9. Abenteuer
Wie Siegfried nach
Worms gesandt ward
Da sie gefahren waren volle neun
Tage,
Da sprach von Tronje Hagen: “Nun
höret, was ich sage:
Wir säumen mit der Kunde
nach Wormes an den Rhein;
Nun sollten eure Boten schon bei den Burgonden
sein.” (545)
Da sprach König Gunther:
“Wohl sprecht ihr recht daran;
Auch hätt uns wohl niemand
die Fahrt so gern getan
Als ihr Freund Hagen selber: so
reitet in mein Land;
Unsre Hofreise macht niemand besser
dort bekannt.” (546)
* Zur Antwort gab da Hagen: “Ich bin
kein Bote gut:
Lasst mich der Kammer pflegen;
bleiben auf der Flut
Will ich bei den Frauen und
hüten ihr Gewand,
Bis dass wir sie bringen in der
Burgonden Land. (547)
“Nein, bittet Siegfrieden um diese
Botschaft,
Der mag sie wohl verrichten mit
tugendreicher Kraft.
Versagt er euch die Reise, ihr sollt
mit guten Sitten
Bei eurer Schwester Liebe um die
Fahrt ihn freundlich bitten.” (548)
Er sandte zu dem Recken; der kam als
man ihn fand.
Er sprach zu ihm: “Wir nahen uns
wieder meinem Land;
Da sollt ich Boten senden der leiben
Schwester mein,
Und auch meiner Mutter, dass wir
kommen an den Rhein. (549)
* “Von euch begehr ich, Siegfried,
dass ihr die Reise tut,
Ich wills euch immer danken,” so
sprach der Degen gut.
Da weigerte sich Siegfried, der
hochbeherzte Mann
Bis ihn König Gunther sehr
zu bitten begann. (550)
Er sprach: “Ihr sollt reiten um den
Willen mein,
Und auch um Kriemhilde, das
schöne Mägdelein,
Dass es mit mir verdiene die
herrliche Maid.”
Als Siegfried das hörte, da
war der Recke bald bereit. (551)
“Entbietet, was ihr wollet, es soll
verkündet sein:
Ich will es gerne leisten um das
schöne Mägdelein.
Die ich im Herzen trage, verzichtet
ich auf die?
Leisten will ich alles, was ihr
gebietet, um sie.” (552)
“So saget Frau Uten, der reichen
Königin,
Dass ich auf dieser Reise hohes Mutes
bin.
Wie wir geworben haben sagt meinen
Brüdern an;
Auch unsern Freunden werde diese
Märe kund getan. (553)
Auch sollt ihr nichts verschweigen
der schönen Schwester mein,
Ich will ihr mit Brunhilden stets zu
Diensten sein;
So sagt auch dem Gesinde und allem
meinem Bann:
Was je mein Herz sich
wünschte, dass ich das Alles gewann. (554)
Und saget Orteweinen, dem lieben
Neffen mein,
Dass er Gestühl errichten
lasse bei dem Rhein;
Und meinen Vettern allen sei es kund
getan,
Ich stelle mit Brunhilden eine
große Hochzeit an. (555)
Und saget meiner Schwester, werd ihr
das bekannt,
Dass ich mit meinen Gästen
gekommen sei ins Land,
Dass sie dann wohl empfange die liebe
Traute mein:
Dafür will ich Kriemhilden
immerdar gewogen sein.” (556)
Da bat bei Brunhilden und ihrem
Ingesind
Bald um seinen Urlaub Siegfried,
Siegmunds Kind,
Wie ihm das wohl geziemte; da ritt er
an den Rhein.
Es konnt auf dieser Erden ein bessrer
Bote nicht sein. (557)
Mit vierundzwanzig Recken kam er zu
Wormes an:
Der König war nicht drunter:
das wurde kundgetan.
Da mühte das Gesinde sich in
Jammers Not,
Besorgt, dass dort der König
gefunden habe den Tod. (558)
Sie stiegen von den Rossen und trugen
hohen Mut:
Da kam alsbald Herr Geiselher, der
junge König gut,
Und Gernot, sein Bruder: wie hurtig
sprach er da,
Als er den König Gunther
nicht bei Siegfrieden sah: (559)
“Willkommen, Herr Siegfried, ich
bitte, sagt mir an:
Wo habt ihr meinen Bruder den
König hingetan?
Brunhildens Stärke,
fürcht ich, hat ihn uns benommen:
Ihre hohe Minne wäre uns
sehr zu Schaden gekommen.” (560)
“Die Sorge lasset fahren: Euch und
den Freunden sein
Entbietet seine Dienste der
Heergeselle mein:
Ich verließ ihn wohl
geborgen; er hat mich euch gesandt,
Dass ich sein Bote würde,
mit Mären her in euer Land. (561)
“Nun helfet mir es fügen, wie
es auch gescheh,
Dass ich die Köngin Ute und
eure Schwester seh:
Die soll ich hören lassen,
was ihnen zu wissen tut
Gunther und Brunhilde: Um die Beiden
steht es gut.” (562)
Da sprach der junge Geiselher: “So
sprecht bei ihnen an,
Da habt ihr meiner Schwester einen
Liebesdienst getan.
Sie trägt noch
große Sorge um den Bruder mein;
Das Mägdlein seiht euch
gerne: des will ich euch Bürge sein.” (563)
Da sprach der Degen Siegfried: “Wo
ich ihr dienen kann,
Das soll immer treulich und willig
sein getan.
Wer sagt nun dass ich komme den
beiden Frauen an?”
Des wurde Bote Geiselher, dieser
waidliche Mann. (564)
Geiselher der junge sprach zu der
Mutter da,
Und auch zu seiner Schwester, als er
die beiden sah:
“Siegfried ist gekommen, der Held aus
Niederland,
Ihn hat mein Bruder Gunther her zu
dem Rheine gesandt. (565)
“Er bringt uns die Kunde, wie's um
den König steht;
Nun mögt ihr ihm erlauben,
dass er zu Hofe geht:
Er bringt die rechten Mären
uns her von Isenland.”
Noch war den edlen Frauen
große Sorge nicht gewandt. (566)
Sie sprangen nach dem Staate und
kleideten sich drei
Und luden Siegfrieden nach Hof zu
kommen ein.
Das tat der Degen williglich, weil er
sie gerne sah.
Kriemhild die edle sprach zu ihm in Güte
da: (567)
“Willkommen, Herr Siegfried, ein
Ritter ohne Gleich:
Wo ist mein Bruder Gunther, der edle
König reich?
Durch Brunhilds Stärke,
fürcht ich, ist er uns verloren:
O weh mir armen Mägdelein,
dass ich jemals ward geboren!” (568)
Da sprach der kühne Ritter:
“Gebt mir Botenbrot,
Ihr viel schönen Frauen
weinet ohne Not.
Ich verließ ihn wohl
geborgen: Das tu ich euch bekannt;
Sie haben mich euch Beiden mit der
Märe hergesandt. (569)
“Mit freundlicher Liebe, viel edle
Königin mein,
Entbeut euch seine Dienste er und die
Traute sein:
Nun lasset euer Weinen, sie wollen
balde kommen.”
Sie hatten lange Tage so liebe
Märe nicht vernommen. (570)
* Mit schneeweißem Kleide
aus Augen wohlgetan
Wischte sie die Tränen; zu
danken hub sie an
Dem Boten dieser Märe, die
da war gekommen;
Da war ihr große Trauer und
auch ihr Weinen benommen. (571)
Sie hieß den Boten sitzen:
Des war er gern bereit.
Da sprach die Minnigliche: “Es
wäre mir nicht leid,
Wenn ich euch geben dürfte
zum Botenlohn mein Gold:
Dazu seid ihr zu vornehm: so bleib
ich sonst denn euch hold.” (572)
“Und würden dreißig
Lande,” sprach er, “mein genannt,
So empfing' ich doch gerne Gab aus
eurer Hand.”
Da sprach die Tugendliche: “So soll
es denn geschehn.”
Da ließ sie ihren
Kämmerer nach dem Botenlohne gehen. (573)
Vierundzwanzig Spangen mit
Edelsteinen gut
Gab sie ihm zum Lohne. So stund des
Helden Mut:
Er wollt es nicht behalten; er gab es
unverwandt
Ihren schönen Maidern, die
er in der Kammer fand. (574)
Die Mutter bot ihm gütlich
ihre Dienste an.
“Ich will euch mehr berichten,”
sprach der kühne Mann,
“Um was der König bittet,
gelangt er an den Rhein.
Wenn ihr das, Fraue, leistet, er will
euch stets gewogen sein. (575)
“Seine reichen Gäste,
hört ich ihn begehren,
Sollt ihr wohl empfangen und sollt
ihn des gewähren,
Entgegen ihm zu reiten vor Wormes ans
Gestad.
Das ists warum der König mit
allen Treuen euch bat.” (576)
“Das will ich gern vollbringen,”
sprach die schöne Magd:
“Worin ich ihm kann dienen, das ist
ihm unversagt.
Mit freundlicher Treue sei all sein
Wunsch getan.”
Da mehrte sich die Farbe, die sie vor
Liebe gewann. (577)
Nie sah man eines Fürsten
Boten so wohl empfan:
Wenn sie ihn küssen durfte,
sie hätt es gern getan;
Minniglich er anders doch von der
Frauen schied.
Da taten die Burgonden wie der Bote
ihnen riet. (578)
* Sindolt und Haunolt und Rumolt der
Degen,
Großer Unmuße
mussten sie da pflegen,
Als sie die Sitze richteten vor
Wormes an dem Stand:
Die Schaffner des Königs man
sehr beflissen da fand. (579)
* Ortewein und Gere säumten
auch nicht mehr,
Sie sandten nach den Freunden
allwärts umher,
Die Hochzeit zu verkünden,
die da sollte sein;
Der zierten sich entgegen die viel
schönen Mägdelein. (580)
Der Pallas und die Wände
waren überall
Verziert der Gäste wegen;
König Gunthers Saal
Wurde wohl gezimmert durch manchen
fremden Mann;
Das große Hofgelage mit
hohen Freuden begann. (581)
Da ritten allenthalben die Wege durch
das Land
Der drei Könge Freunde; die
hatte man besandt,
Dass sie empfangen helfen die da
sollten kommen:
Da wurden aus der Lade reicher Zeuche
viel genommen. (582)
Da brachte man die Kunde, dass man
schon reiten sah
Brunhildens Heergesellen:
Gedränge gab es da
Von des Volkes Menge in
Burgondenland.
Hei! Was man kühner Degen da
zu beiden Seiten fand! (583)
* Da sprach die schöne
Kriemhild: “Ihr meine Mägdelein,
Die nun bei dem Empfange mit mir
wollen sein,
Die suchen aus den Kisten ihr
allerbest Gewand:
So wird uns Lob und Ehre von den
Gästen zuerkannt.” (584)
Da kamen auch die Recken, die ließen
tragen dar
Herrliche Sättel, von rotem
Golde klar,
Dass drauf die Frauen ritten von
Wormes an den Rhein:
Besser Pferdgeräte konnte
wohl nimmer sein. (585)
Wie warf da von den Mähren
das lichte Gold den Schein!
Es glänzte von den
Zäumen mancher Edelstein;
Die goldnen Sattelschemel auf lichten
Zeugen gut
Brachte man den Frauen; sie hatten
fröhlichen Mut. (586)
* Die Frauenpferde standen auf dem
Hof bereit,
Wie ich euch schon bekannte,
für manche edle Maid;
Sie schmalen Brustriemen sah man die
Mähren tragen
Von der besten Seide, davon man
jemals hörte sagen. (587)
Sechsundachtzig Frauen zogen da
heran,
Die Kopfbinden trugen; zu Kriemhilden
dann
Kamen die Schönen in ihrem
reichen Kleid;
Da kam auch wohl gezieret gar manche
waidliche Maid. (588)
* Fünfzig und Viere aus
Burgondenland:
Das waren auch die Besten, die man
irgend fand;
Die sah man gelblockig unter lichten
Borten gehn.
Was gewünscht der
König, das sah er fleißig geschehn. (589)
Sie trugen reiche Zeuche, die besten
die man fand,
Vor den fremden Rittern, und
herrliches Gewand;
Zu ihrer schönen Farbe stand
es ihnen gut:
Wer einer abhold wäre, litte
wohl an schwachem Mut. (590)
Von Hermelin und Zobel viel Kleider
man da fand.
Da schmückte sich gar manche
den Arm und auch die Hand
Mit Spangen auf der Seide, die sie
sollten tragen;
Es könnt euch dies
Befleißen zu Ende wohl niemand sagen. (591)
Viel Gürtel kunstgeschaffen,
kostbar und lang,
Über lichte Kleider die Hand
der Frauen schwang
Um edle Ferransröcke von
Zeuch aus Arabia.
Voll hoher Freude waren die edeln
Jungfrauen da. (592)
Es ward in Brustgeschmeide manche
schöne Maid
Gar minniglich geschnüret.
Die mochte tragen Leid,
Deren lichte Farbe das Zeuch nicht
überschien.
So schönes Ingesinde hat nun
keine Königin. (593)
Als die Minniglichen nun trugen ihr
Gewand,
Die sie da führen sollten,
die kamen unverwandt,
Der hochgemuten Recken eine
große Zahl daher:
Man trug auch dar viel Schilde und
manchen eschenen Speer. (594)
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