11. Abenteuer
Wie Siegfried mit
seinem Weibe heimkehrte
Als die Gäste waren gefahren
all davon,
Da sprach zu dem Gesinde
König Siegmunds Sohn:
“Wir wollen auch uns rüsten
zur Fahrt in unser Land.”
Lieb war es seinem Weibe, als das der
Fraue ward bekannt. (711)
* Sie sprach zu ihrem Manne: “Wann
sollen wir fahren?
So sehr dahin zu eilen will ich mich
bewahren:
Erst sollen mit mir teilen meine
Brüder dieses Land.”
Leid war es Siegfrieden, als ers an
Kriemhilden fand. (712)
Die Fürsten zu ihm gingen
und sprachen alle drei:
“Wisset, König Siegfried,
dass euch immer sei
Unser Dienst mit Treue bereit bis in
den Tod.”
Er neigte sich den Degen, da mans so
gütlich ihm erbot. (713)
“Wir wolln auch mit euch teilen,”
sprach Geiselher das Kind.
“Das Land und die Burgen, die unser
eigen sind,
Und was der weiten Reiche uns ist
untertan:
Ihr empfangt mit Kriemhild euer gutes
Teil daran.” (714)
Der Sohn Siegmundens sprach zu den
Fürsten da,
Als er der Herren Willen
hörte und ersah:
“Gott lass euch euer Erde immer
gesegnet sein;
Ich mag es wohl entraten mit der
lieben Frauen mein. (715)
* “Sie bedarf nicht des Teiles, den
ihr ihr wolltet geben:
Wo sie soll Krone tragen, werd ich es
erleben,
Da muss sie reicher werden als wer
auf Erden sei:
Was ihr sonst gebietet, ich steh euch
immer dienstlich bei.” (716)
Da sprach Frau Kriemhilde: “Wenn ihr
mein Land verschmäht
Um die Burgonden-Degen es so gering
nicht steht:
Die mag ein König gerne
führen in sein Land;
Wohl soll sie mit mir teilen meiner
lieben Brüder Hand.” (717)
Da sprach Gernot der Degen: “Nimm die
du willst mit dir:
Die gerne mit dir ritten, du findest
viele hier.
Aus dreißig hundert Recken
nimm dir tausend Mann
Zu deinem Hausgesinde.” Kriemhild zu
senden begann (718)
Nach Hagen von Tronje und nach
Ortewein,
Ob sie und ihre Freunde Kriemhildens
wollen sein?
Darob gewann da Hagen ein
zornigliches Leben:
Er sprach: “Uns kann Herr Gunther in
der Welt an niemand vergeben.” (719)
“Ander Ingesinde nehmt zu eurer
Fahrt:
Ihr werdet ja wohl kennen deren von
Tronje Art.
Wir müssen bei den
Königen am Hofe hier bestehn,
Und denen ferner dienen, deren Dienst
mir stets versehn.” (720)
Sie ließen es bewenden und
schickten sich hindann,
Ihr edel Ingesinde Kriemhild zu sich
gewann,
Zweiunddreißig
Mägdelein und fünfhundert Mann;
Eckewart der Markgraf zog mit
Kriemhilden hindann. (721)
Da nahmen alle Urlaub, Ritter so wie
Knecht,
Mägdelein und Frauen, so war
es gut und recht.
Sie schieden unter Küssen
voneinander unverwandt
Und jene räumten
fröhlich dem König Gunther das Land. (722)
Die Freunde sie geleiteten fern auf
ihren Wegen.
Man ließ allenthalben ihnen
Nachtherberge legen
Wo sie die nehmen wollten in der
Könge Land.
Da wurden bald auch Boten zu
König Siegmund gesandt, (723)
Dass er wissen möge und auch
Frau Siegelind,
Sein Sohn wolle kommen mit Frau Utens
Kind,
Kriemhild der schönen, von Wormes
über Rhein:
Diese Mären konnten ihnen
nicht willkommner sein. (724)
“O wohl mir,” sprach da Siegmund,
“dass ich den Tag soll sehn,
Dass die schöne Kriemhild
hier soll gekrönet gehn!
Das steigert mir im Werte noch all
das Erbe mein:
Mein Sohn Siegfried soll selber hier
König sein.” (725)
Da gb ihnen Sieglind Kleider sametrot
Und schweres Gold und Silber, das war
ihr Botenbrot.
Sie freute sich der Märe,
die man ihr hergesandt;
Sie kleidet' ihr Gesinde mit allem
Fleiß nach seinem Stand. (726)
Man sagte, wer da käme mit
ihm in das Land.
Da ließ sie das
Gestühle errichten gleich zur Hand,
Wo er vor seinen Freunden
gekrönet sollte gehn.
Entgegen ritten ihnen die in
König Siegmunde Lehn. (727)
Wer besser ward empfangen, mir ist es
unbekannt,
Als die Helden wurden in Siegmundens
Land.
Kriemhilden die schöne
Sieglind entgegenritt;
Viel schöner Frauen und
kühner Ritter zogen mit (728)
Wohl eine Tagesreise bis man die
Gäste sah.
Die Heimischen und Fremden litten
Beschwerde da,
Bis sie endlich kamen zu einer Veste
weit,
Die war geheißen Santen, wo
die Krone trugen nach der Zeit. (729)
Mit lachendem Munde Siegmund und
Siegelind
Manche liebe Weile küssten
sie Utens Kind
Und Siegfried den Degen; ihnen war
ihr Leid benommen.
All ihr Ingesinde war ihnen
höchlich willkommen. (730)
Man ließ die Gäste
bringen vor König Siegmunds Saal.
Die schönen Jungfrauen hub
man allzumal
Von den Mähren nieder: Da
war mancher Mann,
Der den schönen Frauen mit
Fleiß zu dienen begann. (731)
* So prächtig ihre Hochzeit
am Rheine war bekannt,
Doch gab man hier den Helden besseres
Gewand
Als sie jemals trugen in allen ihren
Tagen.
Man mochte große Wunder von
ihrem Reichtume sagen. (732)
In hoher Ehren Schimmer hatten sie
genug,
Goldrote Kleider immer ihr Ingesinde
trug:
Edel Gestein und Borten sah man
gewirkt darin.
So verpflag sie fleißig
Sieglind, die edle Königin. (733)
Da sprach von seinen Freunden der
König Siegmund:
“Siegfried Verwandten tu ichs allen
kund,
Er soll vor diesen Recken meine Krone
tragen.”
Die Märe hörten
gerne die von Niederlanden sagen. (734)
Er befahl ihm seine Krone mit Gericht
und Land:
Da war er Herr und König.
Wenn er den Rechtsspruch fand
Und wenn er richten sollte, das wurde
so getan,
Dass man nicht wenig
fürchtete der schönen Kriemhilde Mann. (735)
In diesen hohen Ehren lebt' er, das
ist wahr,
Und richtet' unter Krone an das
zehnte Jahr,
Bis die schöne Fraue ihm
einen Sohn gebar,
Durch den des Königs Sippe
gar höchlich erfreuet war. (736)
Man ließ ihn eilends taufen
und einen Namen nehmen:
Gunther, nach seinem Oheim, des durft
er sich nicht schämen.
Geriet er nach den Freunden, so musst
ihm wohlergehn:
Er ward mit Fleiß erzogen;
so sollt es billig geschehn. (737)
In denselben Zeiten starb Frau
Siegelind:
Da nahm die volle Herrschaft der
edeln Ute Kind,
Wie sie der reichen Frauen geziemte wohl
im Land.
Es ward genug beweinet, dass der Tod
sie hatt entwandt. (738)
Nun hatt auch dort am Rheine, wie wir
hören sagen,
Dem reichen König Gunther
einen Sohn getragen
Brunhild die schöne in
Burgondenland.
Dem Helden zu Liebe ward er Siegfried
genannt. (739)
* Mit welchen Sorgen immer man sein
hüten hieß!
Gunther ihn, der edle, Hofmeistern
ließ,
Die ihn wohl ziehen konnten zu einem
biedern Mann.
Hei, was ihm bald das
Unglück der Verwandten abgewann! (740)
Zu allen Zeiten Märe ward so
viel gesagt,
Wie so lobenswürdig die
Degen unverzagt
Zu allen Stunden lebten in
Siegmundens Land:
So lebt' auch König Gunther
mit seinen Freunden auserkannt. (741)
Das Land der Niebelungen war
Siegfried untertan
(Keiner seiner Freunde je
größer Gut gewann),
Desgleichen Schilbungs Recken und
beider Land und Gut:
Drum stand dem kühnen
Siegfried desto höher der Mut. (742)
Hort den allermeisten, den je ein
Held gewann,
Nach den ersten Herren, besaß
der kühne Mann,
Den vor einem Berge seine Hand erwarb
im Streit:
Er schlug darum zu Tode manchen
Ritter allbereit. (743)
Vollauf besaß er Ehre, und
hätt ers halb entbehrt,
Doch müsste man gestehen dem
edeln Recken wert,
Dass er der Beste wäre, der
je auf Rossen saß.
Man fürchtete seine
Stärke, mit allem Grund tat man das. (744)
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