12. Abenteuer
Wie Gunther Siegfrieden
zu dem Hofgelage lud
Da dacht auch alle Tage
König Gunthers Weib:
“Wie trägt so übermütig
Frau Kriemhild den Leib!
Nun ist doch unser eigen Siegfried
ihr Mann:
Der hat uns nun schon lange wenig
Dienstes getan.” (745)
Das trug sie in dem Herzen in
großer Heimlichkeit;
Dass sie ihre fremde blieben, das
schuf ihr herbes Leid.
Dass man ihr so selten gedient von
seinem Land,
Woher das kommen möge, das
hätte sie gern erkannt. (746)
Sie versucht' es bei dem
König, ob es möchte sein,
Dass sie Kriemhilden wieder
säh am Rhein.
Sie vertraut' es ihm alleine, worauf
ihr sann der Mut;
Den König aber
däuchte ihre Rede gar nicht gut. (747)
Da sprach der reiche König:
“Wie möchten wir sie her
Zu diesem Lande bringen? Das
fügt sich nimmermehr.
Sie wohnen uns zu ferne: Ich darf sie
nicht drum bitten.”
Die Fraue gab zur Antwort mit gar
hochfährtgen Sitten: (748)
“Und wäre noch so vornehm
eines Königs Mann,
Was ihm sein Herr gebietet, das muss
doch sein getan.”
Lächeln musste Gunther ihrer
Rede da:
Er nahm es nicht als Dienst an, wie
oft er Siegfrieden sah. (749)
Sie sprach: “Lieber Herre, bei der
Liebe mein,
Hilf mir, dass Siegfried und die
Schwester dein
Zu diesem Land kommen, dass wir sie
hier ersehn:
So könnte mir in Wahrheit
nimmer lieber geschehn. (750)
“Deiner Schwester Tugend, ihr wohl
gezogner Mut,
So oft ich dran gedenke, wie wohl
mirs immer tut;
Wie mir beisammen saßen, als
du mich nahmst zum Weib!
Sie mag mit Ehren minnen des
kühnen Siegfriedes Leib.” (751)
Da hat sie ihn so lange bis der
König sprach:
“Wisst, dass ich nimmer
Gäste lieber sehen mag.
Ihr braucht nicht viel zu bitten: Ich
will die Boten mein
Zu ihnen beiden senden, dass sie
kommen an den Rhein.” (752)
Da sprach zu ihm die
Königin: So sollt ihr mir sagen,
Wann ihr sie wollt besenden und zu
welchen Tagen
Unsre lieben Freunde sollen kommen in
dies Land;
Die ihr dahin wollt senden, die macht
zuvor mir bekannt.” (753)
Der König sprach: “Das will
ich: Dreißig in meinem Lehn.
Lass ich hinreiten.” Er hieß
sie vor sich gehn:
Durch sie entbot er Märe in
Siegfriedens Land.
Da beschenkte sie Brunhilde mit
manchem reichen Gewand. (754)
Der König sprach: “Ihr
Recken sollt von mir sagen,
Und nichts von dem verschweigen was
ich euch aufgetragen,
Siegfried dem Starken und der
Schwester mein.
Ihnen dürft auf Erden nimmer
jemand holder sein. (755)
“Und bittet, dass sie beide, uns
kommen an den Rhein:
Dafür will ich und Brunhild
ihnen stets gewogen sein.
Vor dieser Sonnenwende soll er mit seinem
Bann
Hier manchen bei mir schauen, der ihm
Ehr erweisen kann. (756)
Entbietet auch dem König
Siegmund die Dienste mein:
Dass ich und meine Freunde ihm stets
gewogen sei'n.
Und erbittet meine Schwester, dass
sie ihm folgen mag,
Wenn je ihr ziemen solle eines
Königs Hofgelag.” (757)
Brunhild und Ute und was man Frauen
fand,
Die entboten ihre Dienste in
Siegfriedens Land
Den minniglichen Frauen und manchem
kühnen Mann.
Auf Wunsch des Königs
schickten zur Fahrt die Boten sich an. (758)
Sie standen reisefertig; ihr Ross und
ihr Gewand
War ihnen angekommen: Da
räumten sie das Land.
Sie eilten zu dem Ziele, dahin sie
wollten fahren;
Der König durch Geleite
hieß die Boten wohl bewahren. (759)
Sie kamen in drei Wochen geritten in
das Land.
In Nibelungens Veste (wohin man sie
gesandt)
In der Mark zu Norweg fanden sie den
Degen:
Ross und Leute waren müde
von den langen Wegen. (760)
Siegfried und Kriemhilden ward beiden
hinterbracht,
Dass Ritter kommen wären, sie
trügen solche Tracht
Wie man in Burgonden trug der Sitte
nach.
Sie sprang von einem Bette, darauf
die Ruhende lag. (761)
Zu einem Fenster ließ sie
eins ihrer Mägdlein gehn;
Die sah den kühnen Gere auf
dem Hofe stehn,
Ihn und die Gesellen, die man dahin
gesandt
Ihr Herzeleid zu stillen, wie liebe
Kunde sie fand! (762)
Sie sprach zu dem Könige:
“Seht ihr sie da stehn,
Die mit dem starken Gere dort auf dem
Hofe gehn,
Die uns mein Bruder Gunther nieder
schickt den Rhein?”
Da sprach der starke Siegfried: “Die
sollen uns willkommen sein.” (763)
All ihr Ingesinde lief hin, wo man
sie sah.
Jeder an seinem Teile
gütlich sprach er da
Das Beste was er konnte zu den Boten
hehr.
Ihres Kommens freute der
König Siegmund sich sehr. (764)
Da schuf man Herbergen Geren und
seinem Bann
Und ließ der Rosse warten.
Die Boten gingen dann
Dahin, wo Herr Siegfried bei
Kriemhilden saß:
Ihnen war der Hof erlaubet; darum so
taten sie das. (765)
Der Wirt mit seinem Weibe erhob sich
gleich zur Hand.
Wohl ward empfangen Gere aus
Burgondenland
Mit seinen Heergesellen in
König Gunthers Bann.
Gere dem reichen bot man da den
Sessel an. (766)
“Lasst uns die Botschaft sagen, eh
wir sitzen gehn:
Uns wegemüde Gäste,
lasst uns die Weile stehn.
Wir sagen euch die Märe, die
euch zu wissen tut
Gunther mit Brunhilden: Es ergeht
beiden gut; (767)
“Und was euch Frau Ute, eure Mutter,
her entbot;
Geiselher der junge und auch Herr
Gernot
Und eure nächsten Freunde
haben uns hergesandt,
Und entbieten euch viel Dienste aus
der Burgonden Land.” (768)
“Lohn ihnen Gott,” sprach Siegfried,
“ich versah zu ihnen wohl
Mich aller Lieb und Treue, wie man zu
Freunden soll;
So tut auch ihre Schwester: Ihr sollt
uns ferner sagen,
Ob unsre Freunde hohen Mut daheim
noch tragen? (769)
“Hat ihnen seit wir schieden jemand
ein Leid getan,
Meiner Frauen Brüdern? Das
sagt mir an:
Ich wollt es ihnen immer mit Treue
helfen tragen
Bis ihre Widersacher meine Dienste
müssten beklagen.” (770)
Zur Antwort gab der Markgraf Gere ein
Ritter gut:
“Sie sind in allen Tugenden so recht
voll hohem Mut.
Sie laden euch zum Rheine zu einer
Lustbarkeit;
Sie sähen euch gar gerne,
dass ihr des außer Zweifel seid. (771)
“Bittet meine Fraue, sie
möge mit euch kommen:
Wenn der Winter wieder ein Ende hat
genommen,
Vor dieser Sonnenwende, da
möchten sie euch sehn.”
Da sprach der starke Siegfried: “Das
kann nicht füglich geschehn.” (772)
Da sprach wieder Gere von
Burgondenland:
“Eure Mutter Ute hat euch sehr
gemahnt,
Und Geiselher und Gernot, ihr sollt
es nicht versagen;
Dass ihr so ferne wohnet, das
hör ich täglich beklagen. (773)
“Brunhild meine Herrin und ihre
Mägdelein
Freuen sich der Märe, und
könnt es jemals sein,
Dass sie euch wieder sähen,
ihnen schuf es hohen Mut.”
Da däuchten diese
Mären die schöne Kriemhilde gut. (774)
Gere war ihr Vetter: Der Wirt ihn
sitzen hieß,
Den Gästen hieß er
schenken; nicht länger man das ließ.
Da war auch Siegmund kommen: Als der
die Boten sah,
Freundlich sprach der König
zu den Burgonden da: (775)
“Willkommen seid ihr Recken in
König Gunthers Bann.
Da sich Kriemhilden zum Weibe gewann
Mein Sohn Siegfried, man sollt euch
öfter sehn
Hier in diesem Lande: Das
hieß uns Freundschaft zugestehn.” (776)
Sie sprachen: Wenn er wolle, sie
würden gerne kommen.
Ihnen ward mit Freuden die
Müdigkeit benommen.
Man ließ die Boten sitzen;
Speise man ihnen trug:
Deren schuf da Siegfried seinen
Gästen genug. (777)
Sie mussten da verweilen volle neun
Tage.
Darum erhoben endlich die schnellen
Ritter Klage,
Dass sie nicht wieder reiten durften
in ihr Land.
Da hatte König Siegfried zu
seinen Freunden gesandt. (778)
Er fragte, was sie rieten? Er solle
nach dem Rhein:
“Es hat mich entboten Gunther der
Schwager mein,
Er und seine Brüder, zu
einer Lustbarkeit:
Ich möcht ihm gerne kommen,
nur liegt sein Land mir so weit. (779)
“Sie bitten Kriemhilden mit mir zu
ziehn:
Nun ratet, lieben Freunde, wie kommen
wir dahin?
Und sollt ich heerfahrten durch
dreißig Herren Land,
Gern dienstbereit erwiese sich ihnen
Siegfriedens Hand.” (780)
Da sprachen seine Recken: “Steht euch
zur Fahrt der Mut
Nach dem Hofgelage, wir raten was ihr
tut:
Ihr sollt mit tausend Recken reiten
an den Rhein;
So mögt ihr wohl mit Ehren
dort bei den Burgonden sein.” (781)
Da sprach von Niederlanden der
König Siegmund:
“Wollt ihr zum Hofgelage, was tut ihr
mirs nicht kund?
Wenn ihr es nicht
verschmähet, so reit ich mich euch dar;
Zweihundert Degen führ ich:
Damit mehr ich eure Schar.” (782)
“Wollt ihr mit uns reiten, lieber
Vater mein,”
Sprach der kühne Siegfried:
“Des will ich fröhlich sein.
Binnen zwölf Tagen
räum ich dieses Land.”
Allen die's begehrten gab man da Ross
und Gewand. (783)
Als dem edeln König zur
Reise stand der Mut,
Da ließ man wieder reiten
die schnellen Degen gut.
Seiner Frauen Brüdern entbot
er an den Rhein;
Er wolle herzlich gerne bei ihrem
Hofgelage sein. (784)
Siegfried und Kriemhild gaben, so
hörten wir sagen,
So viel diesen Boten, dass es nicht
mochten tragen
Die Pferde nach der Heimat: Er war
ein reicher Mann.
Ihre starken Säumer trieb
man zur Reise fröhlich an. (785)
Da schuf dem Volke Kleider Siegfried
und Siegemund
Eckewart der Markgraf ließ
da gleich zur Stund
Frauenkleider suchen, die besten die
man fand,
Und irgend mocht erwerben in
Siegfriedens ganzem Land. (786)
Die Sättel und die Schilde
man da bereiten ließ.
Den Rittern und den Frauen, die er
sich folgen hieß,
Gab man was sie wollten: Zu
wünschen blieb nichts mehr.
Er brachte seinen Freunden manchem
stolzen Gast daher. (787)
Nun wandten sich die Boten
zurück und eilten sehr.
Da kam von Norwegen Gere, der Degen
hehr
Und wurde wohl empfangen: Sie
schwangen sich zu Tal
Von Rossen und von Mähren
dort vor König Gunthers Saal. (788)
Die Jungen und die Alten kamen, wie
man tut,
Und fragten nach der Märe.
Da sprach der Ritter gut:
“Wenn ichs dem König sage,
wird es auch euch bekannt.”
Er ging mit den Gesellen dahin, wo er
Gunthern fand. (789)
Der König vor Freude von dem
Sessel sprang:
Dass sie so blad gekommen, sagt'
ihnen Dank
Brunhild die Schöne. Zu den
Boten sprach er da:
“Wie gehabt sich Siegried, von dem
mir Liebe viel geschah?” (790)
Da sprach der kühne Gere:
“Er ward der Freude rot,
Er und eure Schwester. So holde
Mär entbot
Seinen Freunden wahrlich nie zuvor
ein Mann
Als euch König Siegfried und
sein Vater hat getan.” (791)
Da sprach zum Markgrafen des reichen
Königs Weib:
“Nun sagt mir, kommt euch Kriemhild?
Hat noch ihr schöner Leib
Die hohe Zier behalten, deren sie mochte
pflegen?”
Sie wird euch sicher kommen,” sprach
da Gere der Degen. (792)
Ute ließ den Boten gar balde
vor sich gehn.
Da war es ohn ihr Fragen wohl an ihr
zu verstehn
Was sie zu wissen wünsche:
“War Kriemhild noch wohlauf?”
Das sagt' er, und sie komme nach
kurzer Stunden Verlauf. (793)
Auch wurde nicht verhohlen am Hof der
Botenfold,
Den ihnen Siegfried schenkte, die
Kleider und das Gold:
Die ließ man alle schauen in
der drei Fürsten Bann.
Um seine große Milde pries
man höchlich den Mann. (794)
“Er mag wohl,” sprach da Hagen, “mit
vollen Händen geben;
Er könnt es nicht
verschwenden und sollt er ewig leben.
Den Hort der Nibelungen
beschließt des Königs Hand;
Hei! Dass er jemals käme in
der Burgonden Land!” (795)
Das ganze Hofgesinde freute sich
dazu,
Dass sie kommen sollten: Da waren
spät und früh
Die Herren sehr befließen in
der drei Könge Bann:
Gar viel der hohen Sitze man zu
errichten begann. (796)
Haunolt der kühne und
Sindold der Degen
Hatten wenig Muße: Sie
mussten stündlich pflegen
Des Schenk- und Truchsess-Amtes, und
richten manche Bank;
Auch Ortwein war behilflich: Des
sagt' ihnen Gunther Dank. (797)
Rumolt der Küchenmeister,
wie herrscht' er in der Zeit
Ob seinen Untertanen! Gar manchen
Kessel weit,
Häfen und Pfannen, hei, was
man deren fand!
Denen ward da Kost bereitet, die da
kamen in das Land. (798)
* Der Frauen Arbeiten waren auch
nicht klein:
Sie zierten ihre Kleider, worauf
manch edler Stein.
Des Strahlen ferne glänzten,
gewirkt war in das Gold;
Wenn sie die anlegten, ward ihnen
männiglich hold. (799)
|