32. Abenteuer
Wie Blödel
erschlagen ward
Blödels Recken standen
gerüstet allzumal.
In tausend Halsbergen ereilten sie
den Saal,
Wo Dankwart mit den Knechten an den
Tischen saß:
Da hob sich unter Helden der
allergrößeste Hass. (1983)
Als der Degen Blödel zu den Tischen
ging,
Dankwart der Marschall mit
Gruß ihn wohl empfing;
“Willkommen hier im Hause, mein Herre
Blödelein;
Mich wundert euer Kommen: Sagt, was
soll die Märe sein?” (1984)
“Heiß mich nicht
willkommen,” sprach da Blödelein;
“Denn dieses mein Kommen, das soll
dein Ende sein
Um Hagen deinen Bruder, der
Siegfrieden schlug:
Das entgiltst du bei den Heunen und
andre Degen genug.” (1985)
“Nicht doch, Degen Blödel,”
sprach da Dankwart,
“So möchte bald uns reuen zu
Hofe diese Fahrt.
Ich war ein Kind, als Siegfried Leben
ließ und Leib:
Nicht weiß ich was mir wolle
dem König Etzel sein Weib.” (1986)
“Ich weiß dir von der
Märe weiter nichts zu sagen;
Es tatens deine Freunde, Gunther und
Hagen.
Nun wehrt euch, ihr Armen, ihr
könnt nicht länger leben;
Ihr müsst mit dem Tode ein
Pfand hier Kriemhilden geben.” (1987)
“Lasst ihrs nicht unterbleiben,”
sprach da Dankwart,
“So gereut mich meines Flehens:
Hätt ich das gespart!”
Der schnelle kühne Degen von
dem Tische sprang:
Er zog eine Waffe, die war gewaltig
und lang. (1988)
Damit schlug er Blödeln
einen schwinden Schwertesschlag,
Dass ihm das Haupt zur Stelle vor den
Füßen lag.
“Das sei die Morgengabe,” sprach Dankwart
der Degen,
“Zu Nudungens Witwe, der du mit Minne
wolltest pflegen. (1989)
Vermähle man sie morgen
einen andern Mann:
Will er den Lohn erwerben, wird ihm
wie dir getan.”
Ein vielgetreuer Heune hatt ihm das
gesagt,
Wie die Königstochter ihr großes
Leid ihm geklagt. (1990)
Da sahen Blödels Leute, ihr
Herr sei erschlagen;
Sie wollten von den Gästen
das länger nicht ertragen:
MIt aufgehobnen Schwertern drang auf
sie ein
Das Volk in grimmem Mute; das musste
manchen gereun. (1991)
Laut rief da Dankwart sein
Heergesinde an:
“Ihr seht wohl, edle Knechte, es ist
um uns getan:
Nun wehrt euch, ihr Armen;
fürwahr, das tut uns Not,
Damit ihr ohne Schanden erliegt in
wehrlichem Tod.” (1992)
Die keine Schwerter hatten, die griffen
nach der Bank,
Und hoben von den
Füßen manchen Schemel lang;
Die Burgondenknechte wollten nichts
ertragen:
Da ward mit schweren Stühlen
gar manche Beute geschlagen. (1993)
Wie grimm die Heimatlosen sich
wehrten in dem Strauß!
Sie trieben zu dem Hause die
Gewaffneten hinaus:
Fünfhundert oder
drüber erlagen drin den Tod.
Da war das Heergesinde vom Blute nass
und auch rot. (1994)
Diese schlimme Botschaft drang in
kurzer Zeit
Zu Königs Etzels Recken
(ihnen war es grimmig leid),
Dass erschlagen liege Blödel
und sein Bann:
Das hatte Hagens Bruder mit seinen
Knechten getan. (1995)
Eh es der König
hörte stand schon ein Heunenheer
In seinem Zorn gerüstet,
zweitausend oder mehr:
Sie gingen zu den Knechten, wohl
musst es also sein,
Und ließen des Gesindes
nicht einen länger gedeihn. (1996)
Die Ungetreuen brachten vor das Haus
ein mächtig Heer:
Die heimatlosen Knechte standen wohl
zur Wehr.
Was half da Kraft und
Kühnheit? Sie fanden doch den Tod.
Darauf nach kurzer Weile erhob sich
schreckliche Not. (1997)
Nun mögt ihr Wunder
hören von Ungeheuerm sagen:
Neuntausend Knechte, die lagen tot
erschlagen,
Darüber zwölf
Ritter in Dankwartens Lehn;
Man sah ihn ganz alleine unter seinen
Feinden stehn. (1998)
Beschwichtigt war das Schallen, der
Lärm war eingestellt,
Über die Achsel blickte
Dankwart der Held:
Er sprach: “O weh der Freunde, die
ich fallen sah!
Nun steh ich leider einsam unter
meinen Feinden da.” (1999)
Die Schwerter fielen heftig auf des
einen Leib:
Das musste bald beweinen manches
Helden Weib.
Den Schild rückt' er
höher, den Riemen ließ er nieder:
Da färbt' er viel Harnische
mit fließendem Blute wieder. (2000)
“O weh mir dieses Leides!”, sprach
Aldrianens Kind.
“Nun weicht, ihr Heunenrecken und
lasst mich an den Wind,
Dass die Lüfte
kühlen mich sturmmüden Mann.”
Da drang er auf die Türe
unter Schlägen herrlich an. (2001)
Als der Streitmüde aus dem
Hause sprang,
Wie manches Schwert von neuem auf
seinem Helm erklang!
Die nicht gesehen hatten die Wunder
seiner Hand,
Die sprangen da entgegen dem aus
Burgondenland. (2002)
“Nun wollte Gott,” sprach Dankwart,
“dass mir ein Bote käm,
Durch den mein Bruder Hagen diese
Mär vernähm,
Dass ich vor diesen Recken steh in
solcher Not.
Der hülfe mir von hinnen
oder fände mit den Tod.” (2003)
Da sprachen die Heunen: “Der Bote
musst du sein,
Wenn wir dich Toten tragen vor den
Bruder dein:
Dann sieht sein erstes Herzeleid
Gunthers Untertan.
Du hast den König Etzel hier
großen Schaden getan.” (2004)
Er sprach: “Nun lasst das Drohen und
weichet desto mehr.
Wohl mach ich hier noch manchem den
Panzer nass und schwer
Ich will die Märe selber hin
zu Hofe tragen,
Und will auch meinen Herren meinen
großen Kummer klagen.” (2005)
Er machte sich so furchtbar dem Volk
in Etzels Lehn,
Dass sie ihn mit Schwertern nicht
wagten zu bestehn:
Sie schossen so viel Spieße
in seinen Schildesrand,
Er musst ihn seiner Schwere wegen
lassen aus der Hand. (2006)
Sie wähnten ihn zu zwingen,
weil er den Schild nicht trug,
Hei, was er tiefer Wunden durch die
Helme schlug!
Da musste vor ihm straucheln mancher
kühne Mann,
Dass sich viel hohen Lobes der
kühne Dankwart gewann. (2007)
Von beiden Seiten sprangen die Gegner
auf ihn zu;
Wohl kamen ihrer manche in den Streit
zu früh
Da ging er vor den Feinden her, wie
ein Eberschwein
Im Walde tut vor Hunden: Wie mocht er
wohl kühner sein? (2008)
Sein Weg ward immer wieder
genässt mit heißem Blut:
Konnte je alleine ein Recke wohl so
gut
Mit seinen Feinden streiten, als der
Held getan?
Da schritt Hagens Bruder nach Hofe
herrlich heran. (2009)
Die Truchsess und die Schenken
vernahmen Schwerterklang:
Gar mancher die Getränke aus
den Händen schwang,
Oder auch die Speisen, die man zu
Hofe trug:
Da fand er vor der Stiege der starken
Feinde genug. (2010)
“Wie nun, ihr Truchsesse?”, sprach
der müde Degen,
“Nun solltet ihr die Gäste
fleißiglich verpflegen,
Und solltet zu den Tischen die gute
Speise tragen
Und ließet mich die
Märe meinen lieben Herren sagen.” (2011)
Wer da den Mut gewonnen und vor die
Stieg ihm sprang,
Deren schlug er manchen so schweren
Schwertesschwang,
Dass ihm aus Schreck die andern
ließen freie Bahn:
Da hatten seien Kräfte viel
große Wunder getan. (2012)
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