14. Abenteuer
Wie die
Königinnen sich schalten
Es war vor einer Vesper als man den
Schall vernahm,
Der von manchem Recken auf dem Hofe
kam:
Sie stellten Ritterspiele Kurzweil
halber an.
Da eilten es zu schauen der Frauen
viel und mancher Mann. (838)
Da saßen beisammen die
Königinnen reich
Und gedachten zweier Recken, die
waren ohne Gleich.
Da sprach die schöne
Kriemhild: “Ich hab einen Mann:
Alle diese Reiche wären ihm
billig untertan.” (839)
Da sprach Frau Brunhilde: “Wie
könnte das wohl sein?
Wenn anders niemand lebte, als du und
er allein,
So möchten ihm die Reiche
wohl zu Gebote stehn:
So lange Gunther lebet, so kann es
nimmer geschehn.” (840)
Da sprach Kriemhilde wieder: “Siehst
du, wie er steht,
Wie er da so herrlich vor allen
Recken geht,
Wie der lichte Vollmond vor den
Sternen tut!
Darob mag ich wohl immer tragen
fröhlichen Mut.” (841)
Da sprach Frau Brunhilde: “Dein Mann
sei noch so schön,
So waidlich und bieder, so muss doch
drüber gehn
Gunther der Recke, der edle Bruder
dein:
Der muss vor allen Königen,
das wisse du wahrlich, sein.” (842)
Da sprach Kriemhilde wieder: “So
teuer ist mein Mann,
Dass er nicht unverdienet dies Lob
von mir gewann.
An gar manchen Dingen ist seine Ehre
groß:
Das glaube mir, Brunhilde, er ist
wohl Gunthers Genoss!” (843)
“Das sollst du mir, Kriemhilde, im
Argen nicht verstehn,
Es ist auch meine Rede nicht ohne
Grund geschehn:
Ich höre es beide sagen, als
ich zuerst sie sah,
Und als des Königs Willen in
meinen Spielen geschah, (844)
Und da er meine Minne so ritterlich
gewann,
Da sagt' es Siegfried selber, er sei
des Königs Mann:
Drum halt ich ihn für eigen,
ich hört es ihn gestehn.”
Da sprach die schöne
Kriemhild: “So wär mir übel geschehn. (845)
Wie hätten so geworben die
edeln Brüder mein,
Dass ich des Eigenmannes Gemahl
sollte sein?
Drum will ich, Brunhilde, gar
freundlich dich bitten,
Lass mir zu Lieb die Rede hinfort mit
gütlichen Sitten.” (846)
“Ich kann sie nicht lassen,” die
Königin begann;
“Wozu sollt ich entsagen so manchem
Rittersmann,
Der uns mit dem Degen zu Dienst ist
untertan?”
Die schöne Kriemhilde da
sehr zu zürnen begann. (847)
“Dem musst du wohl entsagen, dass er
in der Welt
Dir irgend Dienste leiste. Werter ist
der Held
Als mein Bruder Gunther, der Degen
unverzagt;
Erlasse mich der Dinge, die du mir
jetzo gesagt. (848)
Auch muss mich immer wundern, wenn er
dein Dienstmann ist
Und du ob uns beiden so gewaltig
bist,
Warum er dir so lange den Zins
verseßen hat?
Deines Übermutes bin ich in
Wahrheit nun satt.” (849)
“Du willst dich überheben,”
sprach die Königin,
“Wohlan, ich will doch schauen, ob
man dich künftighin
So hoch in Ehren halte als man mich
selber tut.”
Da waren beide Frauen in sehr
zornigem Mut. (850)
Da sprach Frau Kriemhilde: “Das wird
dir wohl bekannt:
Da du meinen Siegfried dein eigen
hast genannt,
So sollen heut die Degen der beiden
Könge sehn,
Ob vor des Königs Weibe ich
zur Kirche möge gehn. (851)
“Du musst noch heute schauen, dass
ich bin edelfrei,
Und dass mein Mann viel werter als
der deine sei;
Auch denk ich, wird mich deshalb
niemand Hochmuts zeihn.
Du sollst noch heute schauen, wie die
Eigenholdin dein (852)
Zu Hof geht vor den Helden in
Burgondenland.
Ich selbst will höher
gelten, als man je gekannt
Eine Königstochter, die hier
die Krone trug.”
Unter den Frauen hob sich da
großen Neides genug. (853)
Da sprach Brunhilde wieder: “Willst
du nicht eigen sein,
So musst du dich scheiden mit den
Frauen dein
Von meinem Ingesinde, wenn wir zum
Münster gehn.”
Zur Antwort gab Kriemhilde: Das soll
in Wahrheit geschehn.” (854)
“Nun kleidet euch, ihr Maide,” sprach
Siegfriedens Weib,
“Ich will hier frei von Schande
behalten meinen Leib.
Lasst es heute schauen, besitzt ihr
reichen Staat:
Sie soll es noch verleugnen was sie
mir vorgehalten hat.” (855)
Ihnen war das leicht zu raten; sie
suchten reiches Kleid.
Bald sah man wohlgezieret viel Fraun
und manche Maid.
Da ging mit dem Gesinde des edeln
Königs Weib;
Da ward auch wohlgezieret der
schönen Kriemhilde Leib, (856)
Mit dreiundvierzig Maiden, die sie
zum Rhein gebracht;
Die trugen lichte Zeuge, in Arabia
gemacht.
So kamen zu dem Münster die
Mägdlein wohlgetan:
Ihrer harrten vor dem Hause die Degen
in Siegfrieds Bann. (857)
Die Leute nahm es Wunder, warum das
geschah,
Dass man die Königinnen so
geschieden sah,
Und dass sie nicht zusammen gingen so
wie eh.
Das geriet noch manchem Degen zu
Sorgen und großem Weh. (858)
Da stand vor dem Münster
König Gunthers Weib:
Da fanden manche Ritter holden
Zeitvertreib
Bei den schönen Frauen, die
sie da nahmen wahr.
Da kam die schöne Kriemhild
mit mancher herrlichen Schar. (859)
Was Kleider sie getragen eines edeln
Ritters Kind,
Gegen ihr Gesinde war alles nur ein
Wind.
Sie war so reich an Güte,
dass dreißig Königsfraun
Die Pracht nicht zeigen mochten, die
an der einen war zu schaun. (860)
Was man sich wünschen
möchte, niemand konnte sagen,
Dass er so reiche Kleider je gesehen
tragen,
Als da zur Stunde trugen ihre
Mägdlein wohlgetan.
Brunhilden wars zu Leide, sonst
hätt es Kriemhild nicht getan. (861)
Nun kamen sie zusammen vor dem
Münster weit.
Die Hausfrau des Königs in
ihrem Zorn und Neid
Hieß da mit
schnöden Worten Kriemhilden stille stehn:
“Es soll vor Königsweihe die
Eigenholdin nicht gehn.” (862)
Da sprach die schöne
Kriemhild, zornig war ihr Mut:
“Hättest du noch
geschwiegen, das wär dir leichtlich gut.
Du hast geschändet selber
deinen schönen Leib:
Wie mocht eines Mannes Kebse je
werden Königesweib?” (863)
“Wen willst du hier verkebsen?”,
sprach des Königs Weib.
“Das tu ich dich,” sprach Kriemhild:
“Deinen schönen Leib
hat Siegfried erst geminnet, mein
viel lieber Mann:
Wohl war es nicht mein Bruder, der
dir dein Magdtum abgewann. (864)
“Wo blieben deine Sinne? Es war eine
arge List,
Dass du ihn ließest minnen,
wenn er dein Dienstmann ist.
Ich höre dich,” sprach
Kriemhild, “ohn alle Ursach klagen.”
“In Wahrheit,” sprach Brunhilde, “was
will ich doch Gunthern sagen.” (865)
“Wie mag mich das gefährden?
Dich hat dein Stolz betrogen:
Du hast mich mit Reden in deinen
Dienst gezogen.
Das wisse du in Treuen, es ist mir
immer leid:
Ich bin zu trauter Freundschaft dir
nimmer wieder bereit.” (866)
Da weinte Brunhilde; Kriemhild es
nicht verhing,
Vor des Königs Weibe sie in
das Münster ging
Mit ihrem Ingesinde. Da hob sich
großer Hass;
Es wurden lichte Augen sehr
getrübt davon und nass. (867)
Wie man da Gott auch diente, was man
immer sang,
Es währte Brunhilden die
Weile viel zu lang,
Denn ihr war allzutrübe der
Sinn und auch der Mut:
Das musste bald entgelten mancher
Degen kühn und gut. (868)
Brunhild mit ihren Frauen ging vor
das Münster stehn.
Sie dacht: “Ich muss von Kriemhild
noch mehr zu hören sehn,
Wes mich so laut geziehn hat das
wortscharfe Weib:
Und hat er sichs gerühmet,
es geht ihm warhlich an den Leib!” (869)
Da kam die edle Kriemhild mit manchem
kühnen Mann.
Da sprach die edle Brunhild: “Nun
haltet wieder an;
Ihr wolltet mich verkebsen: Lasst uns
Beweise sehn.
Mir ist von euern Reden, das wisset,
übel geschehn.” (870)
Da sprach Frau Kriemhilde: Was
ließt ihr mich nicht gehn?
Ich bezeug es mitdem Golde, das an
meiner Hand zu sehn.
Das brachte mir Siegfried, als er bei
euch lag.”
Nie erlebte Brunhild wohl einen
leidigern Tag. (871)
Sie sprach: “Dies Gold, das edle,
wurde mir gestohlen
Und ist mir lange Jahre freventlich
verhohlen:
Ich komme nun dahinter, wer es mir
hat genommen.”
Die Frauen waren beide in
großen Unmut gekommen. (872)
Da sprach wieder Kriemhild: “Ich will
nicht sein der Dieb;
Du hättest schweigen sollen,
wär dir Ehre lieb:
Ich bezeug es mit dem
Gürtel, den ich umgetan,
Ich habe nicht gelogen: Wohl wurde
Siegfried dein Mann.” (873)
Aus Seide von Ninnive sie eine Borte
trug
Besetzt mit Edelsteinen, die war wohl
schön genug.
Als Brunhild sie erblickte, zu weinen
hub sie an.
Das musste Gunther wissen, und alle
die ihm untertan. (874)
Da sprach die Königstochter:
“Nun sendet mir hierher
Den König vom Rheine:
Erfahren soll es der,
Wie hier seine Schwester
höhnte meinen Leib:
Sie sagt vor allen Leuten, ich sei
Siegfriedens Weib.” (875)
Der König kam mit Recken: Als
er weinen sah
Brunhilde seine Traute, gar
gütlich sprach er da:
“Sagt mir, liebe Fraue, ist euch ein
Leid geschehn?”
Sie sprach zu dem Könige:
“Ich muss unfröhlich hier stehn. (876)
“Aller meiner Ehre will die Schwester
dein
Gerne mich berauben; dir soll
geklaget sein,
Sie sagt: Ich sei die Kebse von
Siegfried ihrem Mann.”
Da sprach König Gunther: “So
hat sie übel getan.” (877)
“Sie trägt hier meinen
Gürtel, den ich längst verloren,
Und mein Gold das rote. Dass ich je
ward geboren
Muss ich sehr beklagen.
Entlädst du König hehr
Mich nicht der großen
Schande, so minn ich dich nimmer mehr.” (878)
Da sprach König Gunther:
“Lasst Siegfried zu uns gehn.
Hat er sichs gerühmet, so
muss ers eingestehn,
Oder muss es leugnen, der Held aus
Niederland.”
Da ward der kühne Siegfried
bald hin zu ihnen gesandt. (879)
Als Siegfried der Degen die
Unmutvollen sah,
Und von dem Grund nicht wusste, balde
sprach er da:
“Was weinen diese Frauen? Das macht
mir doch bekannt:
Oder wessentwillen habt ihr Herrn
nach mir gesandt?” (880)
Da sprach König Gunther:
“Groß Herzleid sind ich hier.
Eine Märe sagte meine Frau
Brunhilde mir:
Du hast dich gerühmet, du
wärst ihr erster Mann;
So spricht dein Weib Kriemhilde: Hast
du Degen das getan?” (881)
“Niemals,” sprach da Siegfried; “und
hat sie das gesagt,
Nicht eher will ich ruhen, bis sie es
schwer beklagt;
Auch will ich es erhärten
vor deinem ganzen Bann
Mit meinen hohen Eiden, dass ich die
Rede nicht getan.” (882)
Da sprach der Fürst vom
Rheine: “Wohlan, das zeige mir:
Der Eid, den du geboten, geschieht
der gleich allhier,
Aller falschen Dinge lass ich dich
ledig gehn.”
Man sah in einem Ringe die von
Burgonden stehn. (883)
Da bot der kühne Siegfried
zum Eide bin die Hand.
Da sprach der reiche König:
“Jetzt hab ich wohl erkannt,
Dass ihr hieran unschuldig; ihr sollt
des ledig gehn:
Des euch zieh Kriemhilde, es ist
nicht von euch geschehen.” (884)
Da sprach wieder Siegfried: “Und
kommt es ihr zu Gut,
Dass deinem schönen Weibe
sie so betrübt den Mut,
Das wäre mir wahrlich aus
der Maßen leid.”
Da blickten zueinander die Ritter
kühn udn allbereit. (885)
“Man soll so Frauen ziehen,” sprach
Siegfried der Degen,
“Dass sie üppge Reden lassen
unterwegen;
Verbiet es deinem Weibe, ich will es
meinem tun.
Solchen Übermutes in
Wahrheit schäm ich mich nun.” (886)
Viel schöne Frauen wurden
durch Reden schon entzweit.
Da zeigte Brunhilde solche
Traurigkeit,
Dass es erbarmen musste die in
Gunthers Bann:
Da kam von Tronje Hagen zu der
Königin heran. (887)
Er fragte was ihr wäre, weil
er sie weinend fand;
Sie sagt' ihm die Märe. Er
gelobt' ihr gleich zur Hand,
Dass es büßen solle
der Kriemhilde Mann,
Oder amn treff ihn nimmer unter
Fröhlichen an. (888)
Über die Rede kamen Ortwein
und Gernot,
Allda die Helden rieten zu
Siegfriedens Tod.
Dazu kam auch Geiselher, der
schöne Ute Kind.
Als er die Rede hörte,
sprach der Getreue geschwind: (889)
“Weh, ihr guten Recken, warum tut ihr
das?
Siegfried ja verdiente niemals
solchen Hass,
Dass er darum verlieren Leben sollt
und Leib:
Auch sind es viel Dinge, um die wohl
zürnet ein Weib.” (890)
“Sollen wir Gäuche ziehen?”,
sprach Hagen dagegen,
“Das brächte wenig Ehre
solchen guten Degen.
Dass er sich rühmen durfte
der lieben Frauen mein,
cih will des Todes sterben oder es
muss gerochen sein.” (891)
Da sprach der König selber: “Er
hat uns nichts getan
Außer Lieb und Ehre: So leb
er denn fortan.
Was sollt ich denn dem Recken hegen
solchen Hass?
Er zeigt uns immer Treue, gar
williglich tat er das.” (892)
Da begann von Metze der Degen
Ortwein:
“Wohl kann ihm hier nicht helfen die
große Stärke sein.
Erlaubt es mir mein Herre, ich tu ihm
alles Leid.”
Da waren ihm die Helden ohne Grund zu
schaden bereit. (893)
Dem folgte dennoch niemand,
außer dass Hagen
Alle Tage pflegte zu Gunthern zu
sagen:
“Wenn Siegfried nicht mehr lebte, ihm
würden untertan
Manches Königs Lande.” Da
fing der Held zu trauern an. (894)
Da ließ man es bewenden und
ging dem Kampfspiel nach.
Hei! Was man starker Schäfte
vor dem Münster brach
Vor Siegfriedens Weibe bis an den
Saal hinan!
Darüber kam in Unmut mancher
Held in Gunthers Bann. (895)
Der König sprach: “Lasst
fahren den mordlichen Zorn.
Er ist uns zu Ehren und zum Heil
geborn:
Auch ist so stark und grimmig der
wunderkühne Mann,
Wenn ers inne würde, so
dürfte niemand ihm nahn.” (896)
“Nicht doch,” sprach Hagen, “da
dürft ihr ruhig sein:
Wir leiten in der Stille alles
sorglich ein.
Brunhildens Weinen soll ihm werden
leid:
Immer sei ihm Hagen zu Hass und
Schaden bereit.” (897)
Da sprach König Gunther:
“Wie möchte das geschehn?”
Zur Antwort gab ihm Hagen: “Das sollt
ihr bald verstehn:
Wir lassen Boten reiten her in dieses
Land,
Uns offnen Krieg zu künden,
die hier niemand sind bekannt. (898)
“Dann sagt ihr vor den Gästen,
ihr wollt mit euerm Lehn
Euch zur Heerfahrt rüsten.
Sieht er das geschehn,
So verspricht er euch zu helfen; dann
gehts ihm an den Leib,
Erfahr ich nur die Märe von
des kühnen Recken Weib.” (899)
Der König folgte leider seines
Dienstmanns Rat
So huben an zu sinnen Auf Untreu und
Verrat,
Eh es wer erkannte, die Ritter
auserkoren:
Durch zweier Frauen Zürnen
ging da mancher Held verloren. (900)
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