36. Abenteuer
Wie die
Königin den Saal verbrennen ließ
“Nun bindet ab die Helme;” sprach
Hagen der Degen,
“Ich und mein Geselle der Wache
wollen pflegen:
Versuchen es noch einmal die in
Etzels Bann,
So warn ich meine Herren so schnell
als ich immer kann.” (2148)
Da band den Helm vom Haupte mancher
Ritter gut;
Sie setzten auf die Wunden sich
nieder, die ins Blut
Waren zum Tode von ihrer Hand
gekommen:
Da ward der edeln Gäste mit
Erbittrung wahrgenommen. (2149)
Noch vor dem Abend schuf der
König hehr
Und Kriemhild die Königin,
dass es der Helden mehr
Von Heunland noch versuchten; man sah
vor ihnen stehn
Wohl noch zwanzigtausend: Die mussten
nun zum Streite gehn. (2150)
Da hob ein hartes Stürmen
auf zu den Gästen an.
Dankwart, Hagens Bruder, dieser
schnelle Mann,
Sprang von seinen Herren zu den
Feinden vor die Tür:
Man wähnt', er sei
erstorben, doch kam er heil noch hinfür. (2151)
Das harte Streiten währte
bis es die Nacht benahm.
Da wehrten sich die Gäste
wie Helden lobesam
Wider Etzels Recken den sommerlangen
Tag:
Hei! Wie da vor ihnen manch guter
Degen erlag! (2152)
Zu einer Sonnenwende geschah der
große Mord:
Ihres Herzens Jammer rächte
Kriemhild dort
An ihren nächsten Freunden
und noch an manchem Mann,
Wodurch der König Etzel nie
wieder Freude gewann. (2153)
* Sie hatte nicht gesonnnen auf
solche Mörderschlacht:
Als sie den Streit begonnen hatte sie
gedacht,
Hagen sollt alleine dabei sein Ende
sehn;
Da schuf der böse Teufel,
über alle musst es ergehn. (2154)
Der Tag war zerronnen; ihnen schuf
die Sorge Not.
Sie gedachten, wie doch besser
wär ein kurzer Tod
Als sich so lang zu quälen
in ungefügem Leid:
Da wünschten einen Frieden
die stolzen Ritter allbereit. (2155)
Sie hatten, dass der König
zu ihnen würd gebracht.
Die Helden, rot von Blute, schwarz
von der Eisentracht,
Traten aus dem Hause und die drei
Könge hehr.
Sie wussten nicht, wem klagen ihres
großen Leids Beschwer. (2156)
Etzel und Kriemhilde, die kamen beide
hek;
Das Land war ihnen eigen, drum mehrte
sich ihr Heer.
Er sprach zu den Gästen:
“Sprecht, was begehrt ihr mein?
Wollt ihr Frieden haben? Das
könnte nun schwerlich sein (2157)
Nach so großem Schaden als
ihr mir habt getan.
Ihr sollt es nicht genießen
so lang ich atmen kann:
Mein Kind, das ihr erschluget und
viel der Freunde mein;
Frieden und Sühne soll euch
dafür geweigert sein.” (2158)
Antwort gab ihm Gunther: “Uns zwang
die große Not;
All mein Gesinde lag von dem deinen
tot
An der Herberge: Verdient ich solchen
Sold?
Ich kam zu dir auf Treue und
wähnte, du wärst mir hold.” (2159)
Da sprach von Burgonden Geiselher das
Kind:
“Ihr Helden König Etzels,
die noch am Leben sind,
Wes zeiht ihr mich, ihr Recken? Was
hat ich euch getan,
Der ich die Fahrt so gütlich
zu diesem Lande begann?” (2160)
Sie sprachen: “Deiner Güte
ist all die Veste voll
Mit Jammer, gleich dem Lande; wir
gönnten dir es wohl,
Wärst du nie gekommen von
Wormes überrhein:
Durch dich ist ganz verwaiset das
Land und durch die Brüder dein.” (2161)
Da sprach zu dem Könige
Gernot der Degen gut:
“So soll euch Gott gebieten, dass ihr
die Lieb uns tut:
Erschlagt uns Heimatlose, und lasst
uns zu euch gehn
Hinunter ins Freie, gewiss, das
würd euch löblich stehn. (2162)
“Was uns geschehn könne, das
lasst bald ergehn:
Ihr habt so viel Gesunde, die
dürfen uns bestehn
Und geben uns vom Streite
Müden leicht den Tod:
Wie lange sollen wir Recken bleiben
in so grimmer Not?” (2163)
Von König Etzels Recken
wär es fast geschehn,
Dass sie die Helden ließen
vor den Pallas gehn.
Als das Kriemhild hörte, es
war ihr grimmig leid;
Da war den Heimatlosen mit Nichten
Friede bereit. (2164)
“Nicht doch, ziere Recken, worauf
euch sinnt der Mut,
Ich will euch treulich raten, dass
ihr das nimmer tut,
Dass ihr die Mordgiergen lasst vor
den Saal;
Sonst müssen eure Freunde
vor ihnen sterben zumal. (2165)
Und lebten nur alleine die Utens
Söhne sind,
Und kämen meine edeln
Brüder an den Wind,
Dass sie die Panzer kühlten,
ihr alle wärt verloren:
Es wurden kühnre Degen noch
nie auf Erden geboren.” (2166)
Da sprach der junge Geiselher: “Viel
schöne Schwester mein,
Wie mocht ich mich versehn, dass du
mich überrhein
Hieher geladen hättest zu so
großer Not?
Wodurch wohl verdient' ich hier bei
den Heunen den Tod? (2167)
Getreu war ich dir immer, tat Leid
dir nimmermehr:
Ich ritt auch in dem Wahne zu diesem
Hofe her,
Du wärest mir gewogen, viel
liebe Schwester mein.
Nun schenk uns deine Gnade: Es kann
doch anders nicht sein.” (2168)
“Ich schenk euch keine Gnade, Ungnad
ich selbst gewann:
Mir hat von Tronje Hagen so
großes Leid getan
Daheim, und hier zu lande erschlug er
mir mein Kind:
Sie sollens all entgelten, die mit
euch hergekommen sind. (2169)
Wollt ihr mir aber Hagen allein zum
Geisel geben,
So will ichs nicht versagen, dass ich
euch lasse leben,
Denn eure Schwester bin ich, der
gleichen Mutter Kind:
So red ich um die Sühne mit
den Helden, die hier sind.” (2170)
“Verhüt es Gott vom Himmel,”
sprach da Gernot,
“Und wären unser tausend,
wir wollten alle tot
Vor deinen Freunden liegen eh wir den
einen Mann
Dir als Geisel gäben: Das
wird nimmer getan.” (2171)
“Wir müssen doch ersterben,”
sprach da Geiselher,
“So soll uns niemand scheiden von
ritterlicher Wehr.
Wer gerne mit uns föchte,
wir sind noch immer hie:
Verriet ich meine Treue an einem
Freunde doch nie.” (2172)
Da sprach der kühne
Dankwart: “Wie ziemte Schweigen mir?
Es steht mein Bruder Hagen noch nicht
alleine hier.
Die uns Frieden weigern,
mögens noch beklagen:
Ihr sollt es inne werden: Das will
ich wahrlich euch sagen.” (2173)
Da sprach die Königstochter:
“Ihr Helden allbereit,
Nun geht der Stiege näher
und rächet unser Leid,
Das will ich euch vergelten wie ich
billig soll:
Den Übermut Hagens, den
benehm ich ihm wohl. (2174)
“Lässt keinen aus dem Hause
der Degen allzumal.
So lass ich an vier Enden
zünden an den Saal:
So wird noch wohl gerochen all mein
Herzeleid.”
König Etzels Recken sah man
bald dazu bereit. (2175)
Dir noch draußen standen
trieb man in den Saal
Mit Schlägen und mit
Schüssen; da gab es lauten Schall
Doch wollten sich nicht scheiden die
Fürsten und ihr Heer:
Sie ließen von der Treue
zueinander nun nicht mehr. (2176)
Den Saal in Brand zu stecken gebot da
Etzels Weib.
Da quälte man den Helden mit
Feuersglut den Leib.
Das Haus vom Wind ergriffen geriet in
hohen Brand:
Solcher Schrecken wurde wohl niemals
Helden bekannt. (2177)
Darinnen riefen viele: “O weh dieser
Not!
Da möchten wir ja lieber im
Sturme liegen tot.
Das möge Gott erbarmen; wie
verlieren wir den Leib!
Wie grimmig rächt ihr
Zürnen an uns des Königes Weib!” (2178)
Da sprach darinnen einer: “Wir finden
hier den Tod.
Was hat der Gruß geholfen,
den uns der König bot?
Mir tut vor starker Hitze der Durst
so grimmig weh,
Ich fürchte, mein Leben in
diesen Nöten zergeh!” (2179)
Da begann von Tronje Hagen, der
Ritter gut:
“Wen der Durst bezwingen will, der
trinke hier das Blut,
Das ist in solcher Hitze besser noch
als Wein;
Zu essen und zu trinken kann hier
nichts anderes sein.” (2180)
Hinging der Recken einer, wo er einen
Toten fand,
Er kniet' ihm zu der Wunde, den Helm
er nieder band;
Da hub er an zu trinken das fließende
Blut:
So wenig ers gewohnt war, er fand es
köstlich und gut. (2181)
“Nun lohn euch Gott, Herr Hagen,”
sprach der müde Mann,
“Dass ich durch eure Lehre so guten
Trunk gewann:
Man schenkte mir noch selten einen
bessern Wein.
Leb ich noch eine Weile, ich will
euch stets gewogen sein.” (2182)
Als das die andern hörten,
es dünkte ihn so gut,
Da kamen ihrer viele und tranken auch
das Blut.
Davon gewann viel Kräfte der
guten Helden Leib:
Das entgalt an lieben Freunden bald manches
waidliche Weib. (2183)
Das Feuer fiel gewaltig auf sie in
den Saal:
Sie wandten mit den Schilden es von
sich ab im Fall.
Der Rauch und auch die Hitze
schmerzten sie gar sehr:
Also großer Jammer geschieht
wohl Helden nimmer mehr. (2184)
Da sprach von Tronje Hagen: “Stellt
euch an die Wand;
Lasst nicht die Brände
fallen auf eurer Helme Band,
Und tretet mit den
Füßen sie tiefer in das Blut:
Eine üble Hochzeit ist es,
zu der die Königin uns lud.” (2185)
Unter solchen Nöten
zerronnen war die Nacht:
Noch hielt vor dem Hause der
kühne Spielmann Wacht
Und Hagen sein Geselle, gelehnt auf
Schildesrand,
Noch größern Leids
gewärtig vor denen aus Etzels Land. (2186)
* Dass der Saal gewölbt war,
half den Gästen sehr.
Dadurch bleiben ihrer am Leben desto
mehr;
Nur dass sie an den Fenstern vom
Feuer litten Not.
Da wehrten sich die Degen wie Mut und
Ehre gebot. (2187)
Da sprach der Fiedelspieler: “Nun
lasst uns in den Saal,
So wähnen wohl die Heunen,
wir seien allzumal
Von der Qual erstorben, die sie uns
angetan:
Dann kommen doch noch manche zum
Streit mit ihnen heran.” (2188)
Da sprach von Burgonden Geiselher das
Kind:
“Mich dünkt, es wolle tagen,
sich hebt ein kühler Wind.
Nun lass uns Gott vom Himmel noch
liebre Zeit erleben!
Eine arge Hochzeit hat uns meine
Schwester Kriemhild gegeben.” (2189)
Da sprach wieder einer: “Ich
fühle schon den Tag.
Wenn es denn uns Degen nicht besser
werden mag,
So waffnet euch, ihr Recken, und
wahret euern Leib:
Wohl naht uns ehstens wieder hier des
König Etzel Weib.” (2190)
Der Wirt mochte wähnen, die
Gäste wären tot
Von ihren Drangsalen und von des
Feuers Not:
Da lebten drin so kühner
noch sechshundert Mann,
Dass wohl nie ein König
bessre Degen gewann. (2191)
Der Heimatlosen Hüter hatten
wohl gesehn,
Dass noch die Gäste lebten,
was ihnen auch geschehn
Zu Schaden war und Leibe, den Herrn
und ihrem Lehn:
Man sah sie wohl geborgen im Saale
auf und nieder gehn. (2192)
Man sagte Kriemhilden, noch viele
lebten drin.
“Wie wäre das
möglich,” sprach die Königin,
“Dass noch einer lebte nach solcher
Feuersnot?
Lieber will ich glauben, sie starben
alle den Tod.” (2193)
Noch wünschten zu entkommen
die Fürsten und ihr Lehn,
Wenn noch jemand Gnade an ihnen
ließ ergehn.
Die konnten sie nicht finden in der
Heunen Land:
Da rächten sie ihr Sterben
mit gar williger Hand. (2194)
Noch früh am selben Morgen
man ihnen Grüße bot
Mit lautem Kriegsrufe: Wohl schuf das
Helden Not.
Zu ihnen aufgeschossen ward mancher
starke Speer:
Wie ritterlich sich wehrten diese
Recken kühn und hehr! (2195)
Dem Heergesinde Etzels war erregt der
Mut,
Dass sie verdienen wollten Frau Kriemhildens
Gut
Und alles willig leisten was der
Fürst gebot:
Da musste mancher balde von ihnen
schauen den Tod. (2196)
Man mochte von Verheißen und
Gaben Wunder sagen.
Sie ließ ihr Gold, das rote,
auf Schilden vor sie tragen:
Sie gab es jedem willig, der es wollt
empfahn.
Nie wurden wider Feinde so
große Schätze vertan. (2197)
Da traten in den Waffen viel Recken
vor die Tür.
Da sprach der kühne Volker:
“Wir sind noch immer hier:
So gerne sah ich Helden zum Streite
nimmer kommen
Als die das Gold des Königs
und zu verderben genommen.” (2198)
Was soll ich weiter sagen? Wohl
zwölfhundert Degen
Versuchtens hin und wieder mit
starken Schwertesschlägen.
Da kühlten mit den Wunden
die Gäste wohl den Mut.
Kein Friede war zu hoffen, drum sah
man fließen das Blut (2199)
Aus tiefen Todeswunden, deren wurden
viel geschlagen.
Nach seinen Freunden hörte
man jeglichen klagen;
Die Kühnen starben alle dem
reichen König hehr:
Da hatten liebe Freunde nach ihnen
Leid und Beschwer. (2200)
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