2. Abenteuer
Von Siegfrieden
Da wuchs im Niederlande eines reichen
Königs Kind
(Siegmund hieß sein Vater,
seine Mutter Siegelind),
In einer reichen Veste, weithin
wohlbekannt,
Unten an dem Rheine, Santen war sie
genannt. (20)
Ich sag euch von dem Degen, wie so
schön er ward.
Er war vor allen Schanden immer wohl
bewahrt.
Stark und hohes Namens ward bald der
kühne Mann:
Hei! Was er großer Ehren auf
dieser Erde gewann! (21)
Siegfried war geheißen der
selbe Degen gut.
Er besuchte viel der Reiche in
hochbeherztem Mut.
Durch seine Stärke ritt er
in manches fremde Land:
Hei! Was er schneller Degen bei den
Burgonden fand! (22)
* Bevor der kühne Degen ganz
erwuchs zum Mann,
Da hatt er solche Wunder mit seiner
Hand getan,
Davon man immer wieder singen mag und
sagen:
Wir müssten viel
verschweigen von ihm in heutigen Tagen. (23)
In seinen besten Zeiten, bei seinen
jungen Tagen,
Mochte man viel Wunder von
Siegfreiden sagen,
Was Ehren an ihm wuchsen und wie so
schön sein Leib:
Drum dachte sein in Minne manches
waidliche Weib. (24)
Sie erzogen ihn so fleißig
als ihm geziemend war;
Was ihm hoher Tugenden der eigne Sinn
gebar!
Davon ward noch gezieret seines
Vaters Land,
Dass man zu allen Dingen ihn so recht
herrlich erfand. (25)
Er war nun so erwachsen, um auch an
Hof zu gehn.
Die Leute sahn ihn gerne; viel Fraun
und Mädchen schön
Wünschten wohl, er
käme dahin nur immerdar;
Hold waren ihm so manche, des ward
der Degen wohl gewahr (26)
Selten ohne Hüter man reiten
ließ das Kind.
Mit Kleidern hieß ihn zieren
Siegmund und Siegelind;
Auch pflegten sein die Weisen, denen
Ehre war bekannt:
Drum mocht er wohl gewinnen die Leute
und auch das Land. (27)
Nun war er in der Stärke, dass
er wohl Waffen trug:
Wes er dazu bedurfte, des gab man ihm
genug.
Schon warben ihm die Sinne um manches
schöne Weib:
Die minnten wohl mit Ehren des
schönen Siegfriedes Leib. (28)
Da ließ sein Vater Siegmund
verkünden seinem Bann,
Er stell ein Hofgelage mit lieben
Freunden an.
Da brachte man die Märe in
andrer Könge Land;
Den Heimischen und Fremden gab er da
Ross und Gewand. (29)
Wen man finden mochte, der Ritter
sollte sein
Gemäß der Eltern
Stande, die edeln Junker fein
Lud man nach dem Lande zu dem
Hofgelag,
Wo sie das Schwert empfingen mit
Siegfried an einem Tag. (30)
Man möchte Wunder sagen von
der Lustbarkeit.
Siegmund und Siegelinde gewannen zu
der Zeit
Viel Ehre durch die Gaben, die
spendet' ihre Hand:
Drum sah man viel der Fremden zu
ihnen reiten in das Land. (31)
Vierhundert Schwertdegen sollten
gekleidet gehn
Neben Siegfrieden. Da war manch
Mägdlein schön
An dem Werk geschäftig, denn
jede war ihm hold.
Viel edle Steine legten die Frauen da
in das Gold, (32)
Die sie mit Borten wollten wirken ins
Gewand
Den jungen stolzen Recken; des war da
viel zur Hand.
Der Wirt ließ Sitze bauen
für manchen kühnen Mann
Zu der Sonnenwende, wo Siegfried
Ritters Stand gewann. (33)
Da ging zu einem Münster
mancher reiche Knecht
Und mancher edle Ritter. Die Alten
taten recht,
Dass sie den Jungen dienten, wie
ihnen einst geschah:
Sie fanden Kurzweile und genug der
Freuden da. (34)
Gott man da zu Ehren eine Messe sang.
Da hub sich von den Leuten ein
gewaltger Drang,
Als sie zu Rittern wurden dem
Ritterbrauch gemäß
Mit also hohen Ehren, so leicht nicht
wieder geschähs. (35)
Sie gingen wo sie fanden
gezäumter Rosse viel.
In Siegmunds Hofe wurde so
groß das Ritterspiel,
Dass man ertosen hörte
Pallas und Saal.
Die hochbeherzten Degen begannen
größlichen Schall. (36)
Von Alten und von Jungen mancher
Stoß erklang,
Als der Schäfte Brechen in
die Lüfte drang.
Die Splitter sah man fliegen bis zum
Saal hinan
Aus manches Recken Händen:
das wurde fleißig getan. (37)
Der Wirt bat es zu lassen. Man zog
die Rosse fort:
Wohl sah man auch zerbrochen viel
starke Schilde dort
Und viel der edeln Steine auf das
Gras gefällt
Von des lichten Schildes Spangen: Die
hatten Stöße zerschellt. (38)
Des Wirtes Gäste folgten,
als man zu Tische lud:
Sie schied von ihrer Müde
viel edle Speise gut,
Und Wein der allerbeste, des man die
Fülle trug.
Den Heimischen und Fremden bot man
Ehren da genug. (39)
So viel sie Kurzweile gehabt den
ganzen Tag,
Das fahrende Gesinde doch keiner Ruhe
pflag:
Sie dienten um die Gabe, die man da
reichlich fand;
Des ward mit Lob gezieret
König Siegmunds ganzes Land. (40)
Da ließ der Herr verleihen
Siegfried, den jungen Mann,
Das Land und die Burgen, wie sonst er
selbst getan.
Seinen Schwertgenossen gab viel da
seine Hand:
So freute sie die Reise, die sie
getan in das Land. (41)
Das Hofgelage währte bis an
den siebten Tag.
Sieglind die reiche der alten Sitten
pflag,
Dass sie dem Sohn zuliebe verteilte
rotes Gold:
sie mocht es wohl verdienen, dass ihm
die Leute waren hold. (42)
Da war gar bald kein armer Fahrender
mehr im Land.
Ihnen stoben Kleider und Rosse von
der Hand,
Als hätten sie zu leben
nicht mehr denn einen Tag.
Man sah nie Ingesinde, das so
großer Milde pflag. (43)
Mit preiswerten Ehren zerging die
Lustbarkeit.
Man hörte wohl die Reichen
sagen nach der Zeit,
Dass sie dem Jungen gerne
wären untertan;
Doch wollte das nicht Siegfried, der
viel tugendreiche Mann. (44)
So lang noch beide lebten, Siegmund
und Siegelind,
Nicht wollte Krone tragen der beiden
liebes Kind;
Doch wollt er herrlich wenden alle
die Gewalt,
Die in den Landen fürchtete
der Degen kühn und wohlgestalt. (45)
* Ihn durfte niemand schelten: seit
er die Waffen nahm,
Pflag er der Ruh nur selten, der
Recke lobesam.
Er suchte nur zu streiten, und seine
starke Hand
Macht' ihn zu allen Zeiten in fremden
Landen wohlbekannt. (46)
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