21. Abenteuer
Wie Kriemhilde zu den
Heunen fuhr
Die Boten lasst reiten, so tun wir
euch bekannt,
Wie die Königstochter fuhr
durch das Land,
Und wo sich von ihr schieden
Geiselher und Gernot;
Sie hatten ihr gedienet wie ihre
Treue gebot. (1334)
Sie kamen nach Veringen, der Donau
nah, geritten;
Sie begannen um den Urlaub die
Königin zu bitten,
Weil sie wieder reiten wollten an den
Rhein;
Da mocht es ohne Weinen von guten
Freunden nicht sein. (1335)
Geiselher der schnelle sprach zu der
Schwester sein:
“Fraue, wenn du jemals
bedürfen solltest mein,
Was immer dich gefährde, so
mach es mir bekannt,
Dann reit ich dir zu dienen hin in
König Etzels Land.” (1336)
Die Verwandten alle küssten
sie an den Mund.
Minniglich sich scheiden sah man da
zur Stund
Von Kriemhildens Freunden die in
Rüdgers Bann.
Da zogen mit der Königin
viel Mägdelein wohlgetan, (1337)
Hundert und viere; sie trugen
herrlich Kleid
Von reichen bunten Zeuchen; viel der
Schilde breit
Führte man der Fraue nach
auf ihren Wegen.
Da wandte sich von dannen gar mancher
herrliche Degen. (1338)
So zogen sie in Eile hinab durch
Bayerland.
Da brachte man die Märe:
Viel Gäste unbekannt
Kämen angeritten. Wo noch
ein Kloster steht
Und der Inn mit Brausen in die Donau
nieder geht, (1339)
In der Stadt zu Passau, da
saß ein Bischof.
Leer wurden Herbergen und des
Fürsten Hof:
Sie wanden sich in Eile hinauf durch
Bayerland,
Wo der Bischof Pilgerin die schöne
Kriemhilde fand. (1340)
Den Recken von dem Lande war es nicht
zu leid,
Als sie ihr folgen sahen so manche
schöne Maid;
Da kos'ten sie mit Augen manch edeln
Ritters Kind.
Gute Herbergen schuf man den
Gästen geschwind. (1341)
* Dort zu Plädelingen schuf
man ihnen Ruh;
Das Volk allenthalben ritt auf sie
zu.
Man gab, was sie bedurften,
williglich und froh:
Sie nahmen es mit Ehren; so tat man
bald auch anderswo. (1342)
Der Bischof mit seiner Nichte ritt
auf Passau an.
Als das den Bürgern der
Stadt war kundgetan,
Das Schwesterkind des
Fürsten, Kriemhilde wolle kommen,
Da ward sie wohl mit Ehren von den
Kaufherrn aufgenommen. (1343)
Als der Bischof wähnte, sie
werde da bestehn,
Sprach Eckewart der Degen: “Wie
möchte das geschehn?
Wir müssen weiter ziehen in
Rüdigers Land:
Viel Degen harren unser: ihnen allen
ists bekannt.” (1344)
Nun wusste wohl die Märe die
schöne Gotelind;
Sie rüstete sich
fleißig und auch ihr edel Kind.
Ihr hat entboten Rüdiger,
ihn bedünk es gut,
Wenn sie der Königstochter
damit tröste den Mut, (1345)
Und ihr entgegenreite mit seinem
ganzen Bann
Hinauf zu der Ense. Als man das
begann,
Da sah man allenthalben
gefüllt die Straßen stehn:
Sie wollten ihren Gästen
entgegen reiten und gehn. (1346)
Da war nach Efferdingen die
Königin gekommen.
Man hat im Bayerlande von
Schächern viel vernommen,
Die auf den Straßen raubten
wie ihre Sitte war:
Vielleicht hätt auch die
Gäste beschädigt dieser Räuber Schar. (1347)
Dem ward wohl widerstanden von dem
Markgrafen hehr:
Er führte tausend Ritter
oder wohl noch mehr.
Da kam auch Gotelinde,
Rüdigers Gemahl,
Mit ihr im stolzen Zuge gute Recken
ohne Zahl, (1348)
Sie kamen über die Traune
bei Ens auf das Feld:
Da sah man aufgeschlagen
Hütten und Gezelt,
Dass zur Nacht die Gäste
fänden gute Ruh.
Für ihre Kost zu sorgen kam
dem Markgrafen zu. (1349)
Von den Herbergen ritt ihnen entgegen
Die schöne Gotelinde. Da
zogen auf den Wegen
Mit klingenden Zäumen viel
Pferde wohlgetan.
Sie wurden schön empfangen;
lieb tat man Rüdigern daran. (1350)
Die sie zu beiden Seiten empfingen
auf den Wegen
Mit kunstvollen Reiten, das waren
viel der Degen.
Sie übten Ritterspiele; das
sah da manche Maid.
Der Ritterdienst der Degen war der
Königin nicht leid. (1351)
Als zu den Gästen kamen die
in Rüdgers Lehn,
Sah man der Schaftsplitter viel in
die Lüfte gehn
Von der Recken Händen nach
ritterlichen Sitten.
Da wurde wohl zu Danke vor der Frauen
geritten. (1352)
Sie ließen es bewenden. Da
grüßte mancher Mann
Freundlich den andern. Nun
führten sie heran
Die schöne Gotelinde, wo sie
Kriemhild sah.
Wer Frauen dienen konnte hatte wenig
Muße da. (1353)
Der Vogt von Bechelaren ritt zu
Gotlinden hin.
Wenig Kummer schuf es der edeln
Markgräfin,
Dass er so wohl geborgen vom Rheine
war gekommen;
Ihr war die meiste Sorge durch
große Freude benommen. (1354)
Als sie ihn hat empfangen,
ließ er sie auf das Feld
Mit den Frauen steigen, die sich zu
ihr gesellt.
Da zeigte sich geschäftig
mancher edle Mann;
Den Frauen wurde Dienste mit
großem Fleiße getan. (1355)
Da sah Frau Kriemhilde die
Markgräfin stehn
Mit ihrem Ingesinde: Sie
ließ nicht näher gehn:
Sie zuckte mit dem Zaume das Ross,
das sie trug,
Und ließ sich aus dem Sattel
heben schleunig genug. (1356)
Den Bischof sah man führen
seiner Schwester Kind,
Ihn und Eckewarten, hin zu Gotelind.
Es musste vor ihr weichen wer im Wege
stund:
Da küsste die Fremde Frau
Gotlinden auf den Mund. (1357)
Da sprach mit holder Sitte
Rüdigers Weib:
“Nun wohl mir, liebe Fraue, dass ich
euern schönen Leib
Hier in diesem Lande mit Augen durfte
sehn!
Mir konnt in diesen Zeiten keine
größre Freude geschehn.” (1358)
“Nun lohn euch Gott,” sprach
Kriemhild, “viel edle Gotelind
So ich gesund verbleibe mit
Botelungens Kind,
Mag euch zu Gute kommen, dass ihr
mich habt gesehn.”
Noch konnten sie nicht ahnen was
später musste geschehn. (1359)
Mit Grüßen
zueinander ging da manche Maid.
Die Recken waren ihnen zu Diensten
gern bereit.
Sie setzten nach dem Gruße
sich nieder auf den Klee:
Sie gewannen mancher Kunde, die ihnen
fremd waren eh. (1360)
Man ließ den Frauen
schenken. Es war am hohen Tag;
Das edle Ingesinde dort nicht
länger lag:
Sie ritten bis sie sahen die breiten
Hütten stehn;
Da konnten große Dienste den
edeln Gästen geschehn. (1361)
Sie pflagen bis zum Morgen
über Nacht der Ruh.
Die von Bechelaren schickten sich
dazu,
Dass man die werten Gäste
würdiglich verpflag.
Gesorgt hatte Rüdiger, dass
ihnen wenig gebrach. (1362)
Die Fenster an den Mauern traf man
offen an,
Die Burg zu Bechelaren war
mächtig aufgetan.
Da zogen ein die Gäste, die
man gerne sah;
Gute Rast schuf ihnen der edle
Rüdiger da. (1363)
Mit ihrem Ingesinde die Tochter
Rüdgers ging,
Dass sie die Königfraue
minniglich empfing.
Da war auch ihre Mutter,
Rüdigers Gemahl:
Die Degen grüßten
gerne die Jungfrauen allzumal. (1364)
Sie fügten ihre
Hände in eins und gingen dann
In einen weiten Pallas, der war gar
wohlgetan,
Vor dem die Donau unten die Flut
vorüber goss.
Da saßen sie im Freien und
hatten Kurzweile groß. (1365)
Ich kann euch nicht bescheiden was
noch mehr geschah.
Dass sie so eilen müssten,
darüber klagten da
Kriemhildens Recken; wohl war es
ihnen leid.
Hei! Was ihnen guter Recken aus
Bechlarn gaben Geleit! (1366)
Viel minnigliche Dienste
Rüdger ihnen bot.
Da gab die Königsfraue
zwölf Armspangen rot
Der Tochter Gotlindens und also gut
Gewand,
Dass sie kein bessres brachte hin in
König Etzels Land. (1367)
Obwohl ihr war benommen der
Nibelungen Gold,
Alle die sie sahen machte sie sich
hold
Noch mit dem kleinen Gute, das ihr
übrig war;
Des Wirtes Ingesinde bot sie
große Gaben dar. (1368)
Da erwies auch Gotlinde den
Gästen von dem Rhein
Wieder so viel Ehre mit Gaben
groß und klein,
Dass man dort der Fremden wohl selten
einen fand,
Der nicht von ihr Gesteine trug oder
herrlich Gewand. (1369)
Als man nach dem Imbiss fahren sollt
hindann,
Ihre treuen Dienste bot die Hausfrau
an
Mit minniglichen Worten
König Etzels Weib.
Da wurde viel gekostet der
schönen Jungfraue Leib. (1370)
Da sprach sie zu der
Königin: “Dünkt es euch nur gut,
So weiß ich dass es gerne
mein lieber Vater tut,
Dass er mich zu euch sendet in der
Heunen Land.”
Dass sie ihr treu gesinnt war, wie
wohl das Kriemhilde fand! (1371)
Die Rosse kamen aufgezäumt
vor Bechlaren an,
Als die edle Königin Urlaub
sich gewann
Von Rüdigers Weibe und der
Tochter sein.
Da schieden auch mit
Grüßen viel der schönen Mägdelein. (1372)
Sie sahn einander selten hernach in
vielen Tagen.
Da brachte man aus Medilik auf
Händen getragen
Manch reiches
Goldgefäße angefüllt mit Wein
Den Gästen auf die
Straße; sie sollten willkommen sein. (1373)
Ein Wirt war da gesessen, Astolt
genannt,
Der wies sie die Straße ins
Österreicherland
Gegen Mutaren an der Donau nieder:
Da wurde wohl gedienet der
schönen Königin wieder. (1374)
Der Bischof mit Liebe von seiner
Nichte schied.
Dass sie sich wohl gehabe, wie sehr
er ihr das riet!
Und sich Ehr erwerbe wie Helke einst
getan.
Hei! Was sie großer Ehren
bald bei den Heunen gewann! (1375)
Nun kam der Zug der Gäste
bei der Traisem an.
Ihr dienten sehr beflissen die in
Rüdgers Bann
Bis man die Heunen-Degen sah reiten
durch das Land:
Da ward der Königsfraue viel
große Ehre bekannt. (1376)
Bei der Traisem hatte der Fürst
von Heunenland
Eine reiche Veste, im Lande
wohlbekannt,
Mit Namen Zeißenmauer: Einst
wohnte Helke da
Und pflag so hoher Tugenden als wohl
nicht wieder geschah, (1377)
Es sei denn von Kriemhilden; die
mochte gerne geben:
Sie durfte wohl die Freude nach ihrem
Leid erleben,
Dass ihr Ehr erwiesen die in Etzels
Bann,
Die sie bei den Helden in der
Fülle bald gewann. (1378)
König Etzels Herrschaft war
so weit erkannt,
Dass man zu allen Zeiten an seinem
Hofe fand
Die allerkühnsten Recken,
davon man je vernommen
Bei Christen oder Heiden; die waren
all mit ihm gekommen. (1379)
Bei ihm war allerwegen, so sieht mans
nimmermehr,
So echter Christenglauben als
heidnischer Verkehr:
Wozu nach seiner Sitte sich auch ein
jeder schlug,
Das schuf des Königs Milde,
man gab doch allen genug. (1380)
|