27. Abenteuer
Wie Rüdiger
Gunthern empfing
Hin ging der Markgraf, wo er die
Frauen fand,
Sein Weib und seine Tochter. Denen
macht er da bekannt
Diese liebe Märe, die er
jetzt vernommen,
Dass ihrer Frauen Brüder zu
ihrem Hause sollten kommen. (1699)
“Meine liebe Traute,” sprach da
Rüdiger,
“Ihr sollt sie wohl empfangen, die
edeln Könge hehr,
Wenn sie und ihr Gesinde hier zu Hofe
gehn;
Ihr sollt auch schön
begrüßen Hagen in Gunthers Lehn. (1700)
Mit ihnen kommt auch einer mit Namen
Dankwart,
Ein andrer heißt Volker, an
Ehren wohl bewahrt.
Die sechse sollt ihr küssen,
ihr und die Tochter mein,
Und sollt auch in Züchten
diesen Recken freundlich sein.” (1701)
Das gelobten ihm die Frauen und
warens gern bereit:
Sie suchten aus den Kisten manch
herrliches Kleid,
Darin sie den Recken entgegen wollten
gehn.
Da sah man groß
Befleißen von schönen Frauen geschehn. (1702)
Gefälschte Frauenzierde gar
wenig man da fand;
Sie trugen auf dem Haupte lichtes
goldnes Band,
Das waren reiche Kränze,
damit ihr schönes Haar
Die Winde nicht verwehten; sie waren
höfisch und klar. (1703)
In solcher Unmuße lassen wir
die Fraun.
Da war ein schnelles Reiten auf dem
Feld zu schaun
Von Rüdigers Genossen bis
man die Fürsten fand:
Sie wurden wohl empfangen in des
Markgrafen Land. (1704)
Als sie der Markgraf zu sich kommen
sah,
Zu seinen lieben Gästen
fröhlich sprach er da:
“Willkommen mir ihr Herren und die in
euerm Lehn:
Hier in meinem Lande hab ich euch
gerne gesehn.” (1705)
Da dankten ihm die Recken in Treuen
ohne Hass.
Wie wohl er ihnen wolle, wohl bewies
er das.
Besonders grüßt' er
Hagen, der war ihm längst bekannt;
So tat er auch mit Volkern aus der
Burgonden Land. (1706)
Er empfing auch Dankwarten. Da sprach
der kühne Degen:
“Wollt ihr uns hier behalten, wer
soll dann verpflegen
Unser Ingesinde, das wir hergebracht?
Da sprach der Markgraf: “Ich schaff
euch gute Ruh bei Nacht (1707)
* Und all dem Gesinde. Was ihr in das
Land
Mit euch hergeführet: Ross,
Silber und Gewand,
Dem geb ich solche Hüter,
nichts geht davon verloren,
Das euch zu Schaden brächte
nur um einen halben Sporen. (1708)
“Spannet auf, ihr Knechte, die
Hütten in dem Feld;
Was ihr hier verlieret,
dafür leist ich Entgelt:
Zieht die Zäume nieder und
lasst die Rosse gehn.”
Das war ihnen selten von einem Wirte
noch geschehn. (1709)
Des freuten sich die Gäste.
Als das geschehen war
Und die Herrn von dannen ritten,
legte sich die Schar
Der Knecht im Grase nieder: Gut ruhen
war es da,
Dass ihnen auf der Reise wohl nimmer
sanfter geschah. (1710)
Die edle Markgräfin mit
ihrer Tochter schön
War vor die Burg gegangen; da sah man
bei ihr stehn
Minnigliche Frauen und manche
schöne Maid;
Sie trugen viel der Spangen und
manches herrliche Kleid. (1711)
Das edle Gesteine glänzte
fern hindann
Aus ihrem reichen Staate: Sie waren
wohlgetan.
Da kamen auch die Gäste und
sprangen auf den Sand:
Hei! Was man edle Sitten an den
Burgonden fand! (1712)
Sechsunddreißig
Mägdelein und viel andre Fraun,
Die wohl nach Wunsche waren und
wonnig anzuschaun,
gingen ihnen entgegen mit manchem
kühnen Mann:
Da ward ein schönes
Grüßen von edeln Frauen getan. (1713)
Die Markgräfin
küsste die Könge alle drei;
So tat auch ihre Tochter. Hagen stand
dabei.
Den hieß ihr Vater
küssen: Da blickte sie ihn an:
Er däuchte sie so furchtbar,
sie hätt es lieber nicht getan. (1714)
Doch musste sie es leisten wie ihr
der Wirt gebot:
Gemischt ward ihre Farbe, bleich und
wieder rot.
Sie küsst' auch Dankwarten,
darnach den Fiedelmann:
Seiner Kühnheit willen ward
ihm das Grüßen getan. (1715)
Die junge Markgräfin nahm
bei der Hand
Geiselher den jungen von
Burgondenland;
So nahm auch ihre Mutter Gunthern den
kühnen Mann.
Da gingen mit den Helden die Frauen
fröhlich hindann. (1716)
Der Wirt ging mit Gernoten in einen
weiten Saal,
Die Ritter und die Frauen setzten
sich zu Tal.
Da ließ man gleich den
Gästen schenken guten Wein:
Besser mochten Helden nimmer wohl
empfangen sein. (1717)
Mit liebem Blick der Augen sah da
mancher an
Rüdigers Tochter, die war so
wohlgetan.
Wohl kos't in seinem Sinne sie
mancher Ritter gut:
Das mochte sie verdienen; sie trug
gar hoch ihren Mut. (1718)
Sie dachten was sie wollten; doch
konnt es nicht geschehn.
Man sah die guten Ritter hin und
wieder spähn
Nach Mägdelein und Frauen;
deren saßen da genug.
Dem Wirt geneigten Willen der edle
Fiedeler trug. (1719)
Da wurden sie geschieden wie Sitte
war im Land:
Zu andern Zimmern gingen Ritter und
Fraun zur Hand.
Man richtete die Tische in dem Saale
weit
Und war den fremden Gästen
zu allen Diensten bereit. (1720)
Den Gästen ging zu Ehren die
edle Markgräfin
Mit ihnen zu den Tischen; die Tochter
ließ sie drinn
Bei den Mägdlein weilen, wo
sie nach Sitte blieb:
Dass sie die nicht mehr sahen, das
war den Gästen nicht lieb. (1721)
Als man getrunken hatte und gespeiset
überall,
Da führte man die
Schönen wieder in den Saal.
Anmutge Reden wurden nicht gescheut,
Viel sprach deren Volker, ein Degen
kühn und allbereit. (1722)
Da sprach unverhohlen derselbe Fiedelmann:
“Viel reicher Markgraf, Gott hat an
euch getan
Nach allen seinen Gnaden: Hat er euch
doch gegeben
Ein Weib, ein so recht
schönes, dazu ein wonnigliches Leben. (1723)
“Wenn ich ein König
wäre,” sprach der Fiedelmann,
“Und sollte Krone tragen, zum Weibe
nähm ich dann
Eure schöne Tochter: Die
wünschte sich mein Mut:
Sie ist minniglich zu schauen, dazu
edel und gut.” (1724)
* Da sprach der Markgraf: “Wie
möchte das wohl sein,
Dass je ein Fürst begehrte
der leiben Tochter mein?
Wir sind hier beide fremde, ich und
auch mein Weib;
Was hilft die große
Schöne an der guten Jungfrau Leib?” (1725)
Da versetzte Gernot, der edle Degen
gut:
“Und wählt ich eine Traute
nach meines Herzens Mut,
So wär ich solches Weibes
von ganzer Seele froh.”
Da antwortet' ihm Hagen mit adliger
Sitte so: (1726)
“Nun soll sich doch beweiben mein
Herre Geiselher:
Es ist so hohen Stammes die
Markgräfin hehr,
Dass wir ihr gerne dienten, ich und
sein ganzes Lehn,
Sollte sie unter Krone bei den
Burgonden gehn.” (1727)
Diese Rede däuchte
Rüdigern gut,
Und auch Gotelinden; wohl freute sich
ihr Mut.
Da schufen es die Helden, dass sie
zum Weibe nahm
Geiselher der edle; der
König durft es ohne Scham. (1728)
Soll ein Ding sich fügen,
wer kann ihm widerstehn?
Man ließ die Jungfraue hin
zu Hofe gehn.
Da schwur man ihm zu geben das
wonnigliche Weib;
Da gelobt' auch er zu minnen ihren
minniglichen Leib. (1729)
Man beschied der Jungfrau Burgen und
auch Land.
Da sicherte mit Eiden des edeln
Königs Hand
Und Gernot der Degen, es werde so
getan.
Da sprach der Markgraf: “Da ich des
Landes nicht gewann, (1730)
So will ich euch in Treuen immer
bleiben hold.
Ich gebe meiner Tochter an Silber und
an Gold
Was hundert Saumrosse nur immer
mögen tragen,
Dass es diesen Helden nach Ehren
möge behagen.” (1731)
Da wurden nach der Sitte in einen
Kreis gestellt
Die beiden Anverlobten. Mancher junge
Held
Mit fröhlichem Mute stand
ihr da entgegen,
Er gedachte in seinem Sinne wie noch
die Jungen gerne Pflegen. (1732)
Als nun begann zu fragen die
minnigliche Maid
Ob sie den Recken wolle, zum Teil war
es ihr leid;
Doch dachte sie zu nehmen den
waidlichen Mann.
Sie schämte sich der Frage,
wie manche Maid hat getan. (1733)
Ihr riet ihr Vater Rüdiger,
dass sie spräche ja,
Und dass sie gern ihn nähme:
Wie schnell war er da
Mit seinen weißen
Händen, womit er sie umschloss,
Gieselher der Junge! Wie wenig sie
ihn doch genoss! (1734)
Da sprach der Markgraf: “Ihr edeln
Könge reich,
Wenn ihr nun wiederkehret beim in
euer Reich,
Wie es doch bald geschiehet, so geb
ich euch die Magd,
Dass ihr sie mit euch
führet.” Also ward es zugesagt. (1735)
Der Schall, den man hörte,
der musste nun vergehn.
Man ließ die Jungfrauen zu
ihren Kammern gehn,
Und auch die Gäste schlafen
und ruhn bis an den Tag.
Da schuf man ihnen Speise; der Wirt
sie gütlich verpflag. (1736)
Nach dem Imbiss wollten sie von
dannen fahren
Zu der Heunen Lande: “Davor will ich
euch wahren,”
Sprach der edle Markgraf, “ihr sollt
noch hier bestehn;
So liebe Gäste hab ich lange
nicht bei mir gesehn.” (1737)
Da versetzte Dankwart: “Herr, das
kann nicht sein:
Wo nähmet ihr die Speise,
das Brot und auch den Wein,
Das ihr doch haben müsstet
für so manchen Mann?”
Als der Wirt das hörte,
stand ihm die Rede nicht an. (1738)
“Meine lieben Herren, ihr
dürft mirs nicht versagen.
Ich habe noch die Speise zu vierzehn
Tagen
Für euch und das Gesinde,
das mit euch hergekommen:
Mir hat der König Etzel noch
gar selten was genommen.” (1739)
Wie sie sich weigern mochten, sie
mussten da bestehn
Bis an den vierten Morgen. Wohl
mochte da geschehn
Durch des Wirtes Milde was ferne ward
bekannt:
Er gab seinen Gästen beides,
Ross und Gewand. (1740)
Nicht länger konnt es
währen, sie mussten dannen fahren:
Rüdiger der kühne
konnte wenig sparen
Vor seiner großen Milde: Was
jemand nur begehrt,
Das versagt' er niemand, sie sahn
sich alle hoch geehrt. (1741)
Ihr edel Ingesinde brachte vor das
Tor
Viel geschirrter Rosse; es wartete
davor
Mancher fremde Recke, den Schild an
seiner Hand,
Weil sie reiten wollten
König Etzeln in das Land. (1742)
Der Wirt bot seine Gaben den Degen
allzumal
Eh die edeln Gäste kamen vor
den Saal;
Er mochte wohl mit Ehren in hoher
Milde leben.
Seine schöne Tochter hatt er
Geiselhern gegeben; (1743)
Da gab er Gernoten eine Waffe gut
genug,
Die hernach in Stürmen der
Degen herrlich trug.
Ihm gönnte wohl die Gabe des
Markgrafen Weib;
Doch verlor Rüdiger davon
noch Leben und Leib. (1744)
Da gab er König Guntern, dem
Helden ohne Gleich,
Was wohl mit Ehren führte
der edle König reich,
Ob er selten Gab empfangen, ein gutes
Streitgewand;
Da neigte sich der König vor
des milden Rüdger Hand. (1745)
Da bot Frau Goteline, sie durft es
ohne Scham,
Auch Hagen holde Gabe: Da sie der
König nahm,
So sollt auch er nicht fahren zu dem
Hofgelag
Ohn ihr Angebinde: Der Held jedoch
widersprach. (1746)
“Alles was ich je gesehn,” so sprach
da Hagen,
“So wünscht ich nichts
weiter von hier hinweg zu tragen
Als den Schild, der dorten
hänget an der Wand:
Den möcht ich gerne führen
König Etzeln in das Land.” (1747)
Als Hagen seine Bitte der
Markgräfin getan,
Die ihres Leids sie mahnte, das
Weinen kam ihr an.
Da dachte sie mit Schmerzen an ihres
Nudung Tod,
Den Wittich hat erschlagen; das schuf
ihr Jammer und Not. (1748)
Sie sprach zu dem Degen: “Den Schild
will ich euch geben.
O wollte Gott im Himmel, dass der
noch dürfte leben,
Der einst ihn hat getragen! Er fand
im Kampf den Tod.
Ich muss ihn stets beweinen, das
schafft mir armen Weibe Not!” (1749)
Da erhob sich von dem Sitze die
Markgräfin mild,
Mit ihren weißen
Händen nahm sie herab den Schild
Und trug ihn hin zu Hagen: Der nahm
ihn an die Hand.
Die Gabe war mit Ehren an den Recken
gewandt. (1750)
Ein Wulst von lichtem Zeuche auf seinen
Farben lag:
Bessern Schild als diesen beschien
noch nie der Tag.
Er war besetzt mit Steinen:
Hätt ihn wer begehrt
Zu kaufen, nach den Kosten war er
wohl tausend Marken wert. (1751)
Den Schild wegzubringen befahl da
Hagen an.
Da kam sein Bruder Dankwart auch zu
Hof heran:
Dem gab reicher Kleider
Rüdgers Kind genug,
Die er bei den Heunen mit vielen
Freuden noch trug. (1752)
All die reiche Gabe, die sie hier
genommen,
Es wär davon kein Flitter in
ihre Hand gekommen,
Wars nicht dem Wirt zu Liebe, der es
so gütlich bot.
Sie wurden ihm so feind hernach, dass
sie ihn schlagen mussten tot. (1753)
Da hatte mit der Fiedel Volker der
schnelle Held
Sich hin vor Gotelinde
züchtiglich gestellt.
Er geigte süße
Töne und sang dazu sein Lied:
So nahm er seinen Urlaub, als er von
Bechlaren schied. (1754)
Sich ließ die
Markgräfin eine Lade näher tragen.
Von freundlicher Gabe mögt
ihr nun hören sagen:
Sie nahm daraus zwölf
Spangen und schob sie ihm an die Hand:
“Die sollt ihr hinnen führen
König Etzeln in das Land, (1755)
Und sollt sie mir zu Leibe dort am
Hofe tragen:
Wenn ihr wiederkehret, dass man mir
möge sagen,
Wie ihr mir habt gedienet bei dem
Hofgelagt.”
Wohl nach der Frauen Wunsche tat der
Degen hernach. (1756)
Der Wirt sprach zu den
Gästen: “Nun mögt ihr sicher fahren;
Ich selbst will euch geleiten und vor
Raub bewahren,
Dass ihr auf der Straße
nicht werdet angerannt.”
Seine Saumrosse, die belud man gleich
zur Hand. (1757)
Der Wirt war reisefertig nebst
fünfhundert Mann
Mit Rossen und mit Kleidern. Da
führt' er seinen Bann
Zu dem Hofgelage von dannen
wohlgemut:
Nach Bechlaren kehrte nicht einer von
den Rittern gut. (1758)
Mit minniglichen Küssen der
Wirt von dannen schied,
Also tat auch Geiselher, wie ihm die
Treue riet.
Sie herzten schöne Frauen
mit liebendem Umfahn:
Das mussten bald beweinen viel
Jungfrauen wohlgetan. (1759)
Da wurden allenthalben die Fenster
aufgetan:
Zu den Rossen eilte der Wirt mit
seinem Bann.
Sie fühlten wohl im Herzen
voraus ihr herbes Leid.
Da weinten viel der Frauen und manche
waidliche Maid. (1760)
Nach ihren lieben Freunden weinten
manche sehr,
Die sie zu Bechlaren ersahen
nimmermehr:
Doch ritten sie mit Freuden von
hinnen auf den Sand,
An der Donau nieder bis an das
heunische Land. (1761)
Da sprach zu den Burgonden der Ritter
kühn und hehr,
Rüdiger der edle: “Nun darf
nicht länger mehr
Verhohlen sein die Kunde, dass wir
nach Heunland kommen:
Es hat der König Etzel nie
so Liebes vernommen.” (1762)
Da ritt der schnelle Bote durchs
Östreicherland:
Da ward es allenthalben den Leuten
wohlbekannt,
Dass die Helden kämen von
Wormes über Rhein.
Des Königs Ingesinde, dem
konnt es lieber nicht sein. (1763)
Die Boten vordrangen mit den
Mähren,
Dass die Nibelungen bei den Heunen
wären.
“Du sollst sie wohl empfangen,
Kriemhilde, Fraue mein:
Nach großen Ehren kommen dir
die lieben Brüder dein.” (1764)
Kriemhild die Fraue ging an ein
Fenster stehn
Und schaute nach den
Brüdern, wie nach Freunden Freunde sehn.
Aus ihres Vaters Lande sah sie
manchen Mann.
Als das der König
hörte, der hob vor Lust zu lachen an. (1765)
“Nun wohl mir dieser Freude,” sprach
da Kriemhild,
“Hier bringen meine Freunde gar
manchen neuen Schild
Und Panzer glänzend helle:
Wer nehmen will mein Gold,
Und meines Leids gedenken, dem will
ich immer bleiben hold.” (1766)
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