22. Abenteuer
Wie Kriemhilde bei den
Heunen empfangen ward
Sie blieb zu Zeißenmauer bis
an den vierten Tag,
Der Staub in den Straßen
derweil nicht ruhig lag:
Aufstob er allenthalben wie im hellen
Brand.
Da ritten Etzels Leute durch das
Österreicherland. (1381)
Es war dem König Etzel
gemeldet in der Zeit,
Dass ihm vor Gedanken schwand sein
altes Leid,
Wie herrlich Kriemhilde zöge
durch das Land.
Hin eilte der König wo er
die Minnigliche fand. (1382)
Von verschiednen Sprachen sah man auf
den Wegen
Vor König Etzeln reiten viel
der kühnen Degen,
Von Christen und von Heiden manches
weite Heer:
Als sie die Fraue fanden, sie zogen
herrlich einher. (1383)
Von Reußen und von Griechen
ritt da mancher Mann:
Der Pol' und der Wallache zog
geschwind heran
Auf den guten Rossen, die sie
kräftig ritten.
Da zeigte sich ein jeder in seinen
heimischen Sitten. (1384)
Aus dem Land zu Kiew kam da mancher
Mann
Und die wilden Peschenegen. Viele
huben an
Und schossen nach den
Vögeln, die in den Lüften flogen;
Mit Kräften sie die Pfeile
nach des Bogens Wänden zogen. (1385)
Eine Stadt liegt an der Donau im
Österreicherland,
Die ist geheißen Tulna. Da
ward ihr erst bekannt
Manche fremde Sitte, die sie noch
niemals sah.
Da empfingen sie viele, denen noch
Leid von ihr geschah. (1386)
Es ritt dem König Etzel ein
Ingesind voran,
Fröhlich und
prächtig, höfisch und wohlgetan,
Vierundzwanzig Fürsten, die
waren reich und hehr:
Ihre Königin zu schauen, sie
begehrten sonst nichts mehr. (1387)
Ramung der Herzog aus Walachenland,
Mit siebenhundert Mannen kam er vor
sie gerannt.
Gleich fliegenden Vögeln sah
man sie alle fahren;
Da kam der Fürst Gibecke mit
viel herrlichen Scharen. (1388)
Hornbog der schnelle ritt mit tausend
Mann
Von des Königs Seite zu
seiner Fraun heran.
Ein lauter Ruf erschallte nach des
Landes Sitten.
Von den Heunenfürsten ward auch
da herrlich geritten. (1389)
Da kam vom Dänenlande der
kühne Hawart
Und Iring der schnelle, vor allem
Falsch bewahrt;
Irnfried von Thüringen, ein
waidlicher Mann:
Sie empfingen Kriemhilden, dass sie
viel Ehre gewann, (1390)
Mit zwölfhundert Mannen, die
zählte ihre Schar.
Da kam der Degen Blödel mit
dreitausend gar,
König Etzels Bruder aus dem
Heunenland;
Der kam im stolzen Zuge bis er die
Königin fand. (1391)
Da kam der König Etzel und
Herr Dietrich
Mit seinen Helden allen; da sah man
ritterlich
Manchen edeln Degen bieder und auch
gut.
Davon ward Kriemhilden gar wohl
getröstet der Mut. (1392)
Da sprach zu der Königin der
Degen Rüdiger:
“Frau, ich will empfangen hier den
König hehr.
Wen ich euch küssen
heiße, dem gönnet Gruß und Kuss:
Ihr könnt Etzels Recken
nicht all empfahn mit gleichen Gruß.” (1393)
Da hob man von der Mähre die
Königstochter hehr.
Etzel der reiche, nicht
säumt er länger mehr:
Er schwang sich von dem Rosse noch
mit manchem Mann;
Da kam er voll Freude zu Frau
Kriemhilden heran. (1394)
Zwei gewaltge Fürsten, das
ist uns wohlbekannt,
Gingen bei der Frauen und trugen
reich Gewand,
Als der König Etzel ihr entgegen
ging
Und sie den edeln Fürsten
mit Küssen gütlich empfing. (1395)
Sie schob hinauf die Binden: Ihre
Farbe wohlgetan
Erglänzte aus dem Golde. Da
sagte mancher Mann,
Helke könne schöner
nicht gewesen sein.
Dabei stand in der Nähe
Etzels Bruder Blödelein. (1396)
Den riet ihr zu küssen
Rüdger der Markgraf reich,
Und den König Gibecke,
Dietrichen auch zugleich.
Zwölf der Recken
küsste Etzels Königin;
Da blickte sie mit
Grüßen noch zu manchem Ritter hin. (1397)
Während König Etzel
bei Kriemhilden stand
Taten junge Degen wie Sitte noch im
Land:
Schöne Waffenspiele wurden
vor ihr geritten;
Das taten Christenhelden und Heiden
nach ihren Sitten. (1398)
Wie ritterlich die Degen in
Dietrichens Lehn
Die splitternden Schäfte in
die Lüfte ließen gehn
Hoch über die Schilde, aus
guter Ritter Hand!
Vor den deutschen Gästen
brach da mancher Schildesrand. (1399)
Von der Schäfte Brechen vernahm
man lauten Schall.
Da waren aus dem Lande die Recken
kommen all
Und auch des Königs
Gäste, so mancher edle Mann.
Da ging der reiche König mit
Frau Kriemhilden hindann. (1400)
Sie fanden in der Nähe ein
herrliches Gezelt;
Von Hütten war
erfüllet rings das ganze Feld:
Da war nach den Beschwerden Rast
für sie bereit.
Darunter sahn die Helden viel manche
herrliche Maid (1401)
Bei des Königs Weibe, als
sie darnieder saß
Auf reichem Stuhlgewande; der
Markgraf hatte das
So herrlich schaffen lassen, sie
fanden schön und gut
Das Gestühl Kriemhildens:
Des freute sich Etzels Mut. (1402)
Was da Etzel redete, das ist mir
unbekannt:
In seiner Rechten ruhte ihre
weiße Hand.
So saßen sie in Minne, als
Rüdiger der Degen
Dem König nicht gestattete
Kriemhildens heimlich zu pflegen. (1403)
Da ließ man unterbleiben das
Kampfspiel überall;
Mit Ehren ward beendet der laute
Freudenschall.
Da gingen zu den Hütten die
in Etzels Bann;
Herberge wies man ihnen ringsum
allenthalben an. (1404)
Der Tag war zu Ende, sie fanden Ruhe
da
Bis man den lichten Morgen von neuem
scheinen sah.
Da eilte zu den Rossen wieder mancher
Mann:
Hei! Was man Kurzweile zu des
Königs Ehren begann! (1405)
Nach Würden es zu schaffen
der Fürst die Heunen bat.
Da ritten sie von Tulne nach Wien in
die Stadt.
Da fand man hold gezieret mancher
Frauen Leib;
Sie empfingen wohl mit Ehren des
Königes Etzel Weib. (1406)
In Überfluss und Fülle
war da für sie bereit
Was jeder haben sollte: Viel Degen
allbereit
Sahn froh dem Fest entgegen.
Herbergen wies man an;
Die Hochzeit des Königs mit
hohen Freuden begann. (1407)
Man konnte sie nicht alle herbergen
in der Stadt:
Die nicht Gäste waren,
Rüdiger die bat
Dass sie Herberge nähmen auf
dem Land:
Wohl weiß ich, dass man
immer den König bei Kriemhilden fand. (1408)
Dieterich der Degen und mancher andre
Held,
Die hatten ihre Muße mit
Arbeit eingestellt,
Damit sie ihren Gästen
trösteten den Mut;
Rüdger und seine Freunde
hatten Kurzweile gut. (1409)
Die Hochzeit war gefallen auf einen
Pfingstentag,
Wo der König Etzel bei
Kriemhilden lag
In der Stadt zu Wiene.
Fürwahr, so manchen Mann
Bei ihrem ersten Manne sie nicht zu
Diensten gewann. (1410)
Durch Gabe ward sie manchem, der sie
nicht kannte, kund.
Darüber zu den
Gästen hub mancher an zur Stund:
“Wir wähnten Kriemhilden
benommen sei ihr Gut,
Die doch mit ihren Gaben hier so
große Wunder tut.” (1411)
Diese Hochzeit währte
siebzehn Tage.
Wohl weiß ich, dass man
nimmer von einem König sage,
Der solch ein Fest gehalten: Uns ist
es unbekannt.
Alle die da waren, die trugen neues
Gewand. (1412)
Sie sah sich nie bedienet vordem im
Niederland
Von so manchem Degen; auch ist mir
wohlbekannt,
War Siegfried reich an Gute, dass er
doch nie gewann
So viel der edeln Recken, als Etzeln
waren untertan. (1413)
Auch hat wohl nie ein König
bei seiner Hochzeit
So manchen reichen Mantel gegeben,
tief und weit,
Noch so gute Kleider als man hier
gewann,
Die Kriemhildens willen alle wurden
vertan. (1414)
Ihre Freunde wie die Gäste
hatten einen Mut:
Sie wollten nichts verschonen und
wärs das beste Gut.
Was einer wünschen mochte,
man war dazu bereit;
Da stand wohl mancher Degen vor Milde
bloß und ohne Kleid. (1415)
Wenn sie daran gedachte, wie sie am
Rheine saß
Bei ihrem edeln Manne, ihre Augen
wurden nass;
Doch musste sie's verhehlen, dass es
niemand sah,
Da ihr nach manchem Leide so viel der
Ehre geschah. (1416)
Was einer tat aus Milde, das war doch
gar ein Wind
Gegen Dietrichen; was Botlungens Kind
Ihm gegeben hatte, das wurde gar
verwandt;
Da tat auch große Wunder des
milden Rüdiger Hand. (1417)
Auch aus Ungerlande der Degen
Blödelein
Ließ da ledig machen manchen
Reiseschrein
Von Silber und von Golde: Das ward
dahin gegeben.
Man sah des Königs Helden so
recht fröhlich alle leben. (1418)
Des Königs Spielleute Werbel
und Schwemmelein,
Wohl an tausend Marken nahm jedweder
ein
Bei dem Hofgelage (oder mehr als
das),
Als die schöne Kriemhild bei
Etzeln unter Krone saß. (1419)
Am achtzehnten Morgen sie von Wiene
ritten:
In Ritterspielen wurden der Schilde
viel verschnitten
Von Speeren, so da führten
die Recken an der Hand:
So kam der König Etzel bis
in das heunische Land. (1420)
In der alten Heimburg verblieb man
über Nacht.
Da konnte niemand wissen von des
Volkes Macht,
Mit welchen Heerkräften sie
zogen durch das Land.
Hei! Was schöner Frauen man
in seiner Heimat fand! (1421)
In Misenburg der reichen fing man zu
schiffen an.
Verdeckt ward das Wasser von Ross und
auch von Mann
Als ob es Erde wäre, was man
doch fließen sah:
Die wegemüden Frauen fanden
gute Ruhe da. (1422)
Zusammen ward gebunden manches
Schifflein gut,
Dass ihnen wenig schadete die Woge
noch die Flut;
Darüber ausgebreitet manch
köstliches Gezelt,
Als ob sie noch immer beides hätten,
Land und Feld. (1423)
Es ward in Etzels Hofburg die
Märe kundgetan:
Da freute sich darinnen beides, Weib
und Mann.
Eztels Ingesinde, des einst Frau
Helke pflag,
Erlebte bei Kriemhilden noch manchen
fröhlichen Tag. (1424)
Da stand auch ihrer harrend manche
edel Maid,
Die seit Helkens Tode getragen
Herzeleid.
Sieben
Königstöchter Kriemhilde noch da fand;
Durch die so ward gezieret
König Etzels ganzes Land. (1425)
Herrat die Jungfrau noch des Gesindes
pflag,
Helkens Schwestertochter, in der viel
Tugend lag,
Dieterichs Verlobte, eines edeln
Königs Spross,
Die Tochter Nentweinens, die noch
viel Ehren genoss. (1426)
Auf der Gäste Kommen freute
sich ihr Mut;
Auch ward dazu verwendet viel
kostbares Gut.
Wer könnt euch des
bescheiden, wie der König saß forthin?
Es lebten nie die Heunen so gut bei
einer Königin. (1427)
Als der Fürst mit seinem
Weibe geritten kam vom Strand,
Wer eine jede führe, das
ward da wohl benannt
Der edeln Kriemhilde: Sie
grüßte desto mehr:
Wie saß an Helkens Stelle
sie so gewaltig und hehr! (1428)
Getreulichen Dienstes ward ihr viel
bekannt.
Die Königin verteilte Gold
und auch Gewand,
Silber und Gesteine: Was sie des
überrhein
Zum Heunenlande brachte, das musste
gar vergeben sein. (1429)
Auch wurden ihr mit Diensten
später untertan
All des Königs Freunde und
die in seinem Bann,
Dass nie die Königin Helke
so gewaltiglich gebot,
Als sie ihr dienen mussten bis an
Kriemhildens Tod. (1430)
Da stand in solchen Ehren der Hof und
auch das Land,
Dass man zu allen Zeiten die
Kurzweile fand,
Wonach einem jeden verlangte Herz und
Mut:
Das schuf des Königs Liebe,
das schuf der Königin Gut. (1431)
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