4. Abenteuer
Wie Siegfried mit den
Sachsen stritt
Nun kommen fremde Mären in
König Gunthers Land
Durch Boten, die von ferne ihnen
wurden zugesandt
Von unbekannten Recken, die ihnen
trugen Hass:
Als sie die Rede hörten,
gewiss betrübte sie das. (144)
Die will ich euch nennen: Es war
Lüdeger
Aus der Sachsen Lande, ein
König reich und hehr,
Dazu vom Dänenlande der
König Lüdegast;
Die sandten auf die Reise gar manchen
herrlichen Gast. (145)
Ihre Boten kamen in König
Gunthers Land,
Die seine Widersacher hatten
hingesandt;
Da frug man um Märe die
Unbekannten gleich,
Und führte bald die Boten zu
Hofe vor den König reich. (146)
Schön
grüßte sie der König und sprach: “Seid willkommen!
Wer euch hieher gesendet, hab ich
noch nicht vernommen:
Das sollt ihr hören lassen,”
sprach der König gut.
Da bangten sie gewaltig vor des
grimmen Gunthers Mut. (147)
“Wollt ihr erlauben, König,
dass wir uns des Berichts
Entledgen, den wir bringen, so hehlen
wir euch nichts.
Wir nennen euch die Herren, die uns
hieher gesandt:
Lüdegast und
Lüdeger die suchen heim euer Land. (148)
“Ihren Zorn habt ihr verdienet: wir
erfuhren das,
Dass euch die Herren beide tragen
großen Hass.
Sie wollen heerfahren nach Wormes an
den Rhein:
Ihnen helfen viel der Degen: des
sollt ihr gewarnet sein. (149)
“Binnen zwölf Wochen muss
ihres Fahrt geschehn;
Habt ihr nun guter Freunde, so lasst
es balde sehn,
Die euch befrieden helfen die Burgen
und das Land:
Hier werden sie verhauen manchen Helm
und Schildesrand. (150)
“Oder wollt ihr unterhandeln, so
macht es offenbar,
So reitet euch so nahe nicht so
manche Schar
Eurer starken Feinde zu bitterm
Herzeleid,
Davon verderben müssen viel
gute Ritter kühn im Streit.” (151)
“Nun harret eine Weile (ich
künd euch meinen Mut),
Dass ich mich recht bedenke,” sprach
der König gut.
“Hab ich noch Getreue, denen will
ichs sagen,
Diese schwere Botschaft muss ich
meinen Freunden klagen.” (152)
Gunther dem reichen war es leid
genug;
Den Botenspruch er heimlich in seinem
Herzen trug.
Er ließ berufen Hagen und
andr' in seinem Lehn,
Und ließ auch gar geschwinde
zu Hof nach Gernoten gehn. (153)
Da kamen ihm die Besten, so viel man
deren fand.
Er sprach: “Die Feinde wollen
heimsuchen unser Land
Mit starken Heerfahrten, das sei euch
geklagt.”
Zur Antwort gab da Gernot, ein Ritter
kühn und unverzagt: (154)
“Dem wehren wir mit Schwertern,”
sprach da Gernot,
“Da sterben nur die müssen:
Die lasset liegen tot.
Ich werde nicht vergessen darum der
Ehre mein:
Unsere Widersacher sollen uns
willkommen sein.” (155)
Da sprach von Tronje Hagen: “Das
dünket mich nicht gut;
Lüdegast und
Lüdeger sind voll Übermut,
Wir können uns nicht sammeln
in so kurzen Tagen;”
So sprach der kühne Recke:
“Man soll es Siegfrieden sagen.” (156)
Da gab man den Boten Herbergen in der
Stadt;
Wie feind man ihnen wäre,
sie gut zu pflegen bat
Gunther der reiche (das war
wohlgetan),
Bis er erprobt an Freunden, wer
folgen wolle seinem Bann. (157)
Der König trug im Herzen
Sorge viel und Leid.
Da sah ihn also trauern ein Degen
allbereit,
Der nicht wissen mochte was ihm war
geschehn;
Da bat er König Gunthern,
ihm die Märe zu gestehn. (158)
Da sprach Degen Siegfried: “Wunder
nimmt mich dies,
Wie euch die frohe Weise so
völlig verließ,
Deren ihr so lange mit uns mochtet
pflegen.”
Zur Antwort gab ihm Gunther, der viel
zierliche Degen: (159)
“Wohl mag ich allen Leuten nicht von
dem Leide sagen,
Das ich muss verborgen in meinem
Herzen tragen:
Steten Freunden klagen soll man des
Herzens Not.”
Siegfriedens Farbe ward da bleich und
wieder rot. (160)
Er sprach zu dem Könige:
“Ich hab euch nichts versagt,
Ich will euch wenden helfen alles was
ihr klagt;
Wollt ihr Freunde suchen, so will ich
einer sein,
Und getrau es zu vollbringen mit
Ehren bis ans Ende mein. (161)
Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,
die Rede dünkt mich gut;
Und kann mir nimmer helfen eure Kraft
und hoher Mut,
So freut mich doch die Märe,
dass ihr so hold mir seid:
Leb ich noch eine Weile, ich bins zu
lohnen bereit. (162)
Ich will euch hören lassen
was mich traurig macht.
Von meinen Feinden wurde mir
Botschaft überbracht,
Dass sie mich suchen wollen mit
Heerfahrten hie:
Das geschah uns von Degen in diesem
Lande noch nie.” (163)
“Das lasst euch wenig
kümmer,” der Degen Siegfried bat
“Sänftet eure
Gemüte und tut nach meinem Rat.
Lasst mich für euch erwerben
Ehre so wie Frommen,
Und entbietet eure Degen, dass sie
euch zu Hilfe kommen. (164)
Ob eure starken Feinde zu Helfern
sich ersehn
Dreißigtausend Degen, so
wollt ich sie bestehn,
Und hätt ich selbst nur
tausend; verlasst euch auf mich.”
Da sprach der König Gunther:
“Das verdien ich stets um dich. (165)
So helft mir eure Leute gewinnen
tausend Mann,
Weil ich von den Meinen mehr nicht
stellen kann
Als der Recken zwölfe: so
wehr ich euer Land:
Immer soll getreulich euch dienen
Siegfriedens Hand. (166)
Dazu sollen Hagen helfen und auch
Ortewein,
Dankwart und Sindolt, die lieben
Recken dein;
Auch soll da mit uns reiten Volker
der kühne Mann;
Der soll die Fahne führen:
keinen Bessern trefft ihr an. (167)
Und lasst die Boten reiten in ihrer
Herren Land;
Dass sie uns bald da sähen,
macht ihnen das bekannt,
So dass unsre Burgen befriedet
müssen sein.”
Der König hieß
besenden Freund und Mannen insgemein. (168)
Zu Hofe gingen wieder die
Lüdeger gesandt,
Sie freuten sich der Reise
zurück ins Heimatland;
Da bot ihnen reiche Gabe Gunther der
König gut,
Und sicheres Geleite: des waren sie
wohlgemut. (169)
“Nun saget,” sprach da Gunther, “den
starken Feinden mein;
Sie möchten nicht zu eilig
mit ihrer Reise sein;
Doch wollten sie mich suchen hier in
meinem Land,
Mir zerrännen denn die
Freunde, so werd ihnen Not bekannt.” (170)
Den Boten reiche Gabe man da zur
Stelle trug,
Deren hatte Gunther zu geben genug:
Die durften nicht
verschmähen die Lüdeger gesandt.
Sie nahmen ihren Urlaub und
räumten fröhlich das Land. (171)
Als die Boten waren nach
Dänemark gekommen,
Und der König
Lüdegast den Botenspruch vernommen,
Wie sie vom Rheine schieden, als man
ihm das gesagt,
Sein übermütig
Wesen ward da sehr von ihm beklagt. (172)
Sie sagten ihm, sie hätten
manch kühnen Mann im Lehn:
“Darunter sah man einen vor
König Gunthern stehn,
Der war geheißen Siegfried,
ein Held von Niederland.”
Leid war es Lüdegasten, als
er die Dinge so befand. (173)
Als die vom Dänenlande
hörten diese Mär,
Da eilten sie, der Freunde zu
gewinnen desto mehr,
Bis der König
Lüdegast aus seinem kühnen Bann
Zwanzig tausend Degen zu seiner
Heerfahrt gewann. (174)
Da besandte sich auch von Sachsen der
König Lüdeger,
Bis sie vierzigtausend hatten und
wohl mehr,
Womit sie reiten wollten nach
Burgondenland.
Da hatt auch schon zu Hause der
König Gunther gesandt. (175)
Zu seinen Lehnsleuten und seiner
Brüder Bann,
Die sie führen wollten im
Kriegszug hindann,
Und auch zu Hagnes Recken: das tat
den Helden Not.
Darum mussten Degen bald erschauen
den Tod. (176)
Sie eilten sich zu rüsten.
Als man die Fahrt begann,
Die Fahne musste führen
Volker der kühne Mann;
So wollten sie von Wormes reiten
überrhein:
Hagen von Tronje, der musste
Scharmeister sein. (177)
“Herr König,” sprach da
Siegfried, “bleibet ihr zu Haus,
Da mir eure Degen folgen zu dem
Strauß,
So weilet bei den Frauen und traget
hohen Mut:
Ich will euch wohl behüten
die Ehre und auch das Gut. (178)
Die euch heimsuchen wollen zu Wormes
an dem Rhein,
Dass sie zu Hause bleiben, will ich
ihr Hüter sein:
Wir wollen ihnen reiten so nah ins
eigne Land,
Dass ihnen bald in Sorge der
Übermut wird gewandt.” (179)
Vom Rheine sie durch Hessen mit ihren
Helden ritten
Nach dem Sachsenlande: da wurde bald
gestritten.
Mit Raub und mit Brande verheerten
sie das Land,
Dass bald den Fürsten beiden
ward Not und Sorge bekannt. (180)
Sie kamen an die Marke; die Knechte
rückten an.
Siegfried der Starke zu fragen da
begann:
“Wer soll nun der Hüter des
Gesindes sein?”
Wohl konnte nie den Sachsen ein
Heerzug übler gedeihn. (181)
Sie sprachen: “Lasst des Volkes
hüten auf den Wegen
Dankwart den kühnen, das ist
ein schneller Degen:
Wir verlieren desto minder durch die
in Lüdgers Lehn;
Lasst ihn mit Ortweinen hie die
Nachhut versehn.” (182)
“So will ich selber reiten,” sprach
Siegfried der Degen,
“Den Feinden gegenüber der
Warte zu pflegen,
Bis ich recht erkunde, wo die Recken
sind.”
Da stand bald in den Waffen der
schönen Sieglinde Kind. (183)
Das Volk befahl er Hagen als er zog
hindann,
Und auch Gernoten, diesem
kühnen Mann.
So ritt er ganz alleine in der
Sachsen Land;
Da ward von ihm verhauen des Tages
manches Helmes Band. (184)
Er sah ein groß Geschwader,
das auf dem Felde zog,
Und eines einzeln Kräfte
gewaltig überwog:
Es waren vierzigtausend oder wohl
noch mehr;
Siegfried in hohem Mute sah gar
fröhlich das Heer. (185)
Auch hatte sich ein Recke aus der
Feinde Schar
Erhoben auf die Warte, der Macht
heilt immerdar:
Den sah der Degen Siegfried, und ihn
der kühne Mann;
Jedweder da des andern mit Zorn zu hüten
begann. (186)
Ich sag euch, wer der wäre,
der hier der Warte pflag;
Ein lichter Schild von Golde vor der
Hand ihm lag;
Es war der König
Lüdegast, der hütete sein Heer.
Der edle Fremdling sprengte gewaltig
auf ihn daher. (187)
Nun hatt auch ihn sich
Lüdegast feindlich auserkoren;
Ihre Rosse reizten beide zur Seite
mit den Sporen,
Sie neigten auf die Schilde den
Schaft mit aller Kraft:
Da kam der reiche König
davon in großer Sorgen Haft. (188)
Dem Stich gehorsam trugen die Rosse
pfeilgeschwind
Die Könge zueinander, als
wehte sie der Wind:
Dann mit den Zäumen lenkten
sie ritterlich zurück:
Die grimmen zwei versuchten da mit
dem Schwerte das Glück. (189)
Da schlug der Degen Siegfried, dass
rings das Feld erklang.
Da stoben aus dem Helme, als ob man
Brände schwang,
Die feuerroten Funken von des Helden
Hand;
Den seinen jedweder an dem andern
wieder fand. (190)
Da schlug auch ihm Herr
Lüdegast gar manchen grimmen Schlag;
Jedweder auf dem Schilde mit allen
Kräften lag.
Da hatten es wohl dreißig
gewahrt aus seinem Bann:
Eh die zu Hilfe kamen den Sieg doch
Siegfried gewann. (191)
Mit dreien starken Wunden, die er dem
König schlug,
Durch einen weißen Harnisch;
der war doch fest genug.
Das Schwert mit seiner
Schärfe entlockte Wunden Blut;
Da gewann der König
Lüdegast einen traurigen Mut. (192)
Er bat ihn um sein Leben und bot ihm
all sein Land,
Und sagt' ihm wie er wäre
Lüdegast genannt.
Da kamen seine Recken, die hatten
wohl gesehn
Was da von ihnen beiden war auf der
Warte geschehn. (193)
Er wollt ihn führen dannen:
Da ward er angerannt
Von dreißig seiner Mannen:
Doch wehrte seine Hand
Seinen reichen Geisel mit
ungestümen Schlägen:
Bald tat noch
größern Schaden Siegfried der zierliche Degen. (194)
Die Dreißig da zu Tode der
Degen wehrlich schlug;
Ihrer einen ließ er leben:
Der ritt da schnell genug
Und brachte hin die Märe von
dem was hier geschehn;
Auch konnte man die Wahrheit an
seinem roten Helme sehn. (195)
Gar leid war das den Recken aus dem
Dänenland,
Als ihres Herrn Gefängnis
ihnen ward bekannt;
Man sagt' es seinem Bruder: der fing
zu toben an
In ungestümem Zorne, denn ihm
war wehe getan. (196)
Lüdegast der Recke ward
hinweggebracht
Zu Gunthers Ingesinde von
Siegfriedens Macht;
Er übergab ihn Hagen. Als
ihnen ward gesagt,
Dass es der König
wäre, da wurde mäßig geklagt. (197)
Man gebot den Burgonden: die Fahne
bindet an.
“Wohlauf,” sprach da Siegfried, “hier
wird noch mehr getan
Eh der Tag sich neiget, verlier ich
nicht den Leib:
Das betrübt in Sachsen noch
manches waidliche Weib. (198)
Ihr Helden von dem Rheine, ihr sollt
mein nehmen wahr:
Ich kann euch wohl geleiten zu
Lüdegers Schar;
Da gilts ein Helmverhauen von guter
Helden Hand:
Eh wir uns wieder wenden, wird ihnen
Sorge bekannt.” (199)
Zu den Rossen sprangen Gernot und die
in seinem Bann.
Bald trug die Heerfahne der kühne
Fiedelmann,
Volker der Herre, und ritt der Schar
vorauf.
Da war auch das Gesinde zum Streite
mutig und wohlauf. (200)
Es waren doch der Degen nicht mehr
als tausend Mann,
Darüber zwölf
Recken. Zu stieben da begann
Der Staub von den Straßen.
Sie ritten über Land,
Man sah von ihnen glänzen
manchen schönen Schildesrand. (201)
Nun waren auch die Sachsen mit ihrer
Schar gekommen,
Mit Schwertern wohl gewachsen, das
hab ich wohl vernommen;
Die Waffen schnitten mächtig
den Helden an der Hand:
Da wollten sie die Gäste von
Burgen wehren und Land. (202)
Der Herren Scharmeister
führten das Volk hindann.
Da war auch Siegfried kommen mit den
zwölf Mann,
Die er mit sich führte aus
dem Niederland.
Des Tags sah man im Sturme manche
blutige Hand. (203)
Sindold und Haunolt und auch Gernot,
Sie schlugen in dem Streite viel der
Helden tot,
Eh sie recht erkundeten wie
kühn war ihr Leib;
Das musste bald beweinen gar manches
waidliche Weib. (204)
Volker und Hangen und auch Ortewein
Löschten in dem Streite
manches Helmes Schein
Mit fließendem Blute, die
Kühnen in der Schlacht.
Von Dankwarten wurden viel
große Wunder vollbracht. (205)
Die vom Dänenlande
versuchten ihre Hand;
Von Stößen laut
erschallte mancher Schildesrand,
Und auch von scharfen Schwertern,
deren man viel zerschlug;
Die streitkühnen Sachsen
taten Schadens auch genug. (206)
Als die Burgonden drangen in den
Streit,
Von ihnen ward gehauen manche Wunde
weit;
Da sah man über
Sättel fließen das Blut:
So warben um die Ehre diese Helden
kühn und gut. (207)
Man hörte laut erhallen den
Helden an der Hand
Ihre scharfen Waffen, als die von
Niederland
Ihrem Herrn nachdrangen in die dichte
Schar:
Die Zwölfe kamen ritterlich
zugleich mit Siegfrieden dar. (208)
Deren von dem Rheine kam ihnen
niemand nach.
Man konnte fließen sehen den
blutroten Bach
Durch die lichten Helme von
Siegfriedens Hand,
Bis er Lüdegeren vor seinen
Heergesellen fand. (209)
Dreimal die Wiederkehre hatt er nun
genommen
Bis an des Heeres Ende; da war auch
Hagen kommen:
Der half ihm wohl erfüllen
im Kampfe seien Mut.
Da musste bald ersterben vor ihnen
mancher Ritter gut. (210)
Als der starke Lüdeger
Siegfrieden fand,
Wie er so erhaben trug in seiner Hand
Balmung den guten und da so manchen
schlug,
Darüber ward der Degen
erzürnt und grimmig genug. (211)
Da gab es stark Gedränge und
großen Schwerterklang,
Als ihr Ingesinde aufeinander drang:
Da versuchten desto grimmer die
beiden Recken sich;
Die Scharen wichen beide: Der Zorn
wurde fürchterlich. (212)
Dem Vogt vom Sachsenlande war es wohl
bekannt,
Sein Bruder sei gefangen, drum war er
zornentbrannt;
Auch wusst er, ders vollbrachte, sei
der Sieglinden-Sohn.
Man zeihte des Gernoten; doch bald
befand es sich schon. (213)
Da schlug so starke Schläge
König Lüdgers Schwert,
Dass ihm unterm Sattel strauchelte
das Pferd;
Doch bald erhob sichs wieder. Der
kühne Siegfried auch,
Der gewann in dem Sturme einen
furchtbaren Brauch. (214)
Ihm half dabei Herr Hagen wohl und
Gerenot,
Dankwart und Volker: da lagen viele
tot.
Sindolt und Haunolt und Ortwein der
Degen,
Die konnten in dem Streite zum Tote
manchen niederlegen. (215)
Untrennbar in dem Sturme waren die
Fürsten hehr.
Über die Helme fliegen sah
man da manchen Speer
Durch die lichten Schilde von der
Helden Hand;
Da sah man blutgerötet
manchen schönen Schildesrand. (216)
In dem starken Sturme ließ
sich mancher Mann
Nieder von den Rossen. Einander
liefen an
Siegfried der kühne und
König Lüdeger;
Da sah man Schäfte fliegen
und manchen schneidigen Speer. (217)
Der Schildbeschlag des
Königs zerbrach vor Siegfrieds Hand
Sieg zu erwerben dachte der Held von
Niederland
An den kühnen Sachsen; sie
litten Ungemach.
Hei! Was da lichte Panzer der
kühne Dankwart zerbrach! (218)
Da hatte König
Lüdeger auf einem Schild erkannt
Eine gemalte Krone vor Siegfriedens
Hand:
Da wusst er wohl, er kämpfe
mit dem kräftgen Mann:
Laut auf zu seinen Freunden der Held
zu rufen begann: (219)
“Begebet euch des Streites, ihr all
in meinem Bann!
Den Sohn Siegmundens traf ich hier
an,
Siegfried den starken, den hab ich
hier erkannt;
Den hat der böse Teufel her
zu den Sachsen gesandt.” (220)
Er gebot die Fahne nieder zu lassen
in dem Streit.
Friedens er begehrte: der ward ihm
nach der Zeit.
Doch musst er Geisel werden in
König Gunthers Land:
Das hat an ihm erzwungen
König Siegfriedens Hand. (221)
Nach allgemeinem Rate ließ
man ab vom Streit:
Viel der zerschlagnen Helme und der
Schilde breit
Legten sie aus Händen; so
viel man deren fand,
Sie waren blutgerötet von
der Burgonden Hand. (222)
Sie fingen wen sie wollten, sie
hatten volle Macht.
Gernot und Hagen, die schnellen
hatten Acht,
Dass man die Wunden bahrte; da
führten sie hindann
Gefangen nach dem Rheine der
Kühnen fünfhundert Mann. (223)
Die sieglosen Recken zum
Dänenlande ritten.
Da hatten auch die Sachsen so tapfer
nicht gestritten,
Dass sie sich Lob erworben: Das War
den Helden leid.
Da beklagten ihre Freunde die
Gefallnen in dem Streit. (224)
Sie ließen ihre Waffen
aufsäumen nach dem Rhein.
Es hatte wohl geworben mit den
Händen sein
Siegfried der Recke, er hatt es wohl
vollbracht:
Das musst ihm zugestehen
König Gunthers ganze Macht. (225)
Nach Wormes sandte Boten der Degen
Gernot:
Daheim in seinem Lande den Freunden
er entbot,
Wie es gelungen wäre ihm und
seinem Bann;
Wohl hatten da die Kühnen
nach allen Ehren getan. (226)
Die Botenknaben liefen; da ward es
angesagt;
Da freuten sich in Liebe, die eben
Leid geklagt,
Dieser lieben Märe, die
ihnen war gekommen.
Da ward von edeln Frauen
großes Fragen vernommen: (227)
“Wie es gelungen wäre des
reichen Königs Lehn?”
Man ließ der Boten einen zu
Kriemhilden gehn.
Das geschah verstohlen, sie durft es
wohl nicht laut;
Es war ja der darunter, dem ihr Herz
sie vertraut. (228)
Als sie in ihre Kammer den Boten
kommen sah,
Kriemhild die schöne gar
gütlich sprach sie da:
“Nun sag mir frohe Märe, so
geb ich dir mein Gold,
Und tust dus ohne Lügen,
will ich dir immer bleiben hold. (229)
Wie schied aus dem Streite mein
Bruder Gernot
Und andre meiner Freunde? Blieb uns
jemand tot?
Oder wer tat das Beste? Das sollst du
mir sagen.”
Da sprach der Bote balde: “Wir hatten
nirgend einen Zagen. (230)
Zu des Streites Ernste ritt niemand
so wohl,
viel edle Königstochter,
weil ich es sagen soll,
Als der edle Fremdling aus dem
Niederland:
Da wirkte große Wunder des
kühnen Siegfriedes Hand. (231)
Was die Recken alle im Streite da
getan,
Dankwart und Hagen und des
Königs ganzer Bann,
Wie herrlich sie auch stritten, das
war doch gar ein Wind
Allein gegen Siegfried, des
Königs Siegmundes Kind. (232)
Sie haben in dem Sturme der Helden
viel erschlagen;
Doch möcht euch dieser
Wunder niemand ein Ende sagen,
Die da Siegfried wirkte, ritt er in
den Streit.
Den Fraun an ihren Freunden tat er da
mächtiges Leid. (233)
Da musste vor ihm fallen der Liebling
mancher Braut.
Seine Schläge schollen auf
Helmen also laut,
Dass sie aus Wunden brachten das
fließende Blut:
Er ist in allen Dingen ein Ritter
kühn und auch gut. (234)
Was da hat begangen von Metz Herr
Ortewein:
Was er nur mocht erlangen mit dem
Schwerte sein,
Das fiel vor ihm verwundert oder
meistens tot.
Da schuf euer Bruder die
allergrößeste Not, (235)
Die nur in Stürmen jemals
mochte sein geschehn;
Man muss dem Auserwählten
die Wahrheit zugestehn.
Die stolzen Burgonden sind da so
gefahren,
Das sie vor allen Schanden die Ehre
mochten bewahren. (236)
Man sah von ihren Händen der
Sättel viel geleert,
Als so laut das Feld erhallte von
manchem lichten Schwert.
Die Recken von dem Rheine, die ritten
allezeit,
Dass ihre Feinde besser vermieden
hätten den Streit. (237)
Auch die kühnen Tronjer
schufen viel Beschwer,
Als mit Volkeskräften
zusammen ritt das Heer.
Da schlug so manchen nieder des
kühnen Hagen Hand,
Dass viel davon zu sagen wär
in der Burgonden Land. (238)
Sindolt und Haunolt in Gernotens
Bann,
Und Rumolt der kühne haben
so viel getan,
Dass es Lüdeger wahrlich
immerdar beklagt,
Dass er euern Brüdern hier
am Rhein hat abgesagt. (239)
Streit, den allerhöchsten,
der aber da geschah,
Vom ersten bis zum letzten, den
jemand nur sah,
Den focht der Degen Siegfried mit
ritterlicher Hand:
Er bringt reiche Geisel her in
König Gunthers Land. (240)
Die zwang mit seinen Kräften
der streitbare Held,
Wovon der König
Lüdegast den Schaden nun behält,
Und auch von Sachsenlanden sein
Bruder Lüdeger:
Nun höret meine
Märe, viel edle Königin hehr! (241)
Die beiden hat gefangen Siegfriedens
Hand;
Nie so mancher Geisel kam in dieses
Land
Als nun durch seine Tugend kommt an
den Rhein.”
Ihr konnten diese Mären wohl
nicht willkommener sein. (242)
“Die bringen der Gesunden
fünfhundert oder mehr,
Und der zum Sterben wunden, das
wisset, Königin hehr,
Wohl achtzig rote Bahren her in unser
Land:
die hat zumeist verhauen des
kühnen Siegfriedes Hand. (243)
Die uns so übermütig
widersagten hier am Rhein,
Die müssen nun Gefangene
König Gunthers sein:
Die bringt man mit Freuden her in
dieses Land.”
Ihre lichte Farb erblühte,
als ihr die Märe ward bekannt. (244)
Ihr Antlitz, das schöne,
wurde rosenrot,
Da glücklich war geschieden
aus so großer Not
Siegfried der junge, der waidliche
Mann.
Sie war auch froh der Freunde; da tat
sie gar wohl daran. (245)
Da sprach die Minnigliche: “Du hast
mir Heil bekannt,
Dafür zum Lohne lass ich dir
geben reich Gewand,
Und zehen Mark von Golde; die soll
man dir tragen.”
Drum mag man solche Märe
reichen Frauen gerne sagen. (246)
Man gab ihm zum Lohne das Geld und
auch das Kleid.
Da trat an die Fenster wohl manche
schöne Maid
Und schaute nach der Straße,
durch die man reiten fand
Viel hochbeherzte Degen in der
Burgonden Land. (247)
Da kamen die Gesunden, der Wunden
Schar auch kam:
Die mochten grüßen
hören von Freunden ohne Scham.
Der Wirt ritt seinen Gästen
entgegen hoch erfreut:
Mit Freuden war beendet all sein
mächtiges Leid. (248)
Da empfing er wohl die Seinen, die
Fremden auch zugleich,
Wie es nicht anders ziemte dem
Könige reich,
Als denen gütlich danken,
die da waren kommen,
Dass sie den Sieg mit Ehren im Sturme
hatten genommen. (249)
Da ließ sich Gunther Kunde
von seinen Freunden sagen,
Wer ihm auf der Reise zu Tode
wär erschlagen:
Da hatt er nichts verloren bis auf
sechzig Mann;
Die musste man verschmerzen wie man
noch manchen getan. (250)
Da brachten die Gesunden zerhauen
manchen Rand,
Und viel zerschrotne Helme in
König Gunthers Land.
Das Volk sprang von den Rossen vor
des Königs Saal;
Zu liebem Empfange vernahm man
größlichen Schall. (251)
Da gab man Herbergen den Recken in
der Stadt.
Der König seine
Gäste wohl zu pflegen bat;
Den Wunden ließ er Wartung
und gute Ruh verleihn:
Wohl ließ er seine Tugend an
den Feinden sichtbar sein. (252)
Er sprach zu Lüdegasten:
“Nun seid mir willkommen.
Ich habe großen Schaden
durch eure Schuld genommen:
Das wird mir nun vergolten, wenn ich
das Glück gewann.
Gott lohne meinen Freunden; sie haben
Liebes mir getan.” (253)
“Wohl mögt ihr ihnen
danken,” sprach da Lüdeger,
“Solche hohe Geisel gewann kein
König mehr.
Um ritterlich gewahrsam geben wir
großes Gut,
Und bitten, dass ihr
gnädiglich hier an euern Feinden tut.” (254)
“Ich will euch,” sprach er, “Beide
ledig lassen gehn;
Nur dass meine Feinde hier bei mir
bestehn,
Dafür verlang ich
Bürgschaft, auf dass sie nicht mein Land
Verlassen ohne Frieden.” Darauf gab
Lüdger die Hand. (255)
Man brachte sie zur Ruhe, wo man sie
wohl verpflag,
Und bald auf guten Betten mancher
Wunde lag.
Man schenkte den Gesunden Met und
guten Wein:
Da konnte das Gesinde nimmer
fröhlicher sein. (256)
Die zerhaunen Schilde man zum
Verschlusse trug;
Blutgefärbter
Sättel waren da genug:
Die ließ man verbergen, so
weinten nicht die Fraun.
Da waren reisemüde viel gute
Ritter zu schaun. (257)
Der König seine
Gäste gar gütlich verpflag.
Von Heimischen und Fremden das Land
erfüllet lag;
Er ließ die
Fährlichwunden gütlich verpflegen:
Wie hart war darnieder nun ihr
Übermut gelegen! (258)
Den wohlerfahrnen Ärzten bot
man reichen Sold,
Silber ungewogen, dazu das lichte
Gold,
Wenn sie die Helden heilten nach des
Streites Not
Dazu viel große Gabe der
König seinen Gästen bot. (259)
Wer wieder heimzureisen sann in
seinem Mut,
Den bat man noch zu bleiben, wie man
mit Freunden tut.
Der König ging zu Rate, wie
er lohne seinen Bann:
Sie hatten seinen Willen nach allen
Ehren getan. (260)
Da sprach der Herrne Gernot: “Lasst
sie jetzt hindann:
Über sechs Wochen, sei ihnen
kund getan,
Mögen sie wieder kommen zu
einem Hofgelag:
Heil ist dann mancher, der erst
schwer verwundet lag.” (261)
Da bat auch um den Urlaub Siegfried
von Niederland.
Als dem König Gunther sein
Wille ward bekannt,
Bat er ihn gar minniglich, noch bei
ihm zu bestehn:
Wenn nicht um seine Schwester, so
wär es nimmer geschehn. (262)
Dazu war er zu mächtig, dass
man ihm böte Sold;
Er hätt es wohl verdienet.
Der König war ihm hold,
Und alle seine Freunde, die das mit
angesehn,
Was da von seinen Händen in
dem Kampfe war geschehn. (263)
Um der Schönen willen er
noch zu bleiben sann,
Vielleicht, dass er sie
sähe; was ward auch bald getan:
Ganz nach seinem Wunsche ward ihm die
Magd bekannt.
Dann ritt er reich an Freuden heim in
König Siegmunds Land. (264)
Der Wirt bat alle Tage der
Ritterschaft zu pflegen:
Das tat mit gutem Willen mancher
junge Degen;
Auch ließ er Sitz' errichten
vor Wormes an dem Strand,
Denen die kommen sollten in der
Burgonden Land. (265)
Nun hatt auch in den Tagen, als sie
sollten kommen,
Kriemhild die schöne die
Märe wohl vernommen,
Er stellt ein Hofgelage mit lieben
Freunden an:
Da dachten schöne Frauen mit
großem Fleiße daran, (266)
Gewand und Band zu suchen, das sie da
wollten tragen.
Ute die Reiche vernahm die
Märe sagen
Von den stolzen Recken, die da
sollten kommen:
Da wurden aus der Lade viel reiche
Kleider genommen. (267)
Ihrer Kinder willen ließ sie
bereiten manches Kleid,
Womit gezieret wurden viel Fraun und
manche Maid,
Und viel der jungen Recken aus
Burgondenland.
Sie ließ auch manchem
Fremden bereiten herrlich Gewand. (268)
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