37. Abenteuer
Wie Rüdiger
erschlagen ward
Die Heimatlosen hatten am Morgen viel
getan.
Der Gemahl Gotlindens kam zu Hof
heran
Und sah auf beiden Seiten des
großen Leids Beschwer:
Darüber weinte inniglich der
vielgetreue Rüdiger. (2201)
“O weh, dass ich das Leben,” sprach
der Held, “gewann,
Und diesem großen Jammer nun
niemand wehren kann.
So gern ich Frieden schüfe,
der König gehts nicht ein,
Da ihm das Unheil stärker,
immer stärker bricht herein.” (2202)
Zu Dietrichen sandte der gute
Rüdiger,
Ob sie's noch könnten wenden
bei dem König hehr?
Da entbot ihm der von Berne: “Wer
möchte widerstehn?
Es will der König Etzel
keine Sühne mehr sehn.” (2203)
Da sah ein Heunenrecke
Rüdigern da stehn
Mit weinenden Augen, wie er ihn oft
gesehn.
Er sprach zu der Königin:
“Nun seht doch, wie er steht,
Den der König Etzel vor
allen andern hat erhöht, (2204)
“Und dem doch alles dienet, die Leute
wie das Land.
Wie sind so viel der Burgen an
Rüdiger gewandt,
Deren er so manche von dem
König haben mag!
Er schlug in diesem Sturme noch
keinen löblichen Schlag. (2205)
“Mich dünkt, ihn
kümmert wenig was uns hier geschieht,
Wenn er nach seinem Willen bei sich
die Fülle sieht.
Man rühmt, er wäre
kühner als jemand möge sein:
Das hat uns schlecht bewiesen in
dieser Not der Augenschein.” (2206)
Mit traurigem Mute der vielgetreue
Mann,
Als er die Rede hörte, sah
er den Heunen an.
Er dachte: “Des entgiltst du; du
sagst ich sei verzagt:
Da hast du deine Märe zu
laut bei Hofe gesagt.” (2207)
Er zwang die Faust zusammen, da lief
er ihn an,
Und schlug mit solchen
Kräften den heunischen Mann,
Dass er ihm vor die
Füße niederstürzte tot.
Da war nur gemehrt noch dem
König Etzel die Not. (2208)
“Fahr hin, verzagter
Bösewicht,” sprach da Rüdiger,
“Ich hatte doch des Leides genug und
der Beschwer:
Dass ich hier nicht fechte, was
rügst du mir das?
Wohl trüg auch in den
Gästen mit Grunde feindlichen Hass, (2209)
“Und alles was ich könnte
tät ich ihnen an,
Hätt ich nicht hieher
geführt die in Gunthers Bann;
Doch war ich ihr Geleite in meines
Herren Land:
Drum darf sie nicht bestreiten meine
unselge Hand.” (2210)
Da sprach zum Markgrafen Etzel der
König hehr:
“Wie habt ihr uns geholfen, viel
edler Rüdiger!
Wir hatten doch der Toten so viel in
diesem Land,
Dass wir nicht mehr bedurften: Mit
Unrecht schlug ihn eure Hand.” (2211)
Da sprach der edle Ritter: “Er
beschwerte mir den Mut,
Und hat mir bescholten die Ehre wie
das Gut,
Des ich aus deinen Händen so
große Gaben nahm,
Was nun dem Lügenbolde gar
übel zustatten kam.” (2212)
Du kam die Königstochter,
die hat es auch gesehn
Was von des Helden Zorne dem Heunen
war geschehn:
Sie beklagt' es schmerzlich, ihre
Augen wurden nass.
Sie sprach zu Rüdigeren:
“Womit verdienten wir das, (2213)
Dass ihr mir und dem König
noch mehrt unser Leid?
Ihr habt uns, edler Rüdiger,
gelobt allezeit
Ihr wolltet für uns wagen
die Ehre wie das Leben;
Auch hört ich viel der
Recken den Preis des Mutes euch geben. (2214)
Ich mahn euch nun der Treue, die mir
schwur eure Hand
Als ihr für Etzeln warbet,
Ritter auserkannt:
Dass ihr mir dienen wolltet, bis an
unsern Tod;
Des war mir armen Weibe noch nie so
bitterlich Not.” (2215)
“Das ist ungelogen, ich schwur euch,
edel Weib,
Ich wolle für euch wagen die
Ehre wie den Leib;
Die Seele zu verlieren hab ich nicht
geschworen.
Zu diesem Hofgelage bracht ich die
Fürsten wohlgeboren.” (2216)
Sie sprach: “Gedenke,
Rüdiger, der hohen Eide dein
Von deiner steten Treue, wie du den
Schaden mein
Immer wolltest rächen und
wenden all mein Leid.”
Da sprach der Markgraf: “Ich war euch
immer dienstbereit.” (2217)
Etzel der Reiche hub auch zu flehen
an.
Sie boten sich zu
Füßen beide vor den Mann,
Dass man den guten Markgraf in
großem Unmut sah;
Der vielgetreue Recke, jammervoll
begann er da: (2218)
“O weh mir Gottesarmen, dass ich
erlebt den Tag!
Wo aller meiner Ehren ich mich
begeben mag,
Aller Zucht und Treue, die Gott mir
angebot;
O weh Gott vom Himmel, dass mirs
nicht wenden will der Tod! (2219)
Welches ich nun lasse das andre zu
begehn,
So ist doch immer böslich
und arg von mir geschehn:
Und wenn ich beides lasse, so schilt
mich alle Welt.
Nun möge mich erleuchten der
mich dem Leben gesellt!” (2220)
Da baten ihn so lange der
König und sein Weib,
Dass bald viel Degen mussten
verlieren den Leib
Unter Rüdgers
Händen und selbst der Held erstarb.
Nun mögt ihr bald vernehmen,
welchen Jammer er erwarb. (2221)
Er wusste, dass nur Schaden und
Unheil sein Gewinn.
Er hätt es auch dem
König und der Königin
Gern versagen mögen: Der
Held besorgte sehr,
Schlüg er ihr einen, dass er
der Welt ein Gräuel wär. (2222)
Da sprach zu dem Könige der
hochbeherzte Mann:
“Herr König, nehmet wieder
was ich von euch gewann,
Das Land mit den Burgen; bei mir soll
nichts bestehn:
Ich will auf meinen
Füßen hinaus in das Elend gehn. (2223)
* “Ledig alles gutes räum
ich euer Land,
Mein Weib und meine Tochter nehm ich
an die Hand,
Eh ich so ohne Treue entgegen ging'
dem Tod:
Das hieß auf üble
Weise verdienen euer Gold so rot.” (2224)
Da sprach der König Etzel:
“Wer aber helfe mir?
Mein Land samt den Leuten, das alles
geb ich dir,
Dass du mich rächest,
Rüdiger, an den Feinden mein:
Du sollst an meiner Seiten ein
gewaltger König sein.” (2225)
Da sprach wieder Rüdiger:
“Wie darf ich ihnen schaden?
Heim zu meinem Hause hab ich sie
geladen;
Pflege, Trank und Speise ich ihnen
gütlich bot,
Dazu meine Gabe; und soll ich sie nun
schlagen tot? (2226)
Die Leute mögen
wähnen, ich sei zu verzagt.
Keiner meiner Dienste war ihnen je
versagt,
Den Fürsten wohlgeboren und
ihrem ganzen Bann:
Nun reut mich die Freundschaft, die
ich an ihnen gewann. (2227)
“Geiselher dem Degen gab ich die
Tochter mein.
Sie konnt auf Erden nimmer besser
verwendet sein,
Seh ich auf Zucht und Ehre, auf Treue
oder Gut:
Nie war ein junger König von
so tugendreichem Mut.” (2228)
Da sprach wieder Kriemhild: “Viel
edler Rüdiger,
Nun lass dich erbarmen unsres Leids
Beschwer,
Mein und auch des Königs:
Gedenke wohl daran,
Dass kein Wirt auf Erden so leide
Gäste noch gewann.” (2229)
Da sprach der Markgraf zu der
Königin hehr:
“Heut muss mit dem Leben entgelten
Rüdiger
Was ihr und auch der König
mir Liebes habt getan.
Dafür muss ich nun sterben:
Es steht nicht länger mehr an. (2230)
“Ich weiß wohl, dass noch
heute meine Burgen und mein Land
Euch ledig werden müssen von
dieser Helden Hand:
So befehl ich eurer Gnade mein Weib
und auch mein Kind
Und all die Heimatlosen, die dort zu
Bechlaren sind.” (2231)
“Nun lohne Gott dir,
Rüdiger!”, der König sprach da so:
Er und auch die Königin, sie
wurden beide froh.
“Uns sollen deine Leute wohl befohlen
sein;
Auch trau ich meinem Heile, du
werdest selber glücklich sein.” (2232)
Da setzt' er auf die Waage die Seele
wie den Leib:
Da begann zu weinen König
Etzels Weib.
Er sprach: “Ich muss euch halten den
Eid, den ich getan:
O weh meiner Freunde! Gar ungern
greif ich sie an.” (2233)
Man sah ihn von dem König in
großem Kummer gehn.
Da fand er in der Nähe seine
Recken stehn;
Er sprach: “Ihr sollt euch waffnen, ihr
all in meinem Lehn:
Die kühnen Burgonden, die
muss ich leider bestehn.” (2234)
Sie geboten hin zu eilen, wo man die
Waffen fand:
Da wurden ihre Helme und mancher
Schildesrand
Von dem Ingesinde alsbald herbei
getragen:
Bald hörten leide Märe
die stolzen Fremdlinge sagen. (2235)
Gewaffnet ward da Rüdiger
mit fünfhundert Mann;
Zwölf Recken noch
darüber zogen mit ihm heran.
Sie wollten Preis erwerben in des
Sturmes Not:
Sie wussten nicht die Märe,
dass ihnen nahe der Tod. (2236)
Man sah den Markgrafen unterm Helme
gehn.
Scharfe Schwerter trugen die in
Rüdgers Lehn,
Dazu vor ihren Händen die
lichten Schilde breit:
Das sah der Fiedelspieler; dem war es
unsäglich leid. (2237)
Da sah der junge Geiselher seinen
Schwäher gehn
Mit aufgebundnem Helme. Wie mocht er
da verstehn,
Wie er damit es meine, es sei denn
treu und gut?
Da gewann der edle König
einen fröhlichen Mut. (2238)
“Nun wohl mir solcher Freunde!”,
sprach da Geiselher,
“Wie wir gewonnen haben auf der Fahrt
hieher.
Meines Weibes willen ist uns Hilfe
nah:
Lieb ist mir, meiner Treue, dass
diese Heirat geschah.” (2239)
“Weiß nicht, wes ihr euch
tröstet,” sprach der Fiedelmann,
“Wann saht ihr wohl zur
Sühne so viel der Helden nahn
Mit aufgebundnem Helme, die Schwerter
in der Hand?
Er will an uns verdienen seine Burgen
und sein Land.” (2240)
Bevor der Fiedelspieler das Wort
gesprochen gar,
Rüdiger der edle schon vor
dem Hause war.
Seinen Schild den guten setzt' er vor
den Fuß:
Da musst er seinen Freunden versagen
dienstbereiten Gruß. (2241)
Da rief der edle Markgraf
hinüber in den Saal:
“Ihr kühnen Nibelungen, nun
wehrt euch allzumal.
Ihr solltet mein genießen,
ihr entgeltet mein:
Einst waren wir befreundet: Der Treue
will ich ledig sein.” (2242)
Da erschraken dieser Märe
die Notbedrängten sehr.
Es ward davon der Freude bei
niemanden mehr,
Dass sie bestreiten wollte, dem jeder
Liebe trug:
Sie hatten von den Feinden schon Leid
erfahren genug. (2243)
“Das verhüte Gott vom
Himmel!”, sprach Gunther der Degen.
“Dass ihr eurer Freundschaft also tut
entgegen
Und der großen Treue, worauf
uns sann der Mut:
Ich will euch wohl vertrauen, dass
ihr das nimmermehr tut.” (2244)
“Es ist nicht mehr zu wenden,” sprach
der kühne Mann,
“Ich muss mit euch streiten, wie ich
den Schwur getan.
Nun wehrt euch, kühne
Helden, so lieb euch seid er Leib:
Mir wollt es nicht erlassen des
Königs Etzel Weib.” (2245)
“Ihr widersagt uns allzu
spät,” sprach der König hehr.
“Nun mög euch Gott
vergelten, viel edler Rüdiger,
Die Treue und die Liebe, die ihr uns
habt getan,
Wenn ihr bis an das Ende auch halten
wolltet daran. (2246)
“Wir wolltens immer danken was ihr
uns habt gegeben,
Ich und meine Freunde,
ließet ihr uns leben:
Ihr gabt uns hehre Gaben, als ihr uns
führet her
Ins Heunenland zu Etzeln: Bedenket
das, edler Rüdiger.” (2247)
“Wie gern ich euch das
gönnte!”, sprach Rüdiger der Degen,
“Wenn ich euch meiner Gabe die
Fülle dürfte wägen
Nach meinem Wohlgefallen; wie gerne
tät ich das,
So mir es nicht erwürbe der
edeln Königin Hass!” (2248)
“Lasst ab, edler Rüdiger,”
sprach da Gernot,
“Nie ward ein Wirt gefunden, der es
den Gästen bot
So freundlich und so gütlich
als uns von euch geschehn:
Des sollt ihr auch genießen,
so wir lebendig entgehn.” (2249)
“Das wollte Gott,” sprach
Rüdiger, “viel edler Gernot,
“Dass ihr am Rheine wäret,
und ich wäre tot:
So rettet' ich die Ehre, da ich euch
soll bestehn;
Es ist an fremden Degen von Freunden
nie so arg geschehn.” (2250)
“Nun lohn euch Gott, Herr
Rüdiger,” sprach da Gernot,
“Eure reiche Gabe. Mich reuet euer
Tod,
Soll an euch verderben so
tugendlicher Mut.
Hier trag ich eure Waffe, die ihr mir
gabet, Degen gut. (2251)
Die hat mir nie versagt noch in aller
dieser Not;
Es fiel vor ihrer Schärfe so
mancher Ritter tot;
Sie ist stark und lauter, herrlich
und gut:
Gewiss, so reiche Gabe nie wieder ein
Recke tut. (2252)
Und ist euch nicht zu raten, und
wollt ihr uns bestehn,
Erschlagt ihr mir die Freunde, die
hier noch bei mir stehn,
Mit euerm Schwerte nehm ich Leben
euch und Leib:
So reuet ihr mich, Rüdiger,
und euer herrliches Weib.” (2253)
“Das wolle Gott, Herr Gernot, und
möchte das geschehn,
Dass hier nach euerm Willen alles
könnt ergehn,
Und dass gerettet würde
eurer Freunde Leib:
Euch sollten wohl vertrauen meine
Tochter und mein Weib.” (2254)
Da sprach von Burgonden der
schönen Ute Kind:
“Wie tut ihr so, Herr
Rüdiger? Die mit mir kommen sind.
Die sind euch all gewogen; ihr
greifet übel zu:
Eure schöne Tochter wollt
ihr verwitwen allzufrüh. (2255)
Wenn ihr und eure Recken mich wollt
im Streit bestehn,
Wie wäre das unfreundlich,
wie wenig ließ es sehn,
Dass ich euch vertraute vor jedem
andern Mann,
Als ich zu einem Weibe eure Tochter
mir gewann.” (2256)
“Gedenkt eurer Treue, viel edler
König hehr,
Und schickt euch Gott von hinnen,” so
sprach Rüdiger,
“So soll es nicht entgelten die liebe
Tochter mein:
Bei aller Fürsten Tugend
geruht ihr gnädig zu sein.” (2257)
“So sollt ichs billig halten;” sprach
Geiselher das Kind;
“Doch meine hohen Freunde, die noch
im Saale sind,
Wenn die vor euch ersterben, so muss
geschieden sein
Diese stete Freundschaft zu dir und
der Tochter dein.” (2258)
“Nun möge Gott uns gnaden,”
sprach der kühne Mann.
Da hoben sie die Schilde, als wollten
sie hinan
Zu streiten mit den Gästen
in Kriemhildens Saal:
Überlaut rief Hagen da von
der Stiege zu Tal: (2259)
“Noch harret eine Weile, viel edler
Rüdiger.”
Also sprach da Hagen: “Wir reden erst
noch mehr,
Ich und meine Herren, uns zwingt dazu
die Not.
Was hilft es Etzeln, finden wir in
der Fremde den Tod?” (2260)
“Ich steh in großer Sorge,”
sprach wieder Hagen,
“Den Schild, den Frau Gotlinde mir
gab zu tragen,
Den haben mir die Heunen zerhauen vor
der Hand:
Ich bracht ihn doch mit Treue her in
König Etzels Land. (2261)
Dass es Gott vom Himmel
vergönnen wollte,
Dass ich so guten Schildes
genießen sollte
Als du hast vor den Händen,
viel edler Rüdiger:
So bedürft ich in dem Sturme
keiner Halsbergen mehr.” (2262)
“Gern wollt ich dir dienen mit meinem
Schilde,
Dürft ich dir ihn bieten vor
Kriemhilde.
Doch nimm ihn immer, Hagen, und trag
ihn an der Hand:
Hei! Dürftest du ihn
führen heim in der Burgonden Land!” (2263)
Als er den Schild zu geben so willig
sich erbot,
Da wurden mancher Augen von
heißen Tränen rot.
Es war die letzte Gabe: Es durfte
nimmermehr
Einem Degen Gabe bieten von Bechlaren
Rüdiger. (2264)
Wie grimmig auch Hagen, wie zornig
war sein Mut,
Ihn erbarmte doch die Gabe, die der
Degen gut
So nahe seinem Ende noch an ihn
getan.
Mancher edle Ritter mit ihm zu
trauern begann. (2265)
“Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel
edler Rüdiger.
Es gibt eures Gleichen auf Erden
nimmer mehr,
Der heimatlosen Degen so milde Gabe
gebe:
So möge Gott gebieten, dass
eure Tugend immer lebe. (2266)
O weh mir diese Märe,”
sprach wieder Hagen,
“Wir hatten Herzensschwere genug zu
tragen:
Das müsse Gott erbarmen,
gilts uns mit Freunden Streit!”
Da sprach der Markgraf wieder: “Das
ist mir inniglich leid.” (2267)
“Nun lohn ich euch die Gabe, viel
edler Rüdiger:
Was immer widerfahre diesen Recken
hehr,
Es soll euch nicht berühren
im Streite meine Hand,
Ob ihr sie all erschlüget,
die von der Burgonden Land.” (2268)
Da neigte sich ihm dankend der gute
Rüdiger.
Sie weinten allenthalben: Dass nicht
zu wenden mehr
Dieser Herzensjammer, das war eine
große Not.
Der Vater aller Tugend fand an
Rüdiger den Tod. (2269)
Da sprach von der Stiege Volker der
Fiedelmann:
“Da mein Geselle Hagen euch bot den
Frieden an;
So biet ich auch so steten euch von
meiner Hand;
Das habt ihr wohl verdienet, da wir
kamen in das Land. (2270)
Ihr sollt, viel edler Markgraf, mein
Bote werden hier:
Diese roten Spangen gab Frau Gotlinde
mir,
Dass ich sie tragen sollte bei dieser
Lustbarkeit:
Ihr mögt sie selber schauen,
dass ihr des mein Zeuge seid.” (2271)
“Wollt es Gott der Reiche,” sprach da
Rüdiger,
“Dass euch die Markgräfin
noch geben dürfte mehr.
Die Märe sag ich gerne der
lieben Trauten mein,
Seh ich gesund sie wieder: Des sollt
ihr außer Zweifel sein.” (2272)
Nach diesem Angeloben den Schild hob
Rüdiger,
Sein Mut begann zu toben: Nicht
länger säumt' er mehr;
Auf lief er zu den Gästen
wohl einem Helden gleich:
Viel kraftvolle Schläge
schlug da dieser Markgraf reich. (2273)
Da wichen ihm die beiden, Volker und
Hagen, weit,
Wie ihm verheißen hatten die
Recken kühn im Streit;
Noch traf er bei der Türe so
manchen Kühnen an,
Dass Rüdiger die Feindschaft
mit großen Sorgen begann. (2274)
Aus Mordgierde ließen in das
Haus ihn ein
Gernot und Gunther; das mochten
Helden sein.
Zurück wich da Geiselher;
fürwahr, es war ihm leid:
Er hoffte noch zu leben, drum mied er
Rüdigern im Streit. (2275)
Da sprangen zu den Feinden die in
Rüdgers Lehn,
Man sah sie hohen Mutes bei ihrem
Herren gehn.
Schneidende Waffen trugen sie an der
Hand:
Da brachen viel der Helme und mancher
schöne Schildesrand. (2276)
Da schlugen auch die Müden
manchen harten Schlag
Auf die von Bechlaren, der tief und
eben brach
Durch die festen Panzer und drang bis
auf das Blut:
Sie taten in dem Sturme viel Wunder
herrlich und gut. (2277)
Das edle Heergesinde war nun in dem
Saal;
Volker und Hagen, die sprangen hin
zumal:
Sie gaben niemand Frieden als dem
einen Mann;
Das blut von ihren Hieben von den
Helmen nieder rann. (2278)
Wie da der Schwerter Tosen so
furchtbar erklang,
Dass unter ihren Schlägen
das Schildgespäng zersprang!
Die Schildsteine rieselten nieder in
das Blut;
Da fochten sie so grimmig wie man es
nie wieder tut. (2279)
Der Vogt von Bechlaren schuf hin und
her sich Bahn,
Wie einer der mit Kräften im
Sturme werben kann;
Des Tages ward an Rüdiger
herrlich offenbar,
Dass er ein Recke wäre
kühn und ohne Tadel gar. (2280)
Hier standen diese Degen, Gunther und
Gerenot,
Sie schlugen in dem Streite viel der
Helden tot;
Geiselhern und Dankwart am Heile
wenig lag:
Da brachten sie gar manchen hin zu
seinem jüngsten Tag. (2281)
Wohl erwies da Rüdiger, dass
er stark genug,
Kühn und wohl gewaffnet;
hei! Was er Helden schlug!
Das sah ein Burgonde, dem schuf es
Zorn und Not:
Davon begann zu nahen des edeln
Rüdigers Tod. (2282)
Gernot der starke rief den Helden an.
Er sprach zum Markgrafen: “Ihr wollt
von unserm Bann
Niemand leben lassen, viel edler
Rüdiger:
Das schmerzt mich ohne
Maßen; ich ertrag es länger nicht mehr. (2283)
“Nun mag euch eure Gabe zu Unstatten
kommen,
Da ihr mir der Freunde habt so viel
benommen.
Nun bietet mir die Stirne, ihr edler
kühner Mann:
Eure Gabe wird verdienet so gut ich
immer nur kann.” (2284)
Bevor da der Markgraf zu ihm
gedrungen war,
Ward noch getrübt vom Blute
manch lichter Harnisch klar.
Da liefen sich einander die
Ehrbegiergen an:
Jedweder sich zu schirmen vor starken
Wunden begann. (2285)
Ihre Schwerter waren schneidig, es
schirmte nichts dagegen.
Da schlug Gernoten Rüdiger der
Degen
Durch den steinharten Helm, dass
niederfloss das Blut:
Das vergalt ihm balde dieser Ritter
kühn und gut. (2286)
Da schwang er Rüdgers Gabe,
die ihm in Händen lag:
Wie wund er war zum Tode, er schlug
ihm einen Schlag
Durch des Helmes Bänder und
durch den festen Schild,
Davon ersterben musste der gute
Rüdiger mild. (2287)
Nie ward so reicher Gabe so schlimm
gelohnet mehr
Da fielen beid erschlagen Gernot und
Rüdiger,
Im Sturme gleichermaßen von
beider Kämpfer Hand.
Da erst ergrimmte Hagen, als er den
großen Schaden fand. (2288)
Da sprach der Held von Tronje: “Es
ist uns schlimm bekommen
So großen Schaden haben wir
an den zwein genommen,
Dass wir ihn nie verwinden, noch auch
ihr Volk und Land.
Uns Heimatlosen bleiben nun
Rüdgers Helden zu Pfand.” (2289)
* Da wollte keiner weiter von dem
andern was ertragen;
Mancher ward danieder unverletzt
geschlagen,
Der wohl noch wär genesen:
Ob ihm war solcher Drang,
Weil heil er sonst gewesen, dass er
im Blute doch ertrank. (2290)
“Weh mir um den Bruder! Der fiel hier
in den Tod:
Was mir zu allen Stunden für
leide Märe droht!
Auch muss mich immer reuen der edle
Rüdiger:
Der Schad ist beidenthalben und
großen Jammers Beschwer.” (2291)
Als der junge Geiselher sah seinen
Bruder tot,
Die da im Saale waren, die mussten
leiden Not.
Der Tod warb um Beute unter
Rüdgers Heer:
Deren von Bechlaren entging kein
einziger mehr. (2292)
Gunther und Hagen und auch Geiselher,
Dankwart und Volker, die guten Degen
hehr,
Die gingen zu der Stelle wo man die
Toten fand:
Wie jämmerlich da weinten
diese Helden auserkannt! (2293)
“Uns raubt der Tod die Besten,”
sprach Geiselher das Kind.
“Nun lasset euer Weinen und gehn wir
an den Wind,
Dass sich die Panzer kühlen
uns streitmüden Degen:
Es will nicht Gott vom Himmel, dass
wir länger leben mögen.” (2294)
Den sitzen, den sich lehnen, sah man
manchen Mann.
Sie waren wieder
müßig; die in Rüdgers Bann
Waren all erlegen; verhallt war Drang
und Stoß.
Die Stille währte lange, bis
es Etzeln verdross. (2295)
“O weh dieser Dienste!”, sprach des
Königs Weib.
“Er ist nicht so getreue, dass unsrer
Feinde Leib
Des entgelten müsste von
Rüdigers Hand:
Er will sie wiederbringen in der
Burgonden Land. (2296)
“Was hilft uns, König Etzel,
dass wir an ihn vertan
Wes er nur begehrte? Er hat nicht
wohl getan:
Der uns rächen sollte will
der Sühne pflegen.”
Da gab ihr Volker Antwort, dieser
zierliche Degen: (2297)
“Dem ist nicht also leider, viel
edles Königsweib;
Und dürft ich Lügen
strafen ein so hehres Weib,
So hättet ihr recht
teuflisch auf Rüdiger gelogen:
Er und seine Degen sind um die
Sühne gar betrogen. (2298)
“So williglich vollbracht er was der
König ihm gebot,
Dass er und sein Gesinde hier fielen
in den Tod.
Nun seht euch um, Kriemhilde, wem ihr
gebieten wollt:
Euch war bis an sein Ende
Rüdiger getreu und hold. (2299)
“Wollt ihr das nicht glauben, so
schaut es selber an.”
Zu ihrem Herzeleide ward es da getan:
Man trug den Held erschlagen hin wo
ihn der König sah.
König Etzels Degen so leid
wohl nimmer geschah. (2300)
Als sie den Markgrafen tot sahen vor
sich tragen,
Da vermöcht euch kein
Schreiber zu deuten noch zu sagen
Die ungebärdge Klage so von
Weib als Mann,
Die sich von Herzenjammer allda zu
zeigen begann. (2301)
König Etzels Jammer ward so
stark und voll,
Wie eines Löwen Stimme dem
reichen König scholl
Der Wehruf der Klage und auch dem
Königsweib:
Sie weinten
übermäßig um des guten Rüdiger Leib. (2302)
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