29. Abenteuer
Wie Hagen nicht vor
Kriemhilden aufstand
Da schieden auch die beiden werten
Recken sich,
Hagen von Tronje und Herr Dieterich.
Über die Achsel blickte
Gunthers Untertan
Nach einem Heergesellen, den er da
bald sich gewann. (1808)
Er sah da Volkern bei Geiselheren
stehn,
Den zieren Fiedelspieler, und bat ihn
mitzugehn,
Weil er wohl erkannte seinen grimmen
Mut:
Er war in allen Dingen ein Ritter
kühn und auch gut. (1809)
Man ließ die Herrn noch
immer auf dem Hofe stehn.
Die beiden ganz alleine sah man von
dannen gehn
Über den Hof hin ferne vor
einen Pallas weit:
Die Auserwählten scheuten
sich vor niemandes Streit. (1810)
Sie saßen vor dem Hause
genüber einem Saal
(Der war Kriemhilden) auf eine Bank
zu Tal.
Da glänzt' an ihrem Leibe
ihr herrlich Gewand;
Gar manche die das sahen
hätten sie wohl gern gekannt. (1811)
Gleich den wilden Tieren gaffte sie
da an,
Die vermessnen Helden, mancher
Hennenmann.
Da sah sie durch ein Fenster Etzels
Königin:
Sich trübte da von neuem der
schönen Kriemhilde Sinn. (1812)
Sie gedachte ihres Leides: Zu weinen
hub sie an.
Darüber war verwundert das
Volk in Etzels Bann:
“Was ihr so geschwinde
getrübt den hohen Mut?”
Da sprach sie: “Das tat Hagen, ihr
Helden kühn und auch gut.” (1813)
Sie sprachen zu der Frauen: “Wie ist
das geschehn?
Wir haben euch noch eben wohlgemut
gesehn.
Wär er noch so verwogen,
ders euch hat getan,
Befehlt ihr uns die Rache, den Tod
müsst er empfahn.” (1814)
“Dem wollt ich immer danken, der
rächte dieses Leid,
Was er nur begehrte, ich wär
dazu bereit.
Ich biete mich euch zu
Füßen,” so sprach das Königsweib,
“Rächet mich an Hagen, er
verliere Leben und Leib.” (1815)
Schnell scharten sich die
Kühnen, sechzig an der Zahl.
Der Königin zu Liebe wollten
sie vor den Saal,
Und wollten Hagen schlagen, diesen
kühnen Mann
Und auch den Fiedelspieler; das ward
einmütig getan. (1816)
Als so gering den Haufen die
Königin ersah,
Grimmes Mutes sprach sie zu den
Helden da:
“Von solchem Unterfangen rat ich
abzustehn:
Wohl dürft ihr in so kleiner
Zahl mit Hagen nicht streiten gehn. (1817)
“So stark auch und gewaltig von
Tronje Hagen sei,
Noch ist bei weitem stärker,
der ihm da sitzet bei,
Volker der Fiedler, das ist ein
übler Mann:
Wohl dürft ihr diesen Helden
nicht mit so wenigen nahn.” (1818)
Als sie die Rede hörten
scharten sich ihrer mehr,
Vierhundert Recken. Der
Königstochter hehr
Lag sehr am Herzen die Rache
für ihr Leid.
Dadurch ward bald den Degen viel Not
und Sorge bereit. (1819)
Als sie ihr Heergesinde wohl
bewaffnet sah,
Zu den schnellen Degen sprach die
Königin da:
“Nun harret eine Weile, ihr sollt
noch stille stehn:
Ich will unter Krone hin zu meinen
Feinden gehn. (1820)
So mögt ihr selber
hören was mir hat getan
Hagen von Tronje in König
Gunthers Bann.
Ich weiß ihn so vermessen,
er leugnets nimmermehr:
So frag ich auch nicht weiter was ihm
geschehe nachher.” (1821)
Da sah der Fiedelspieler, der
wunderkühne Mann,
Die edle Königstochter von
einer Stiege nahn,
Die aus dem Hause führte.
Als er das ersah,
Zu seinem Heergesellen sprach der
kühne Volker da: (1822)
“Nun schaut, Freund Hagen, wie von
dorten naht,
Die uns ohne Treue ins Land geladen
hat.
Ich sah mit einer Königin
noch nie so manchen Mann
Die Schwerter in den Händen
also streitlustig nahn. (1823)
Wisset ihr, Freund Hagen, dass euch
die Fraue grollt,
So will ich euch raten, dass ihr
hüten sollt
Des Lebens und der Ehre;
fürwahr, das dünkt mich gut:
Soviel ich mag erkennen ist ihnen
zornig zu Mut. (1824)
Es scheinen auch die Meisten von
Brüsten stark und breit:
Wer seines Lebens hüten
will, der tu es noch beizeit.
Ich seh sie lichte Harnische an dem Leibe
tragen.
Was sie damit meinen, das
hör ich niemanden sagen.” (1825)
Da sprach im Zornmute Hagen der
kühne Mann:
“Ich weiß wohl, es wird
alles meinethalb getan,
Dass sie die lichten Waffen tragen an
der Hand;
Vor denen aber reit ich noch in der
Burgonden Land. (1826)
Nun sagt mir, Freund Volker, denkt
ihr mir beizustehn,
Wenn mit mir streiten wollen die in
Kriemhilds Lehn?
Das lasst mich erfahren so lieb als
ich euch sei:
Ich steh euch immer wieder getreulich
mit Diensten bei.” (1827)
“Gewiss ich will euch helfen,” sprach
der Fiedelmann.
“Und säh ich uns entgegen
mit seinem ganzen Bann
Den Heunenkönig kommen:
Solang ich leben muss
Weich ich von eurer Seite aus Furcht
auch nicht einen Fuß.” (1828)
“Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel
edler Volker!
Wenn sie mit mir streiten, wes bedarf
ich mehr?
Wollt ihr mir helfen wie ich jetzt
vernommen,
So mögen diese Recken fein
behutsam näher kommen.” (1829)
“Stehn wir auf vom Sitze,” sprach der
Fiedelmann,
“(Sie ist doch eine Königin)
so sie nun kommt heran.
Wenn man diese Ehre der edeln Frauen
tut
Um der Sitte willen, so
heißt es jeglicher gut.” (1830)
“Nein! Wenn ihr mich liebet,” sprach
dawider Hagen:
“Es möchten diese Degen mit
dem Wahn sich tragen,
Dass ichs aus Feigheit täte
und gedächte wegzugehn:
Von meinem Sitze mein ich vor ihrer
keinem aufzustehn. (1831)
“Dass wir es bleiben lassen, das
ziemt uns ganz allein:
Soll ich dem Ehre bieten, der mir
Feind will sein?
Nein, ich tät es nimmer so
lang ich leben soll!
In aller Welt, was frag ich wohl nach
Kriemhildens Groll?” (1832)
Der frevle Hagen legte über
die Schenkel hin
Eine lichte Waffe, aus deren Knaufe
schien
Mit hellem Glanz ein Jaspis,
grüner als das Gras.
Wohl kannte sie Kriemhilde, dass
Siegfried einst sie besaß. (1833)
Als sie das Schwert erkannte, das
schuf ihr große Not.
Von Gold war sein
Gefäße, die Scheideborte rot.
Sie gedachte ihres Leides; zu weinen
hub sie an:
Gewiss, das hatte darum der
kühne Hagen getan. (1834)
Volker der Schnelle zog
näher an die Bank
Einen starken Fiedelbogen,
mächtig und lang,
Gleich einem Schwerte, scharf dazu
und breit.
So saßen unerschrocken die
beiden Recken kühn im Streit. (1835)
Die beiden kühnen Degen
däuchten sich so hehr,
Dass sie von dem Sitze gedachten
nimmermehr
Vor jemand aufzustehn. Ihnen schritt
da vor den Fuß
Die edle Königstochter und
bot unfreundlichen Gruß. (1836)
Sie sprach: “Nun sagt mir Hagen, “hat
nach mir gesandt:
Man ladete drei Degen her in dieses
Land,
Die heißen meine Herren, ich
steh in ihrem Lehn:
Bei keiner Hofreise pfleg ich daheim
zu bestehn.” (1837)
Sie sprach: “Nun sagt mir ferner, was
tatet ihr das,
Dass ihr es verdientet, dass ich euch
trage Hass?
Ihr erschlugt Siegfrieden, meinen
lieben Mann,
Den ich bins an mein Ende nicht genug
beweinen kann.” (1838)
“Wozu der Rede weiter?”, sprach er,
“es ist genug:
Ich bin halt der Hagen, der
Siegfrieden schlug,
Den behenden Degen: Wie schwer er das
entgalt,
Dass die Frau Kriemhilde die
schöne Brunhilde schalt! (1839)
Ich will es auch nicht leugnen,
reiche Königin,
Dass ich an allem Übel und
Schaden schuldig bin:
Nun räch es, wer da wolle,
es sei Weib oder Mann.
Ich müsst es wahrlich
lügen, ich hab euch Leides viel getan.” (1840)
Sie sprach: “Da hört ihr
Recken, wie er mir eingesteht
Mein Leid und seine Tücke;
wie's ihm deshalb ergeht,
Frag ich nun nicht weiter, ihr in
Etzels Bann.”
Die übermütgen
Degen blickten all einander an. (1841)
Wär da der Streit erhoben,
so hätte man gesehn,
Wie man den zwei Gesellen
müss Ehre zugestehn;
Das hatten sie in Stürmen
nicht selten dargetan.
Wes jene sich vermaßen, das
ging aus Furcht nun nicht an. (1842)
Da sprach der Recken einer: “Was seht
ihr mich an?
Was ich zuvor gelobte, das wird nun
nicht getan.
Ich verlier um niemands Gabe das
Leben und den Leib:
Uns will wohl hier verleiten dem
König Etzel sein Weib.” (1843)
Da sprach dazu ein andrer: “So steht
auch mir der Mut.
Gäbe sie mir Türme
von rotem Golde gut,
Diesen Fiedelspieler wollt ich nicht
bestehn,
Der schnellen Blicken wegen, die ich
an ihm hab ersehn. (1844)
Auch kenn ich diesen Hagen seit
seinen jungen Tagen;
Man mag mir von dem Recken
große Dinge sagen.
In zweiundzwanzig Stürmen
hab ich ihn gesehn;
Da ist wohl mancher Fraue Herzeleid
durch ihn geschehn. (1845)
Er und der von Spanien traten manchen
Pfad,
Da sie hier bei Etzeln taten manche
Tat
Dem König zu Liebe. Des ist
viel geschehn:
Drum mag man Hagen billig
große Ehre zugestehn. (1846)
Damals war der Recke an Jahren noch
ein Kind:
Da waren schon die Knaben wie jetzo
Greise sind.
Nun kam er zu Verstande und ist ein
grimmer Mann;
Auch trägt er Balmungen, den
er übel gewann.” (1847)
Damit wars entschieden, niemand
suchte Streit;
Das war der Königstochter im
Herzen bitter leid,
Die Helden gingen wieder: Wohl
scheuten sie den Tod
Von den zweien Degen; das tat ihnen
wahrlich Not. (1848)
“Nun haben wir gesehen,” sprach der
Fiedelmann,
“Dass wir hier Feinde finden wie uns
ward kund getan.
Nun lasst uns zu den Königen
hin zu Hofe gehn,
So darf unsre Herren mit Streit wohl
niemand bestehn.” (1849)
Wie man so manche Dinge aus Zagheit
oft verlässt,
Wo doch Freund beim Freunde mutig
steht und fest!
Und ist er wohl bei Sinnen, dass er
nicht also tut,
So nimmt die Ehre mancher vor Schaden
weislich in Hut. (1850)
“Wohlan, ich will euch folgen,” sprach
Hagen dagegen.
Da gingen hin die beiden, wo sie die
zieren Degen
Noch harrend des Empfanges auf dem
Hofe sahn.
Volker der kühne hub da laut
zu rufen an. (1851)
Er sprach zu seinen Herren: “Wie
lange wollt ihr stehn
Und euch drängen lassen? Ihr
sollt zu Hofe gehn
Und von dem König
hören wie der gesonnen sei.”
Da sah man sich gesellen die Helden
kühn und tadelfrei. (1852)
Dietrich von Berne nahm da an die
Hand
Gunther den reichen von
Burgondenland:
Irnfried nahm Gernoten, diesen
kühnen Mann;
Da ging mit Rüdigeren
Geiselher zu Hof heran. (1853)
Wie sich bei diesem Zuge paarte
jeglicher,
Volker und Hagen, die schieden sich
nicht mehr
Als noch in einem Kampfe bis an ihren
Tod.
Das brachte edeln Frauen
Tränen noch und große Not. (1854)
Da gingen mit den Königen an
den Hof heran
Ihres edeln Ingesindes kühne
tausend Mann;
Darüber sechzig Recken: Die
waren mitgekommen;
Die hatt aus seinem Lande der
kühne Hagen genommen. (1855)
Hawart und Iring, zwei Degen
ausersehn,
Die sah man bei den Königen
gesellt nach Hofe gehn:
Dankwart und Wolfhart, ein
wackerlicher Degen,
Die sah man großer Tugend
vor den Übrigen pflegen. (1856)
Als der Vogt vom Rheine in den Pallas
ging,
Herr Etzel der reiche das
länger nicht verhing:
Er sprang von seinem Sitze, als er
ihm kommen sah.
Ein Gruß, ein so recht
schöner, nie mehr von Königen geschah. (1857)
“Willkommen mir, Herr Gunther und
Herr Gerenot
Und euer Bruder Geiselher, die ich
hieher entbot
Mit Gruß und treuem Dienste
von Wormes überrhein,
Und all das Heergesinde, das soll mir
willkommen sein. (1858)
Lasst euch auch Willkommen, ihr
beiden Recken, sagen,
Volker der kühne und der
Degen Hagen,
Für mich und für
die Königin hier in diesem Land;
Sie hat euch manchen Boten hin zum
Rheine gesandt.” (1859)
Da sprach von Tronje Hagen: “Das
haben wir vernommen:
Wär ich mit meinen Herren zu
den Heunen nicht gekommen,
So wär ich euch zu Ehren geritten
in das Land.”
Da nahm der edle König die
lieben Gäste bei der Hand. (1860)
Er führte sie zum Sitze bin
wo er selber saß.
Da schenkte man den Gästen,
fleißig tat man das,
In weiten goldnen Schalen Met, Morass
und Wein,
Und hieß die fremden Degen
höchlich willkommen sein. (1861)
Da sprach der König Etzel:
“Fürwahr ich muss gestehn,
Mir konnt auf dieser Erde nicht
Lieberes geschehn,
Als durch euch, ihr Recken, dass ihr
hierher gekommen.
Damit ist auch der Königin
ihre Hohe Trauer benommen. (1862)
Mich nahm es immer Wunder, was ich
euch wohl getan.
Da ich der edeln Gäste so
manche doch gewann,
Dass ihr nie zu reiten geruhtet in
mein Land;
Nun ich euch gesehen, ist mirs zu
Freuden gewandt.” (1863)
Da versetzte Rüdiger, ein
Ritter hochgemut:
“Ihr sollt sie gern empfahen, ihre
Treue, die ist gut.
Wohl mögen hoher Ehren
meiner Fraue Brüder pflegen:
Sie bringen euch zu Hause manchen
waidlichen Degen.” (1864)
Am Sonnenwende-Abend waren sie
gekommen
An Etzels Hof, des reichen. Noch
selten ward vernommen
Von so hohem Gruße, womit er
sie empfing.
Nun war es Zeit zum Essen: Der
Fürst zu Tisch mit ihnen ging (1865)
Ein Wirt bei seinen Gästen
sich nie so hold betrug.
Zu trinken und zu essen gab man ihnen
genug;
Was sie nur wünschen
mochten, das wurde gern gewährt.
Man hatte von den Helden viel
große Wunder gehört. (1866)
* Der reiche Etzel hatte an ein
Gebäude weit
Viel Fleiß und Müh
gewendet und Kosten nicht gescheut:
Man sah Pallas und Türme,
Gemächer ohne Zahl
IN einer weiten Veste und einen
herrlichen Saal. (1867)
* Den hatt er bauen lassen lang, hoch
und weit,
Weil ihn so viel der Recken besuchten
jederzeit
Auch ander Ingesinde, zwölf
reiche Könge hehr,
Und viel der werten Degen hatt er zu
allen Zeiten mehr (1868)
* Als sie gewann ein König,
davon ich noch vernahm.
Er lebte so mit Freunden und Mannen
ohne Gram:
Turnei und Ritterspiele hatte der
König gut
Durch manchen schnellen Degen; drum
stand wohl hoch ihm der Mut. (1869)
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