13. Abenteuer
Wie sie zum Hofgelage
fuhren
All ihr Bemühen lassen wir
nun sein
Und sagen wie Frau Kriemhild und ihre
Mägdelein
Hin zum Rheine fuhren von
Nibelungenland.
Nie trugen Rosse wieder so manches
reiche Gewand. (800)
Viel Saumschreine wurden versendet
auf den Wegen;
Da ritt mit seinen Freunden Siegfried
der Degen
Und die Königstochter in
hoher Freuden Wahn:
Da war es ihnen allen zu
großem Leide getan. (801)
Sie ließen in der Heimat
Siegfrieds Kindelein,
Den Sohn der Kriemhilde; das musste
wohl so sein.
Aus ihrer Hofreise erwuchs ihm viel
Beschwer:
Seinen Vater, seine Mutter er sah das
Kindlein nimmermehr. (802)
Auch ritt mit ihnen dannen Siegmund
der König hehr;
Hätt er ahnen
können, wie es ihm nachher
Beim Hofgelag erginge, er
hätt es nicht gesehn:
Ihm konnt an lieben Freunden
größer Leid nicht geschehn. (803)
Vorausgesandte Boten
verhießen sie bei Zeit:
Entgegen ritten ihnen in herrlichem
Geleit
Von Utens Freunden viele und
König Gunthers Bann:
Der Wirt für seine
Gäste sich zu befleißen begann. (804)
Er ging zu Brunhilden, wo er sie
sitzen fand:
“Wie empfing euch meine Schwester, da
ihr kamet in dies Land?
So will ich, dass ihr Siegfrieds
Gemahl empfangen sollt!”
“Das tu ich,” sprach sie, “gerne: ich
bin ihr billiglich hold.” (805)
Da sprach der reiche König:
Sie kommen morgen früh:
Wollt ihr sie empfangen, so greifet
balde zu,
Dass sie uns in der Veste nicht
überraschen hie:
Mir kamen liebre Gäste wohl
noch niemals als sie.” (806)
Ihre Mägdelein und Frauen
ließ sie da zur Hand
Gute Kleider suchen, die besten, die
man fand,
Die sollt ihr Ingesinde vor den
Gästen tragen:
Das taten sie doch gerne, das mag man
für Wahrheit sagen. (807)
Da eilten auch zu dienen die in
Gunthers Lehn;
Alle seine Recken hieß er
mit sich gehn.
Da ritt die Königsfraue
herrlich hindann;
Da ward den lieben Gästen
ein schönes Grüßes getan. (808)
In wie hohen Freuden da empfing man
sie!
Sie däuchte, dass Kriemhilde
Frau Brunhilden nie
So wohl empfangen habe in
Burgondenland.
Allen die es sahen ward hohe Wonne
bekannt. (809)
Nun war auch Siegfried kommen mit
seiner Leute Heer.
Da sah man die Helden sich wenden hin
und her
Im Feld allenthalben mit
ungezählten Scharen.
Da konnte sich vor Drängen
und Stäuben niemand bewahren. (810)
Als der Wirt des Landes Siegfrieden
sah
Und Siegmund den König, wie
freundlich sprach er da:
“Nun seid mir hochwillkommen und all
den Freunden mein;
Wir wollen hohes Mutes ob eurer
Hofreise sein.” (811)
“Nun lohn euch Gott,” sprach
Siegmund, der ehrbegierge Mann,
“Seit sich euch zum Freunde Siegfried
gewann,
War es all mein Sinnen, wie ich euch
möchte sehn.”
Da sprach der König Gunther:
“Nun freut mich, dass es geschehn.” (812)
Siegfried ward empfangen wie man das
wohl gesollt,
Mit viel großen Ehren; ein
jeder war ihm hold.
Des half mit Rittersitten Gernot und
Geiselher;
Man bot es leiben Gästen so
gütlich wohl nimmermehr. (813)
Nun konnten in der Nähe sich
die Königinnen schaun.
Da sah man Sättel ledig: da
wurden schöne Fraun
Von der Helden Händen
gehoben auf das Gras:
Wer gerne Frauen diente, wie selten
der da müßig saß! (814)
Da gingen zueinander die Frauen
minniglich.
Sehr darüber freuten viel
der Ritter sich,
Dass der Beiden
Grüßen so minniglich erging.
Da sah man manchen Recken der
Frauendienste beging. (815)
Das herrliche Gesinde nahm sich bei
der Hand;
Züchtiglich sich neigen man
da nicht selten fand
Und minniglich sich küssen
viel Frauen wohlgetan.
Das freuten sich zu schauen die in
der Könige Bann. (816)
Sie versäumten sich nicht
länger, sie ritten nach der Stadt.
Der Wirt seinen Gästen zu
beweisen bat,
Dass man sie gerne sähe in
der Burgonden Land.
Manches schöne Kampfspiel
man vor den Jungfrauen fand. (817)
Da ließ von Tronje Hagen und
auch Ortewein,
Wie sie gewaltig waren, wohl
offenkundig sein;
Was sie gebieten mochten, das wurde
gleich getan.
Man sah die lieben Gäste
viel Dienst von ihnen empfahn. (818)
Mancher Schild erhallte vor der Veste
Thor
Von Stichen und von
Stößen. Lange hielt davor
Der Wirt mit seinen Gästen
bevor sie zogen ein:
In Kurzweile mochten die Stunden
rasch zerronnen sein. (819)
Vor den weiten Pallas sie nun in
Freuden ritten.
Viel kunstreiche Decken, gut und wohl
geschnitten,
Sah man von den Sätteln den
Frauen wohlgetan
Allenthalben hangen: Da kamen Diener
heran. (820)
Zu ihrer Ruhe brachte man die
Gäste da.
Hin und wieder blicken man Brunhilden
sah
Nach Kriemhild der Frauen;
schön war sie genug:
Den Glanz noch vor dem Golde ihre
hehre Farbe trug. (821)
Da vernahm man allenthalben zu Wormes
in der Stadt
Den Jubel des Gesindes,
König Gunther bat
Dankwarten seinen Marschall, er
mög es wohl verpflegen:
Da ließ er das Gesinde in
gute Herbergen legen. (822)
Draußen und darinnen
beköstigte man sie:
So wohl gewartet wurde fremder
Gäste nie.
Was einer wünschen mochte,
das war ihm gern gewährt:
So reich war der König, es
wurde keinem was verwehrt. (823)
Man dient' ihnen freundlich und ohn
allen Hass.
Der König zu Tische mit
seinen Gästen saß;
Siegfrieden ließ man sitzen
wie er sonst getan.
Mit ihm ging zu den Stühlen mancher
waidliche Mann. (824)
Zwölfhundert Recken sich an
die Tafel hin
Mit ihm zu Tische setzten: Brunhild
die Königin
Gedachte, wie ein Dienstmann nicht
reicher möge sein.
Noch war sie ihm so günstig,
sie ließ ihn gerne gedeihn. (825)
An jenem Abende, da so der
König saß,
Viel reiche Kleider wurden da vom
Weine nass;
Wenn die Schenken sollten zu den
Tischen gehn,
Da sah man volle Dienste mit
großem Fleiße geschehn. (826)
Wie bei den Gelagen immer Sitte mochte
sein,
Ließ man zur Ruhe gehen
Fraun und Mägdelein.
Von wannen wer gekommen, der Wirt ihm
Sorge trug:
In gütlichen Ehren gab man
da jedem genug. (827)
Als die Nacht zu Ende, sich hob des
Tages Schein,
Da sah man aus den Kisten manchen Edelstein
Auf gutem Kleid erglänzen;
das schuf der Frauen Hand.
Da ward hervorgesuchet manches
schöne Gewand. (828)
Bevor es völlig tagte, da
kamen vor den Saal
Ritter viel und Knechte: da hob sich
wieder Schall
Vor einer Frühmesse, die man
dem König sang.
So ritten junge Helden, der
König sagt' ihnen Dank. (829)
Da klangen die Posaunen von manchem
kräftgen Stoß;
Der Flöten und Trommeten
Schallen ward so groß,
Worms die weite Veste gab lauten
Widerhall.
Da kamen auf den Rossen die
kühnen Helden überall. (830)
Da hob sich in dem Lande ein hohes
Ritterspiel
Von manchem guten Recken: Da sah man
ihrer viel,
Deren junge Herzen füllte
froher Mut.
Man sah da unter Schilden viel Ritter
zierlich und gut. (831)
Da saß in den Fenstern manch
herrliches Weib
Und viel der schönen Maide:
Gezieret war ihr Leib.
Da sahen sie turnieren manchen
kühnen Mann:
Der Wirt mit seinen Freunden zu
reiten selber begann. (832)
So vertrieben sie die Weile, die
däuchte sie nicht lang.
Da lud sie zum Dome mancher
Glockenklang:
Den Frauen kamen Rosse, da ritten sie
hindann;
Den edeln Königinnen folgte
mancher kühne Mann (833)
Sie stiegen vor dem Münster
nieder auf das Gras.
Noch hegte zu den Gästen
Brunhilden keinen Hass.
Sie gingen unter Krone in das
Münster weit:
Bald schied sich diese Liebe: Das
wirkte heftiger Neid. (834)
Da sie gehört die Messe, sah
man sie weiter ziehn
Unter hohen Ehren. Sie gingen heiter
hin
Zu des Königs Tischen. Ihre
Freude nicht erlag
Bei diesen Lustbarkeiten bis gegen
den elften Tag. (835)
* Die Königin gedachte: “Ich
wills nicht länger tragen.
Wie ich es fügen
möge, Kriemhilde muss mir sagen
Warum uns doch so lange den Zins
versaß ihr Mann:
Der ist doch unser Eigen: Der Frag
ich nicht entraten kann.” (836)
* So harrte sie der Stunde, bis es
der Teufel riet,
Dass sie das Hofgelage und die Lust
mit Leide schied.
Was ihr lag am Herzen, zu
früh nur musst es kommen:
Drum ward in manchen Landen durch sie
viel Jammer vernommen. (837)
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