38. Abenteuer
Wie Dietrichens Recken
erschlagen wurden
Der Jammer allenthalben zu solchem
Maße schwoll,
Dass von dem Wehrufe Pallas und Turm
erscholl.
Da vernahm es auch ein Berner aus
Dietrichens Bann:
Der schweren Botschaft willen, wie
kam er eilig heran! (2303)
Er sprach zu dem Fürsten:
“Hört mich, Herr Dieterich,
Was ich je erlebte, so herzensjämmerlich
Hört ich niemals klagen als
ich jetzt vernahm:
Ich fürchte, dass der
König nun selber zu der Hochzeit kam. (2304)
“Wie wären sonst die Leute
all in solcher Not?
Der König oder Kriemhild,
davon ward eins dem Tod
Von den kühnen
Gästen in ihrem Zorn gesellt;
Es weint
übermäßig gar mancher zierliche Held.” (2305)
Da sprach der Vogt von Berne: “Ihr
Getreun in meinem Bann,
Seid nicht allzu schnelle: Was hier
auch ward getan
Von den Heimatlosen, sie zwang dazu
die Not:
Nun lasst sie des genießen,
dass ich ihnen Frieden bot.” (2306)
Da sprach der kühne
Wolfhart: “Lasst mich zum Saale gehn,
Der Märe nachzufragen was da
ist geschehn:
Ich will euch dann berichten, viel
lieber Herre mein,
Wenn ich es dort erkunde, was der
Klage Grund möge sein.” (2307)
Da sprach der Herre Dietrich: “Wenn
man sich Zorns versieht,
Und ungestümes Fragen zur
Unzeit dann geschieht,
Das betrübt den Recken
leicht den hohen Mut
Darum will ich, Wolfhart, nicht dass
ihr die Frage tut.” (2308)
Da schickt' er Helfrichen hinaus, den
edeln Mann,
Ob er erkunden möge bei
König Etzels Bann
Oder bei den Gästen, was da
sei geschehn.
Man hatte nie bei Leuten so
großen Jammer gesehn. (2309)
Der Bote fragte balde: “Was ist hier
geschehn?”
Da sprach darunter einer: “Nun musst
uns gar zergehn
Der Trost, der uns geblieben noch war
in Heunenland:
Hier liegt erschlagen
Rüdiger von der Burgonden Hand. (2310)
Nicht einer ist entronnen, der mit
ihm ging hinein.”
Das konnte Helfrichen nimmer leider
sein.
Nie hört' er üblere
Märe als er hier empfing:
Mit weinenden Augen der Bote hin zu
Dietrich ging. (2311)
“Was bringt ihr uns für
Kunde?”, sprach da Dieterich;
“Was weint ihr so heftig, Degen
Helferich?”
Da sprach der edle Recke: “Wohl hab
ich Grund zu klagen:
Rüdger liegt, der Gute von
den Burgonden erschlagen.” (2312)
Da sprach der Held von Berne: “Das
wolle nimmer Gott:
Eine starke Rache wär es und
des Teufels Spott.
Wie hätt an ihnen
Rüdiger verdient solchen Sold?
Ich weiß zu wohl die Kunde,
er ist den Fremdlingen hold.” (2313)
Da versetzte Wolfhart: “Und
wär es doch geschehn,
So müsst es ihnen allen an
das Leben gehn.
Wenn wirs ertragen wollten, es
brächt uns Schand und Spott,
Da uns so große Dienste der
gute Rüdiger bot.” (2314)
Der Vogt von Amelungen erfragt' es
gern noch mehr.
Er saß in einem Fenster, ihm
war das Herz so schwer.
Da ließ er Hildebranden zu
den Gästen gehn,
Von ihnen zu erfragen was da
wäre geschehn. (2315)
Der sturmkühne Recke,
Meister Hildebrand,
Weder Schild noch Waffen trug er an
der Hand.
Er wollte ganz in Frieden zu den
Gästen gehn:
Von seiner Schwester Kinde musst er
sich getadelt sehn. (2316)
Da sprach der grimme Wolfhart: “Geht
ihr dahin so bloß,
So kommt ihr ungescholten nimmer
wieder los:
Ihr kehrt mit großen
Schanden zurück von eurer Fahrt;
Geht ihr dahin in Waffen, so seid ihr
besser bewahrt.” (2317)
Da gürtete der Alte sich
nach des Jungen Rat.
Eh ers inne wurde standen in ihrem
Staat
Alle Recken Dietrichs, die Schwerter
in der Hand.
Leid war das dem Helden, er
hätt es gern noch abgewandt. (2318)
Er frug, wohin sie wollten: Wie
wollen mit euch hin:
Ob von Tronje Hagen auch dann wohl
ist so kühn,
Mit Spott zu euch zu reden wie ihm zu
tun gefällt?”
Als er die Rede hörte,
erlaubt' es ihnen der Held. (2319)
Da sah der kühne Volker wohl
gewaffnet gehn
Die Recken von Berne in Dietrichens
Lehn,
Die Schwerter umgegürtet,
die Schilde vor der Hand:
Er sagt' es seinen Herren aus der
Burgonden Land. (2320)
Da sprach der Fiedelspieler: “Von
dorther seh ich nahn
Recht in Feindesweise die in
Dietrichs Bann,
Gewaffnet unter Helmen: Sie wollen
uns bestehn.
Nun wird es an das Üble mit
uns Fremdlingen gehn.” (2321)
Es währte nicht mehr lange,
so kam auch Hildebrand:
Er setzte vor die
Füße seinen Schildesrand
Und begann zu fragen die in Gunthers Bann:
“O weh, ihr guten Helden, was hat
euch Rüdiger getan? (2322)
Mich hat mein Herre Dietrich her zu
euch gesandt,
Ob erschlagen liege, Helden, von
eurer Hand
Dieser edle Markgraf wie man uns gab
Bescheid?
Wir könnten nicht verwinden
also schweres Herzeleid. (2323)
Da sprach von Tronje Hagen: “Die
Mär ist nicht erlogen
So gern ichs euch auch
gönnte, wärt ihr damit betrogen,
Rüdigern zu Liebe: Dann
wär er noch am Leben,
Um welchen Fraun und Männer
Klage nie genug erhoben.” (2324)
Als sie das vernahmen,
Rüdiger sei tot,
Da beklagten ihn die Recken wie die
Treue das gebot.
Dietrichens Recken sah man die
Tränen gehn
Über Bart zum Kinne; viel
Leid war ihnen geschehn. (2325)
Da sprach der Herzog Siegstab aus dem
Bernerland:
“O weh, dass all die Liebe hier ein
Ende fand,
Die uns erwiesen Rüdiger
nach unsers Leides Tagen:
Der Trost der Heimatlosen liegt von
euch Helden hier erschlagen.” (2326)
Da sprach von Amelungen der Degen
Wolfwein:
“Und säh ich heut erschlagen
den eignen Vater mein,
Nicht mehr möcht ich weinen
als um seinen Leib:
O weh, wer soll nun trösten
des guten Markgrafen Weib?” (2327)
Da sprach im Zornmute der Degen
Wolfhart:
“Wer leitet nun die Recken auf
mancher Heeresfahrt,
Wie von dem Markgrafen so oft
geschehen ist?
O weh, viel edler Rüdiger,
dass du uns so verloren bist!” (2328)
Helfrich und Wolfbrand und auch
Helmnot
Mit allen ihren Freunden beweinten
seinen Tod.
Da mochte nicht mehr fragen vor
Seufzen Hildebrand;
Er sprach: “Nun tut, ihr Degen, warum
mein Herr uns hergesandt. (2329)
“Gebt uns den toten Rüdiger
aus dem Saal,
An dem all unsre Freude erlitt den
Jammerfall.
Lasst uns ihm hier vergelten was er
an uns getan
Mit so großer Treue, und an
manchem andern Mann. (2330)
Wir sind hier Fremdlinge wie
Rüdiger der Degen.
Wie lang lasst ihr uns warten? Lasst
uns ihn aus den Wegen
Tragen, und im Tode lohnen noch dem
Mann:
Wir hätten es wohl billig
bei seinem Leben getan.” (2331)
Da sprach der König Gunther:
“Nie war ein Dienst so gut
Als den ein Freund dem Freunde nach
dem Tode tut.
Das nenn ich stete Treue, wer das
leisten kann:
Ihr lohnet ihm billig, er hat euch
Liebes getan.” (2332)
“Wie lange sollen wir flehen?”,
sprach Wolfhart der Degen.
“Da unser Trost der Beste erlag von
euern Schlägen,
Und wir ihn nun leider nicht
länger mögen haben,
Lasst uns ihn hinnen bringen, dass
wir den Recken begraben.” (2333)
Zur Antwort gab ihm Volker: “Niemand
bringt ihn euch:
Holt ihn aus dem Hause, wo der Degen
reich
Mit tiefen Todeswunden niedersank ins
Blut:
So sind es volle Dienste, die ihr an
Rüdigern tut.” (2334)
Da sprach der kühne
Wolfhart: “Gott weiß, Herr Fiedelmann,
Ihr dürft uns nicht noch
reizen; ihr habt uns Leid getan.
Dürft ichs vor meinem
Herren, so kämt ihr drum in Not;
Doch müssen wir es lassen,
weil er den Streit uns verbot.” (2335)
Da sprach der Fiedelspieler: “Der
fürchtet sich zu viel,
Der was man ihm verbietet alles
lassen will:
Das kann ich nimmer heißen
rechten Heldenmut.”
Die Rede däuchte Hagen von
seinem Heergesellen gut. (2336)
“Wollt ihr den Spott nicht lassen,”
fiel ihm Wolfhart ein,
“Ich verstimm euch so die Saiten,
dass ihr noch am Rhein,
Wenn je ihr heimreitet, habt davon zu
sagen.
Euer Überheben mag ich mit
Ehren nicht ertragen.” (2337)
Da sprach der Fiedelspieler: “Wenn
ihr den Saiten mein
Die guten Töne raubtet,
eures Helmes Schein
Müsste trübe werden
dabei von meiner Hand,
Wie ich auch reiten möge in
der Burgonden Land.” (2338)
Da wollt er zu ihm springen; doch war
nicht frei die Bahn:
Hildebrand sein Oheim hielt ihn mit
Kräften an:
“Ich sehe, du willst wüten
in deinem dummen Zorn:
Nun hätten wir auf immer
meines Herrn Huld verlorn.” (2339)
“Lasst los den Leuen, Meister, er ist
so verwegen;
Doch kommt er mir zu nahe,” sprach
Volker der Degen,
“Hätt er mit seinen
Händen die ganze Welt erschlagen,
Ich schlag ihn, dass er ein Widerwort
nimmer wieder weiß zu sagen.” (2340)
Darob erzürnte heftig den
Bernern der Mut.
Den Schild rückte Wolfhart,
ein schneller Degen gut:
Gleich einem wilden Leuen lief er auf
ihn an;
Die Schar seiner Freunde ihm rasch zu
folgen begann. (2341)
Mit weiten Sprüngen setzt'
er bis vor des Saales Wand,
Doch ereilt' ihn vor der Stiege der
alte Hildebrand:
Er sollte vor ihm selber nicht kommen
in den Streit.
Zu ihrem Willen fanden sie die
Gäste gern bereit. (2342)
Zu Hagen von Tronje sprang Meister
Hildebrand:
Man hörte Schwerter klingen
beiden an der Hand.
Sie waren sehr im Zorne das zeigte
sich geschwind:
Von der Helden Schwertern ging ein
feuerroter Wind. (2343)
Doch wurden sie geschieden in des
Streites Not,
Das taten die von Berne wie ihr Mut
gebot.
Da wandte sich von Hagen Meister
Hildebrand:
Da kam der starke Wolfhart auf den
kühnen Volker gerannt. (2344)
Er schlug den Fiedelspieler auf des
Helmes Schein,
Dass des Schwertes Schärfe
drang auf die Spangen ein.
Das vergalt mit Kräften der
kühne Fiedelmann;
Da schlug er Wolfharten, dass er zu
straucheln begann. (2345)
Feuers aus den Panzern hieben sie
genug;
Grimmen Hass jedweder zu dem andern
trug.
Da schied sie von Berne der Degen
Wolfwein;
Wär er kein Held gewesen, so
konnt es nimmermehr sein. (2346)
Gunther der Degen mit kampfbereiter
Hand
Empfing die starken Helden aus
Amelungenland.
Geiselher der Herre, die lichten
Helme gut
Macht' er in dem Sturme manchem nass
und rot von Blut. (2347)
Dankwart, Hagens Bruder, war ein
grimmer Mann:
Was er zuvor im Streite Herrliches
getan
An König Etzels Recken,
schien alles nur ein Wind:
Nun erst begann zu toben des
kühnen Aldrians Kind. (2348)
Ritschart und Gerbart, Helfrich und
Wichart,
In manchen Stürmen hatten
die selten sich gespart:
Das ließen sie wohl schauen
die in Gunthers Lehn.
Da sah man Wolfbranden auch im Sturme
herrlich gehn. (2349)
Da focht als ob er wüte der
alte Hildebrand.
Viel gute Recken mussten vor
Wolfhartens Hand
Auf den Tod getroffen sinken in das
Blut:
So rächten Rüdgers
Wunden diese Recken kühn und gut. (2350)
Da focht der Herzog Siegstab wie ihm
der Mut gebot:
Hei! Was guter Helme brach in des
Sturmes Not
Den Feinden gegenüber
Dietrichens Schwestersohn!
Er konnt in dem Sturme nicht
gewaltiger drohn. (2351)
Volker der starke, als er das ersah,
Wie Siegstab der kühne aus
harten Panzern da
Bäche Blutes lockte, der
Held geriet in Zorn:
Er sprang ihm hin entgegen: Gar bald
da hatte verlorn (2352)
Von dem Fiedelspieler das Leben
Siegestab:
Volker ihm solche Proben seiner
Künste gab,
Er fiel von seinem Schwerte nieder in
den Tod.
Der alte Hilbrand rächte das
wie ihm sein Eifer gebot. (2353)
“O weh des lieben Herren,” sprach
Meister Hildebrand,
“Der uns hier erschlagen liegt von
Volkers Hand:
Nun soll der Fiedelspieler auch
länger nicht gedeihn.”
Hildebrand der kühne, wie
mocht er grimmiger sein? (2354)
Da schlug er so auf Volker, dass von
des Helmes Band
Die Splitter allwärts stoben
bis zu des Saales Wand,
Vom Helm und auch vom Schilde, dem
kühnen Fiedelmann:
Davon der starke Volker nun auch sein
Ende gewann. (2355)
Als Dietrichs Heergesinde zu dem
Streite drang,
Da schlug es, dass in Stücke
mancher Panzer sprang,
Und man der Schwerter Enden hoch
fliegen sah
Sie holten aus den Helmen
heiße Bäche Blutes da. (2356)
Da sah von Tronje Hagen Volker den
Degen tot:
Das war beim Hofgelage die
allergrößte Not,
Die er gewonnnen hatte an Freund und
Untertan:
O weh, wie grimmig Hagen den Freund
zu rächen begann! (2357)
“Des soll mir nicht genießen
der alte Hildebrand:
Mein Gehilfe liegt erschlagen von des
Helden Hand Hand,
Der beste Heergeselle, den ich je
gewann.”
Den Schild rückt' er
höher, so ging er hauend hindann. (2358)
Helfrich der starke Dankwarten
schlug:
Geiselhern und Gunthern war es leid
genug,
Als sie ihn fallen sahen in der
starken Not;
Doch hatten sein Hände wohl
vergolten seinen Tod. (2359)
* So viel aus manchen Landen hier
Volks versammelt war,
Viel Fürsten
kraftgerüstet gegen die kleine Schar,
Wären die Christenleute
nicht wider sie gewesen,
Durch ihre Tugend mochten sie vor
allen Heiden wohl genesen. (2360)
Derweilen schuf sich Wolfhart hin und
wieder Bahn.
Alles niederhauend was Gunthern
untertan;
Er machte nun schon dreimal die Runde
durch den Saal:
Da fiel vor seinen Händen
gar mancher Recke zu Tal. (2361)
Da rief der Herre Geiselher
Wolfharten an:
“O weh, dass ich so grimmen Feind je
gewann!
Kühner Ritter edel, nun
wende dich hieher!
Dem helf ich an ein Ende, ich ertrag
es länger nicht mehr.” (2362)
Zu Geiselhern wandte sich Wolfhart in
den Streit.
Da schlugen sich die Recken wohl
manche Wunde weit;
Mit solchem Ungestüme er zu
dem König drang,
Dass unter seinen
Füßen übers Haupt das Blut ihm sprang. (2363)
Mit schnellen grimmen
Schlägen der schönen Ute Kind
Empfing da Wolfharten, den Helden
hoch gesinnt.
Wie stark auch war der Degen, er
konnte nicht gedeihn.
Ein so junger König mochte
nimmer kühner sein. (2364)
Da schlug er Wolfharten durch einen
Harnisch gut,
Dass ihm aus der Wunde niederschoss
das Blut:
Er verwundete zum Tode den in
Dietrichs Bann;
Wohl musst er sein ein Recke, der
solche Werke getan. (2365)
Als der kühne Wolfhart die
Wund an sich empfand,
Den Schild ließ er fallen:
Da schwang er in der Hand
Eine starke Waffe; scharf war die
genug:
Durch Helm und Panzerringe der Held
da Geiselhern schlug. (2366)
Das grimme Ende hatten die zwei sich
angetan.
Da lebte niemand weiter von
Dietrichens Bann.
Hildebrand der Alte Wolfharten fallen
sah:
Fürwahr, vor seinem Tode
solch Leid ihm nimmer geschah. (2367)
Gestorben waren alle die aus Gunthers
Land
Und Dietrichens Helden. Dahin ging
Hildebrand,
Wo Wolfhart war gefallen nieder in
sein Blut:
Er umschloss mit Armen diesen Recken
kühn und gut. (2368)
Ihn aus dem Haus zu tragen
müht' er erst sich sehr:
Er musst ihn liegen lassen, er war
ihm allzu schwer.
Da blickt' aus dem Blute der todwunde
Mann;
Er sah wohl, dass sein Oheim ihn
gerne trüge hindann. (2369)
Da sprach der Todwunde: “Viel lieber
Oheim mein,
Mir kann zu dieser Stunde eure Hilfe
nicht gedeihn:
Nun hütet euch vor Hagen,
fürwahr, ich rat euch gut:
Er trägt in seinem Herzen
einen grimmigen Mut. (2370)
Und wollen meine Freunde im Tode mich
beklagen,
Den nächsten und den besten
sollt ihr von mir sagen,
Dass sie nicht um mich weinen, das tu
nimmer Not;
Von Königshänden
fand ich hier einen herrlichen Tod. (2371)
Ich hab auch so mein Sterben
vergolten hier im Saal,
Das schafft noch der Frauen der guten
Ritter Qual.
Wills jemand von euch wissen, dem
mögt ihr immer sagen:
Von meiner Hand alleine liegen
hundert wohl erschlagen.” (2372)
Da gedachte Hagen wieder an den
Fiedelmann,
Dem der kühne Hildebrand das
Leben abgewann:
Da sprach er zu dem Degen: “Ihr
entgeltet nun mein Leid:
Ihr habt uns hier erschlagen manchen
Ritter kühn im Streit.” (2373)
Er schlug Hildebranden, dass man wohl
vernahm
Balmungen sausen, den Siegfrieden
nahm
Hagen der Kühne, als er den
Helden schlug.
Da wehrte sich der Alte: Er war auch
streitbar genug. (2374)
Dietrichens Recke eine breite Waffe schwang
Auf den Held von Tronje, die scharf
den Stahl durchdrang;
Doch konnt er nicht verwunden
Gunthers Untertan.
Da schlug ihm wieder Hagen durch
einen Harnisch wohlgetan. (2375)
Als der alte Hildebrand die Wunde
recht empfand,
Besorgt' er größern
Schaden noch von Hagens Hand:
Den Schild warf auf den
Rücken der in Dietrichs Bann:
Mit der starken Wunde der Held vor
Hagen entrann. (2376)
Da lebt' auch von allen den Degen
niemand mehr
Als Gunther und Hagen, die beiden
Recken hehr.
Da ging mit Blut beronnen der alte
Hildebrand:
Er brachte leide Märe als er
Dietrichen fand. (2377)
Tief bekümmert sitzen fand
er da den Mann.
Noch größern Leides
Kunde nun der Fürst gewann;
Er sah Hildebranden in seinem
Harnisch rot:
Da fragt' er nach dem Grunde, wie ihm
die Sorge gebot. (2378)
“Nun sagt mir, Meister Hildebrand,
wie seid ihr so nass
Von dem Reckenblute, oder wer tat
euch das?
Ihr habt wohl mit den Gästen
gestritten in dem Saal?
Ihr ließt es billig bleiben,
wie ich so dringend befahl.” (2379)
Er sprach zu seinem Herren: “Hagen
tat es mir:
Der schlug mir in dem Hause diese
Wunden hier,
Als ich von dem Recken zu wenden mich
begann;
Kaum dass ich mit dem Leben noch vor
dem Teufel entrann.” (2380)
Da sprach der Vogt von Berne: “Gar
Recht ist euch geschehn,
Da ihr mich hörtet
Freundschaft den Recken zugestehn,
Und doch den Frieden brachet, den ich
ihnen bot:
Wärs mir nicht ewig Schande,
so büßtet ihrs mit dem Tod.” (2381)
“Nun zürnt mir, Herr
Dietrich, darob nicht allzu sehr:
An mir und meinen Freunden ist der
Schade gar zu schwer.
Wir wollten Rüdger gerne
tragen aus dem Saal:
Das wollten uns nicht gönnen
die welchen Gunther befahl.” (2382)
“O weh mir dieses Leides! Ist
Rüdiger doch tot?
Das ist der größte
Jammer in aller meiner Not.
Die edle Gotlinde ist meiner Basen
Kind:
O weh der armen Waisen, die dort zu
Bechlaren sind.” (2383)
Herzeleid und Kummer schuf ihm da
sein Tod;
Da hub er an zu weinen, den Helden zwang
die Not:
“O weh der treuen Hilfe, die mir an
ihm erlag,
König Etzels Degen, den ich
nie verschmerzen mag. (2384)
“Mögt ihr, Meister
Hildebrand, mir nicht die Märe sagen,
Wie der Recke heiße, der ihn
hat erschlagen?”
Er sprach: “Das tat mit
Kräften der starke Gernot;
Doch von Rüdgers
Händen fand der Degen auch den Tod.” (2385)
Er sprach zu Hildebranden: “So sagt
meinem Bann,
Dass sie sich eilends waffnen, so geh
ich selbst hinan;
Und befehlt, dass sie mir bringen mein
lichtes Streitgewand:
Ich selber will nun fragen die Helden
aus Burgondenland.” (2386)
Da sprach Meister Hildebrand: “Wer
soll mit euch gehn?
Dei euch am Leben blieben, die seht
ihr vor euch stehn:
Das bin ich ganz alleine: Die andern,
die sind tot.”
Da erschrak er ob der Märe,
es schuf ihm wahrhafte Not, (2387)
Dass er auf Erden nimmer so
großes Leid gewann.
Er sprach: “Und sind erstorben all
die mir untertan,
So hat mein Gott vergessen, ich armer
Dieterich!
Ich herrscht ein reicher König
hehr einst und gewaltiglich.” (2388)
Wieder sprach da Dietrich: “Wie konnt
es nur geschehn,
Dass alle sterben mussten, die Helden
ausersehn,
Vor den Streitmüden, die
doch gelitten Not?
Mein Unglück schufs alleine,
sonst verschonte sie der Tod! (2389)
Wenn dann mein Unheil wollte, es
sollte sich begeben,
So sprecht, blieb von den
Gästen einer noch am Leben?”
Da sprach Meister Hildebrand: “Gott
weiß es, niemand mehr
Als Hagen ganz alleine und Gunther
der König hehr.” (2390)
“O weh, du lieber Wolfhart, und hab
ich dich verloren,
So mag mich bald gereuen, dass ich je
ward geboren.
Siegstab und Wolfwein und auch
Wolfbrand:
Wer soll mir denn helfen in der
Amelungen Land? (2391)
Helferich der Kühne, und ist
auch der erschlagen,
Gerbart und Wichart: Wann
hör ich auf zu klagen?
Das ist für alle Freude mein
allerletzter Tag;
O weh mir, dass vor Leide niemand
doch ersterben mag!” (2392)
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