht inne der
verratne kühne Mann,
Dass man solche Tücke wider
ihn hier spann.
Er war in hoher Tugend alles Falsches
bar;
Seines Todes musst entgelten dem es
nie ein Frommen war. (995)
Da sprach von Tronje Hagen: “Ihr
edeln Ritter schnell,
Ich weiß hier in der
Nähe einen kühlen Quell:
Dass ihr mir nicht zürnet,
da rat ich hinzugehn.”
Der Rat war manchem Degen zu
großer Sorge geschehn. (996)
Siegfried den Recken zwang des
Durstes Not;
Den Tisch er wegzurücken so
zeitiger gebot:
Er wollte vor die Berge zu dem
Brunnen gehn.
Da war der Rat aus Arglist von den
Recken geschehn. (997)
Man hieß das Wild
aufsäumen und führen in das Land,
Das da verhauen hatte Siegfriedens
Hand.
Wer es auch sehen mochte, sprach Ehr
und Ruhm ihm nach:
Hagen seine Treue sehr an Siegfrieden
brach. (998)
Als sie von dannen wollten zu der
Linde breit,
Da sprach von Tronje Hagen: “Ich
hörte jederzeit,
Es könne Niemand folgen
Kriemhilds Gemahl,
Wenn er rennen wolle; hei! Schauten
wir doch das einmal!” (999)
Da sprach von Niederlanden Siegfried
der Degen kühn:
“Das mögt ihr wohl
versuchen: Wollt ihr mit mir hin
Zur Wette nach dem Brunnen? Wenn der
Lauf geschieht,
Soll der gewonnen haben, welchen man
gewinnen sieht.” (1000)
“Wohl, lasst es uns versuchen,”
sprach Hagen der Degen.
Da sprach der starke Siegfried: “So
will ich mich legen
Hier zu euern Füßen
nieder in das Gras.”
Als er das erhörte, wie lieb
war König Gunthern das! (1001)
Da sprach der kühne Degen:
“Noch mehr will ich euch sagen
All meine Geräte will ich
mit mir tragen,
Den Speer samt dem Schilde, dazu mein
Birschgewand.”
Das Schwert und den Köcher
er um die Glieder schnell sich band. (1002)
Abzogen sie die Kleider von dem Leibe
da;
In zwei weißen Hemden man
beide stehen sah.
Wie zwei wilde Panther liefen sie
durch den Klee;
Man sah bei dem Brunnen den
kühnen Siegfried doch eh. (1003)
Den Preis in allen Dingen vor manchem
man ihm gab.
Da lös't er schnell die
Waffe, den Köcher legt' er ab,
Den starken Wurfspieß lehnt'
er an den Lindenast:
Bei des Brunnens Fluße stand
der herrliche Gast. (1004)
Siegfriedens Tugenden waren gut und
groß.
Den Schild legt' er nieder, wo der
Brunnen floss:
Wie sehr ihn auch dürstete,
der Held nicht eher trank
Bis der Wirt getrunken:
Dafür gewann er übeln Dank. (1005)
Der Brunnen war lauter, kühl
und auch gut;
Da neigte sich Gunther hernieder zu
der Flut.
Als er getrunken hatte, erhob er sich
hindann
Also hätt auch gerne der
kühne Siegfried getan. (1006)
Da entgalt er seiner Tugend; den
Bogen und das Schwert
Trug Hagen beiseite von dem Degen
wert.
Dann sprang er schnell
zurücke, wo er den Wurfspieß fand
Und sah nach einem Zeichen an des
Kühnen Gewand. (1007)
Als Siegfried der König aus
dem Brunnen trank,
Schoss er ihm durch das Kreuze, dass
aus der Wunde sprang
Das Blut seines Herzens hoch an
Hagens Staat.
Kein Held begeht wieder also
große Missetat. (1008)
Den Wurfspieß im Herzen
ließ er ihn stecken tief:
Wie im Fliehen Hagen da so grimmig
lief,
So lief er wohl auf Erden nie vor
einem Mann!
Als sich der starke Siegfried der
großen Wunde besann, (1009)
Der Held in wildem Toben von dem
Brunnen sprang;
Ihm ragte von den Schultern eine
Speerstange lang.
Nun wähnt' er da zu finden
Bogen oder Schwert,
So hätt er Lohn Herrn Hagen
wohl nach Verdienste gewährt. (1010)
Als der Todwunde das Schwert nicht
wieder fand,
Da blieb ihm nichts weiter als der
Schildesrand.
Den hob er von dem Brunnen und rannte
Hagnen an;
Da konnt ihm nicht entrinnen
König Gunthers Untertan. (1011)
Wie wund er war zum Tode, so
kräftig doch er schlug,
Dass von dem Schilde nieder rieselte
genug
Des edeln Gesteins; der Schild
zerbrach auch fast!
So gern gerochen hätte sich
der herrliche Gast. (1012)
Gestrauchelt war da Hagen von seiner
Hand zu Tal;
Der Anger von den Schlägen
erscholl im Wiederhall.
Hätt er sein Schwert in
Händen, so wär es Hagens Tod.
Sehr zürnte der Verwundete,
es zwang ihn wahrhafte Not. (1013)
Seine Farbe war erblichen, er konnte
nicht mehr stehn.
Seines Leibes Stärke musste
ganz zergehn,
Da er des Todes Zeichen in lichter
Farbe trug.
Er ward hernach beweinet von
schönen Frauen genug. (1014)
Da fiel in die Blumen der Kriemhilde
Mann:
Das Blut von seiner Wunde stromweis
nieder rann.
Da begann er die zu schelten, ihn
zwang die große Not,
Die da geraten hatten mit Untreue
seinen Tod. (1015)
Da sprach der Todwunde: “Weh, ihr
bösen Zagen,
Was helfen meine Dienste, da ihr mich
habt erschlagen?
Ich war euch stets gewogen und sterbe
nun daran:
Ihr habt an euern Freunden leider
übel getan. (1016)
Die sind dadurch bescholten, was
ihrer auch geborn
Wird nach diesem Tage: Ihr habt euern
Zorn
Allzu sehr gerochen an dem Leben
mein.
Mit Schanden geschieden sollt ihr von
guten Recken sein.” (1017)
Hinliefen all die Ritter, wo er
erschlagen lag:
Es war ihrer vielen ein freudeloser
Tag.
Wer irgend Treue kannte, von dem ward
er beklagt:
Das hatt auch wohl um alle verdient
der Degen unverzagt. (1018)
Der König von Burgonden
beklagt' auch seinen Tod.
Da sprach der Todwunde: “Das tut
nimmer Not,
Dass der um Schaden weinet, durch den
man ihn gewann:
Er verdient groß Schelten,
er hätt es besser nicht getan.” (1019)
Da sprach der grimme Hagen: “Ich
weiß nicht, was euch reut:
Nun hat zumal ein Ende unser sorglich
Leid.
Nun mags nicht manchen geben, der uns
darf bestehn;
Wohl mir, dass seiner Herrschaft
durch mich ein End ist geschehn.” (1020)
“Ihr mögt euch leichtlich
rühmen,” sprach der von Niederland;
“Hätt ich die
mörderische Weis an euch erkannt,
Vor euch hätt ich behalten
Leben wohl und Leib.
Mich dauert nichts auf Erden als Frau
Kriemhilde mein Weib. (1021)
“Auch mag es Gott erbarmen, dass ich
gewann den Sohn,
Der nun auf alle Zeiten bescholten
ist davon,
Dass seine Freunde jemand
meuchlerisch erschlagen:
Hätt ich Zeit und Weile, das
müsst ich billig beklagen. (1022)
* Niemand je auf Erden
größern Mord begann,”
Sprach er zu dem Könige,
“als ihr an mir getan:
Ich erhielt euch unbescholten in
großer Angst und Not;
Ihr habt mir schlimm vergolten, dass
ich so wohl es euch bot.” (1023)
Da sprach im Jammer weiter der
todwunde Held:
“Wollt ihr, edler König,
noch je auf dieser Welt
An jemand gutes üben, so
lasst befohlen sein
Auf Treue und auf Gnaden euch die
liebe Traute mein. (1024)
Lasst sie des genießen, dass
sie eure Schwester sei:
Bei aller Fürsten Tugend,
steht ihr mit Treue bei!
Mein mögen lange harren mein
Vater und sein Bann:
Es ward am lieben Freunde nimmer
übler getan.” (1025)
* Er krümmte sich in
Schmerzen, wie ihm die Not gebot
Und sprach aus jammerndem Herzen:
“Mein mordlicher Tod
Mag euch noch gereuen in der Zukunft
Tagen:
Glaubt mir in rechter Treue, dass ihr
euch selber habt erschlagen.” (1026)
Die Blumen allenthalben waren vom
Blute nass.
Da rang er mit dem Tode, nicht lange
tat er das,
Denn des Todes Waffe schnitt immer
allzu sehr.
Auch musste bald ersterben dieser
Degen kühn und hehr. (1027)
* Von demselben Brunnen, wo Siegfried
ward erschlagen,
Sollt ihr die rechte Wahrheit von mir
hören sagen.
Vor dem Odenwalde ein Dorf liegt
Odenheim:
Da fließet noch der Brunnen,
es kann da kein Zweifel sein. (1028)
Als die Herren sahen, der Degen sei
tot,
Sie legten ihn auf einen Schild, der
war von Golde rot:
Da gingen sie zu Rate, wie es sollt
ergehn,
Dass es verhohlen bliebe, es sei von
Hagen geschehn. (1029)
Da sprachen ihrer viele: “Ein Unfall
ist geschehn;
Ihr sollt es alle hehlen und einer
Rede stehn:
Als er allein ritt jagen, der
Kriemhilde Mann,
Da schlugen ihn die
Schächer, als er fuhr durch den Tann.” (1030)
Da sprach von Tronje Hagen: “Ich
bring ihn in das Land:
Mich soll es nicht kümmern,
wird es ihr auch bekannt,
Die so betrüben konnte
Brunhildens hohen Mut;
Ich werde wenig fragen wie sie nun
weinet und tut.” (1031)
Da harrten sie des Abends und fuhren
überrhein:
Es mochte nie von Helden so schlimm
gejaget sein.
Ihr Beutewild beweinte noch manches
edle Weib,
Sein musste bald entgelten viel guter
Weigande Leib. (1032)
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