28. Abenteuer
Wie Kriemhilde Hagen
empfing
Als die Burgonden kamen in das Land,
Da erfuhr es von Berne der alte
Hildebrand.
Er sagt es einem Herren: Es war ihm
höchlich leid;
Er hieß ihn wohl empfangen
die Ritter kühn und allbereit. (1767)
Da ließ der schnelle
Wolfhart die Pferde führen her;
Da ritt mit Dietrichen mancher Degen
hehr,
Der sie begrüßen
wollte, zu ihnen auf das Feld:
Sie hatten aufgeschlagen gar manches
herrliche Zelt. (1768)
Als sie von Tronje Hagen von ferne
reiten sah,
Wohl gezogen sprach er zu seinen
Herren da:
“Nun hebt euch von den Sitzen, ihr
Recken wohlgetan,
Und geht entgegen denen, die euch
hier wollen empfahn. (1769)
“Dort kommt ein Heergesinde, das ist
mir wohl bekannt:
Es sind viele schnelle Degen von
Amelungenland,
Die führt der von Berne, sie
sind von hohem Mut:
Ihr sollt sie nicht
verschmähen, die Dienste, die man euch tut.” (1770)
Da sprang von den Rossen, so war es
Fug und Recht,
Mit Dietrichen nieder mancher Herr
und Knecht.
sie gingen zu den Gästen,
als man die Helden fand;
Sie begrüßten
freundlich die von der Burgonden Land. (1771)
Als sie der Degen Dietrich ihm
entgegenkommen sah,
Nun mögt ihr gerne
hören was der Degen da
Sprach zu Utens Söhnen: Leid
war ihm ihre Fahrt;
Er wähnte, Rüdgers
wüsst es und hätt es ihnen offenbart. (1772)
“Willkommen mir, ihre Herren, Gunther
und Geiselher,
Gernot und Hagen, Herr Volker auch so
sehr,
Und Dankwart der schnelle; ist euch
das nicht bekannt?
Kriemhilde weint noch immer um den
von Nibelungenland.” (1773)
“Sie mag noch lange weinen,” sprach
dawider Hagen:
“Er liegt seit manchem Jahre schon zu
Tod erschlagen.
Den König von den Heunen mag
sie nun lieber haben:
Siegfried kommt nicht wieder, er ist
nun lange begraben.” (1774)
“Siegfriedens Wunden, die lassen wir
nun stehn:
So lang Kriemhilde lebet, mag Schade
wohl geschehn.”
So redete von Berne der Degen
Dieterich:
“Trost der Nibelungen, davor so
hüte du dich!” (1775)
“Wie soll ich mich
behüten?”, sprach der König hehr,
“Etzel sandt uns Boten; was sollt ich
fragen mehr?
Dass wir zu ihm sollten reiten in das
Land.
Auch hat uns manche Märe
meine Schwester Kriemhild gesandt.” (1776)
“So will ich euch raten,” sprach
wieder Hagen,
“Lasst euch diese Märe doch
zu Ende sagen,
Von Dieterich dem Herren und seinen
Helden gut,
Damit wir wissen mögen der
Frau Kriemhilde Mut.” (1777)
Da gingen die drei Könige
und sprachen unter sich,
Herr Gunther und Gernot und auch Herr
Dieterich:
“Nun sag uns, von Berne du edler
Ritter gut,
Was du wissen mögest von der
Königin Mut.” (1778)
Da sprach der Vogt von Berne: “Was
soll ich euch sagen?
Als dass ich alle Morgen weinen
hör und klagen
Die Königin Kriemhilde in
jämmerlicher Not
Zum reichen Gott vom Himmel um des
starken Siegfried Tod.” (1779)
“Es ist nun nicht zu wenden,” sprach
der kühne Mann,
Volker der Fiedler, “was ihr uns kund
getan:
Lasst uns zu Hofe reiten und einmal
dort besehn
Was uns schnellen Degen bei den
Heunen möge geschehn.” (1780)
Die kühnen Burgonden hin zu
Hofe ritten:
Sie kamen stolz gezogen nach ihres
Landes Sitten.
Da wollte bei den Heunen gar mancher
kühne Mann
Von Tronje Hagen schauen, wie der
wohl wäre getan. (1781)
Es war durch die Sage dem Volk
bekannt genug,
Dass er von Niederlanden Siegfrieden
schlug,
Aller Recken Stärksten, Frau
Kriemhildens Mann;
Drum wurde großes Fragen bei
Hof nach Hagen getan. (1782)
Der Held war wohl gewachsen, das ist
sicher wahr,
Von Schultern breit und
Brüsten, gemischt war sein Haar
Mit einer greisen Farbe, von Beinen
war er lang
Und schrecklich von Gesichte, er
hatte herrlichen Gang. (1783)
Da schuf man Herberge den
Burgonden-Degen;
Gunthers Ingesinde ließ man
gesondert legen.
Das riet die Königstochter,
die ihm viel Hasses trug;
Daher man bald die Knechte in der
Herberg erschlug. (1784)
Dankwart, Hagens Bruder, der war
Marschall;
Der König sein Gesinde ihm
fleißig anbefahl,
Dass er es wohl verpflege und ihm gebe
genug:
Der Held von Burgonden ihm geneigten
Willen trug. (1785)
Kriemhild die schöne mit dem
Gesinde ging,
Wo sie die Nibelungen mit falschem
Mut empfing;
Sie küsste Geiselheren und
nahm ihn bei der Hand.
Als Hagen das erschaute, den Helm er
fester überband. (1786)
“Nach so getanem Gruße,”
sprach Hagen deswegen,
“Mögen sich bedenken diese
schnellen Degen:
Man empfängt die
Fürsten ungleich und der Fürsten Bann;
Eine schlimme Reise haben wir zu
dieser Hochzeit getan.” (1787)
Sie sprach: “Seid willkommen dem der
euch gern empfäht;
Eurer Freundschaft willen kein
Gruß an euch ergeht.
Sagt, was ihr mir bringet von Wormes
überrhein,
Dass ihr mir so höchlich
hier willkommen solltet sein?” (1788)
“Was sind das für
Mären,” sprach Hagen dagegen,
“Dass euch Gaben sollten bringen
diese Degen?
Da ich so reich euch wusste und
kannte eure Macht,
Wie hätt ich meine Gabe zu
den Heunen wohl gebracht?” (1789)
“Nun frag ich um die Märe weiter
bei euch an:
Den Hort der Nibelungen, wohin ihr
den getan?
Der war ja doch mein eigen, das ist
euch wohlbekannt:
Den hättet ihr mir sollen
bringen her in Etzels Land.” (1790)
Meine Frau Kriemhilde, wahrlich schon
mancher Tag war da,
Den Hort der Nibelungen, seit ich den
nicht sah,
Den ließen meine Herren
versenken in den Rhein:
Da muss er auch in Wahrheit bis zum
jüngsten Tage sein.” (1791)
Da sprach die Königin
wieder: “Ich hatt es wohl gedacht,
Ihr habt mir noch wenig davon hieher
gebracht,
Wiewohl er war mein eigen und ich
sein weiland pflag;
Drum hab ich leide Stunden und
manchen traurigen Tag.” (1792)
“Ich bring euch den Teufel!”, sprach
da Hagen,
“Ich hab an meinem Schilde genug zu
tragen,
Und an meinem Harnisch; mein Helm,
der ist so licht,
Das Schwert in meinen
Händen: Darum bring ich ihn euch nicht.” (1793)
* “So wars auch nicht gemeinet, dass
ich das Gold begehre:
So viel hab ich zu geben, dass ich es
leicht entbehre.
Eines Mords und Doppelraubes, die man
an mir genommen,
Dafür möcht ich
Arme zu lieber Vergeltung kommen.” (1794)
Da sprach die Königstochter
zu den Recken allzumal:
“Man soll keine Waffen tragen in dem
Saal;
Vertraut sie mir, ihr Helden, zur
Verwartung an.”
“Wahrhaftig,” sprach da Hagen, “das
wird nimmer getan.” (1795)
“Ich begehre nicht der Ehre,
Fürstentochter mild,
Dass ihr zur Herberge traget meinen
Schild
Und ander Streitgeräte; ihr
seid eine Königin:
So lehrte mich mein Vater, dass ich
selbst ihr Hüter bin.” (1796)
“O weh dieses Leides!”, sprach da
Kriemhild:
“Warum will mein Bruder und Hagen
seinen Schild
Nicht bewahren lassen? Gewiss, sie
sind gewarnt:
Und wüsst ich wers gewesen,
den hielte der Tod umgarnt.” (1797)
Im Zorne gab ihr Antwort Dieterich
sogleich:
“Ich bin es, der gewarnt hat die
edeln Fürsten reich,
Und Hagen auch den kühnen in
der Burgonden Bann:
Nur zu, du Braut des Teufels, du tust
darum mir kein Leid an.” (1798)
Da schämte sich gewaltig die
edle Königin;
Sie fürchtete gar
übel Dietrichens Heldensinn.
Sie ging schnell von dannen, nichts
mehr sprach sie da,
Nur dass sie nach den Feinden mit
geschwinden Blicken sah. (1799)
Da nahmen bei den Händen
zwei der Degen sich,
Der eine war Hagen, der andre
Dieterich.
Da sprach wohlgezogen der Degen
allbereit:
“Eure Reise zu den Heunen, die ist in
Wahrheit mir leid, (1800)
Da die Königin also zu euch
gesprochen hat.”
Da sprach von Tronje Hagen: “Noch
wird zu allem Rat.”
So redeten einander die kühnen
Degen an.
Das sah der König Etzel, der
gleich zu fragen begann: (1801)
“Die Märe wüsst ich
gerne,” befrug der König sich,
“Wer jener Recke wäre, den
dort Herr Dieterich
So freundlich hat empfangen; wohl
trägt er hoch den Mut;
Wie auch sein Vater heiße,
er mag wohl sein ein Recke gut.” (1802)
Da gab dem König Antwort
einer aus Kriemhilds Bann:
“Von Tronje ist er geboren, sein
Vater hieß Aldrian;
Wie heiter er gebare, er ist ein
grimmer Mann:
Er lässt euch wohl noch
schauen, dass ich keine Lüge getan.” (1803)
“Wie soll ich das erkennen, dass er
so grimmig ist?”
Noch hatt er keine Kunde von mancher
argen List,
Die wider ihre Freunde die
Königin spann,
Dass aus dem Heunenlande ihr auch nicht
einer entrann. (1804)
“Wohl kannt ich Aldrianen, er war
mein Untertan,
Lob und große Ehre er hier
bei mir gewann:
Ich macht ihn selbst zum Ritter und
gab ihm meinen Sold;
Weil er sich treu erzeigte, war ich
ihm von Herzen hold. (1805)
“Daher ist mir von Hagen auch alles
wohlbekannt.
Zwei edle Kinder bracht ich als
Geisel in das Land:
Ihn und von Spanien Walther; die
wuchsen hier heran.
Hagen sandt ich wieder heim, Walther
mit Hildegund entrann.” (1806)
Er gedachte lieber Märe und
was vordem geschehn;
Seinen Freund von Tronje, wohl hat er
den gesehn,
Der ihm in seiner Jugend oft
große Dienste bot:
Jetzt schlug er ihm im Alter viel
lieber Freunde zu Tod. (1807)
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