26. Abenteuer
Wie Dankwart Gelfraten
erschlug
Als sie nun alle waren gekommen an
den Strand,
Da fragte König Gunther: “Wer
soll uns durch das Land
Die rechten Wege weisen, dass wir
nicht irre gehn?”
Da sprach der starke Volker: “Das Amt
lasst mich nur versehn.” (1635)
“Nun seht euch vor,” sprach Hagen,
“seis Ritter oder Knecht,
Man soll Freunden folgen; das
dünkt mich gut und recht.
Eine ungefüge Märe
mach ich euch bekannt:
Wir kommen nimmer wieder heim in der
Burgonden Land. (1636)
“Das sagen mir zwei Meerfraun heute
morgen früh,
Dass wir nicht wieder kämen:
Nun rat ich was man tu:
Waffnet euch, ihr Helden, so
mögt ihr euch bewahren:
Wir finden starke Feinde und
müssen drum wehrhaft fahren. (1637)
“Ich wähnt auf Lug zu finden
die weisen Meerfraun:
Sie sagten mir, nicht einer werde
wiederschaun
Die Heimat von uns allen bis auf den
Kapellan;
Drum hätt ich ihm so gerne
heut den Tod angetan.” (1638)
Da flogen diese Mären von
Schar zu Schar umher:
Da wurden bleich vor Schrecken Degen
kühn und hehr,
Als sie die Sorge fasste vor dem
harten Tod
Auf dieser Hofreise: Das schuf ihnen
wahrlich Not. (1639)
Bei Möringen waren sie
über Flut gekommen,
Wo dem Eisen-Fährmann das
Leben ward benommen.
Da sprach Hagen wieder: “Da ich mir
so gewann
Unterwegs der Feinde, so
fällt man sicher uns an. (1640)
“Ich erschlug den Fährmann
heute morgen früh.
Sie wissen nun die Kunde: Drum eilt
und greifet zu:
Wenn Gelfrat und Else uns denken zu
bestehn
Mit unsrem Ingesinde, dass ihnen
übel mag geschehn. (1641)
Sie werden es nicht meiden, ich
weiß es, sie sind kühn,
Drum lasst in sanftem Schritte die
Rosse weiter ziehn,
Dass nicht jemand wähne, wir
flöhen auf den Wegen.”
“Dem Rate will ich folgen,” sprach da
Geiselher der Degen. (1642)
“Wer zeigt nun dem Gesinde die Wege
durch das Land?”
Sie sprachen: “Das soll Volker, dem
sind die wohlbekannt
Die Straßen und die Steige,
dem kühnen Fiedelmann.”
Eh man es noch begehrte kam er
gewaffnet heran, (1643)
Der kühne Fiedelspieler; den
Helm er überband;
Von herrlicher Farbe war sein
Streitgewand.
Am Schafte ließ er flattern
ein Zeichen, das war rot:
Bald kam er mit den Königen
in eine furchtbare Not. (1644)
Gewisse Märe hatte Gelfrat
bekommen
Von des Fährmanns Tode: Da
hatt es auch vernommen
Else der Starke: Beiden war es Leid.
Sie besandten ihre Helden; die traf
man balde bereit. (1645)
Darauf in kurzen Zeiten, nun
hört mich weiter an,
Gab man zu ihnen reiten, denen
Schaden war getan,
In starkem Kriegszuge ein
ungezähltes Heer:
Wohl siebenhundert zogen zu Hilfe
Gelfraten her. (1646)
Als man den grimmen Feinden
nachzuziehn begann,
Ihre Herren, die sie
führten, huben zu jagen an
Nach den kühnen
Gästen: Sie wollten Rache haben:
Da mussten sie der Freunde hernach
noch manchen begraben. (1647)
Herr Hagen von Tronje richtete das
ein
(Wie konnte seiner Freunde ein
bessrer Hüter sein?)
Dass er die Nachhut hatte und die in
seinem Bann,
Mit Dankwart seinem Bruder; das wurde
willig getan. (1648)
Ihnen war der Tag zerronnen, den
hatten sie nicht mehr:
Er bangte vor Gefahren für
seine Freunde sehr.
Sie ritten unter Schilden durch der
Bayern Land:
Darauf nach kurzer Weile die Helden
wurden angerannt. (1649)
Beiderseits der Straße und
hinter ihnen her
Vernahm man Hufe schlagen; die Haufen
eilten sehr.
Da sprach der kühne
Dankwart: “Gleich fallen sie uns an:
Bindet auf die Helme, das
dünkt ich rätlich getan.” (1650)
Sie hielten ein mit Reiten, also
musst es sein:
Sie sahen in dem Dunkel der lichten
Schilde Schein,
Nicht länger stille
schweigen mochte da Herr Hagen:
“Wer verfolgt uns auf der
Straße?” Das musste Gelfrat ihm sagen. (1651)
Da sprach dieser Markgraf aus dem
Bayerland:
“Wir suchen unsre Feinde, denen sind
wir nachgerannt.
Ich weiß nicht, wer mir
heute meinen Fergen schlug:
Das war ein schneller Degen; mir ist
leid um ihn genug.” (1652)
Da sprach von Tronje Hagen: “War der
Ferge dein?
Er wollt uns nicht fahren (mein ist
die Schuld allein):
Da erschlug ich den Recken:
Fürwahr, es tat mir Not:
Ich fand von seinen Händen
beinah den grimmigen Tod. (1653)
Ich bot ihm zum Lohne Gold und auch
Gewand,
Dass er uns
überführe, Degen, in dein Land.
Darüber zürnt' er
also, dass er nach mir schlug:
Mit einem starken Ruder: Drob war ich
grimmig genug. (1654)
Da griff ich nach dem Schwerte und
wehrte seinen Zorn
Mit einer starken Wunde: Da war der
Held verlorn.
Ich steh euch hier zur
Sühne, haltet ihrs für gut.”
Da ging es an ein Streiten; sie
hatten zornigen Mut. (1655)
“Ich wusste wohl,” sprach Gelfrat,
“als hier mit seinem Lehn
Gunter zog vorüber, uns werd
ein Leid geschehn
Durch Hagen von Tronje. Nun
büßt ers mit dem Leben:
Für des Fährmanns
Ende soll der Held hier Bürgschaft geben.” (1656)
Über die Schilde neigten da
zum Stich den Speer
Gelfrat und Hagen; sich
zürnten beiden schwer.
Else und Dankwart zusammen herrlich
ritten;
Sie versuchten wer sie waren: Da
wurde grimmig gestritten. (1657)
Wann versuchten Helden in
kühnerm Kampfe sich?
Von einem starken Stoße fiel
Hagen hinter sich
Von der Mähre nieder durch
Helfratens Hand;
Der Burstriem war gebrochen; da ward
ihm Streiten bekannt. (1658)
Man vernahm auch beim Gesinde
brechender Schäfte Schall:
Da erholte sich auch Hagen wieder von
dem Fall,
Den er auf das Gras getan von des
Gegners Stoß:
Da erst ward sein Zürnen
wider Gelfraten groß. (1659)
Wer ihr Ross gehalten, das ist mir
unbekannt.
Gelfrat und Hagen waren auf den Sand
Gekommen von der Mähre: Da
liefen sie sich an.
Ihre Gesellen halfen, dass man
Streitens Kunde gewann. (1660)
Wie bitterlich auch Hagen zu
Gelfraten sprang,
Ein gutes Teil des Schildes der edle
Markgraf schwang
Ihm zur Erde nieder; das Feuer stob
daran.
Da wäre schier erstorben
König Gunthers Untertan. (1661)
Er rief mit lauter Stimme Dankwarten
an:
“Hilf mir, lieber Bruder, ein
schneller starker Mann
Hat mich hier bestanden, der
lässt mich nicht am Leben.”
Da sprach der kühne
Dankwart: “Dem will ich ein Ende geben.” (1662)
Da sprang der Degen näher
und schlug ihm einen Schlag
Mit einer scharfen Waffe, davon er
leblos lag
Else wollte Rache nehmen für
den Mann:
Doch er und sein Gesinde mit Schaden
schieden hindann. (1663)
Sein Bruder war erschlagen, selber
war er wund;
Wohl achtzig seiner Degen wurden
gleich zur Stund
Des grimmen Todes Beute: Da musste
wohl der Held
Gunthers Leuten räumen mit
schnellem Flüchten das Feld. (1664)
Als die vom Bayerlande wichen aus dem
Wege,
Man hörte nachhallen die
furchtbaren Schläge:
Da jagten die von Tronje hinter den
Feinden her.
Die es nicht büßen
wollten, die eilten alle gar zu sehr. (1665)
Da sprach beim Nachsetzen Dankwart
der Degen:
“Kehren wir uns wieder
zurück auf unsern Wegen,
Und lassen wir sie reiten, sie sind
von Blute nass.
Wir eilen zu den Freunden, in Treuen
rat ich euch das.” (1666)
Als sie hinwieder kamen, wo der
Schade war geschehn,
Da sprach von Tronje Hagen: “Helden,
lasst uns sehn,
Wen wir hier vermissen, oder wer uns
ging verlorn
Hier in diesem Streite durch Degen
Gelfratens Zorn.” (1667)
Sie vermissten Viere; der Schade war
zu tragen.
Sie waren wohl vergolten; dagegen war
erschlagen
Deren vom Bayerlande hundert oder mehr:
Denen von Tronje waren die Schilde
trüb und blutesschwer. (1668)
Ein wenig brach aus Wolken des hellen
Mondes Licht:
Da sprach wieder Hagen:
“Hört, berichtet nicht
Meinen lieben Herren was wir hier
getan:
Lasst bis zum Morgen ihnen keine Sorge
nahn.” (1669)
Als zu ihnen stießen die da
kamen von dem Streit,
Da klagte das Gesinde über
Müdigkeit:
“Wie lange sollen wir reiten,” fragte
mancher Mann.
Da sprach der kühne
Dankwart: “Wir treffen keine Herberg an. (1670)
Ihr müsset alle reiten bis
an den hellen Tag.”
Volker der schnelle, der des Gesindes
pflag,
Ließ den Marschall fragen:
“Wo kehren wir heut ein?
Wo rasten unsre Pferde und die lieben
Herren mein?” (1671)
Da sprach der kühne
Dankwart: “Ich weiß es nicht zu sagen:
Wir können uns nicht ruhen
bis es beginnt zu tagen;
Wo wir es dann finden, legen wir uns
aufs Gras.”
Als sie die Kunde hörten,
wie leid war Etlichen das! (1672)
Sie blieben unverraten vom
heißen Blute rot,
Bis dass die Sonne die lichten
Strahlen bot
Dem Morgen über Berge, wo es
der König sah,
Dass sie gestritten hatten: Sehr im
Zorne sprach er da: (1673)
“Wie nun, Freund Hagen?
Verschmähtet ihr das,
Dass ich euch Hilfe brächte,
als euch die Ringe nass
Wurden von dem Blute? Wer hat euch
das getan?”
Da sprach er: “Else tat es, der griff
nächten uns an. (1674)
Uns des Fährmanns willen
wurden wir angerannt.
Da erschlug Gelfraten meines Bruders
Hand;
Entronnen ist uns Else, es zwang ihn
große Not:
Ihnen Hundert, uns nur Viere blieben
da im Streite tot.” (1675)
Wir können euch nicht
melden, wo man die Ruhe fand.
All den Landsleuten ward es
wohlbekannt,
Der edeln Ute Söhne
zögen zum Hofgelag:
Sie wurden wohl empfangen dort zu
Passau bald hernach. (1676)
Dem Ohm der edeln Könige,
dem Bischof Pilgerin,
Dem wurde wohl zu Mute, als seine
Neffen ihn
Mit so manchem Recken besuchten in
dem Land;
Dass er sie gerne sähe ward
ihnen balde bekannt. (1677)
Sie wurden wohl empfangen von
Freunden auf den Wegen.
Da konnte man in Passau sie alle
nicht verpflegen;
Sie mussten übers Wasser: Da
fanden sie ein Feld,
Da wurden aufgeschlagen
Hütten viel und reich Gezelt. (1678)
Sie mussten da verweilen einen vollen
Tag
Und eine Nacht darüber. Wie
schön man sie verpflag!
Dann ritten sie von dannen in
Rüdigers Land:
Dem wurden auch die Mären
nach wenig Stunden bekannt. (1679)
Als die Wegemüden Ruh sich
angetan,
Und man Rüdgers Lande zu
nahen nun begann,
Sie fanden auf der Marke schlafen
einen Mann,
Dem von Tronje Hagen eine starke
Waffe abgewann. (1680)
Eckewart war geheißen
derselbe Ritter gut:
Der gewann darüber einen
traurigen Mut,
Dass er das Schwert verloren durch
der Helden Fahrt.
Rüdgers Grenzmarke, die fand
man übel bewahrt. (1681)
“O weh mir dieser Schande,” sprach da
Eckewart,
“Wie muss ich nun beklagen der
Burgonden Fahrt!
Als ich verlor Siegfrieden hub all
mein Kummer an;
O weh, mein Herre Rüdiger,
wie hab ich wider dich getan!” (1682)
Wohl hörte Hagen des edeln
Recken Not;
Er gab das Schwert ihm wieder, dazu
sechs Spangen rot:
“Die nimmer dir, Held, zum Lohne,
willst du hold mir sein;
Du bist ein kühner Degen,
lägst du hier noch so allein.” (1683)
“Gott lohn euch eure Spangen,” sprach
da Eckewart,
“Doch gereut mich mächtig zu
den Heunen eure Fahrt.
Ihr erschlugt Siegfrieden; hier
trägt man euch noch Hass:
Dass ihr euch wohl behütet,
in Treue rat ich euch das.” (1684)
“Nun, mag uns Gott behüten,”
sprach Hagen dagegen,
“Keine andre Sorge haben diese Degen
Als um die Herberge, die
Fürsten und ihr Lehn,
Wo wir in diesem Lande heute Nachtruh
sollen sehn. (1685)
“Die Ross sind uns verdorben auf den
fernen Wegen,
Die Speise gar zerronnen,” sprach
Hagen der Degen,
“Wir findens nicht zu Kaufe: Es
wär ein Wirt uns Not,
Der uns durch seine Tugend noch
heunte gäbe das Brot.” (1686)
Da sprach wieder Eckewart: “Ich zeig
euch solchen Wirt,
Dass niemand euch im Hause so gut
empfangen wird.
In irgend einem Lande als euch hier
mag geschehn,
Wenn ihr schnellen Degen wollt zu
Rüdigern gehn. (1687)
“Der Wirt wohnt an der
Straße, der beste allerwärts,
Der je ein Haus besessen: Tugend
gebiert sein Herz,
Wie das Gras mit Blumen der
süße Maie tut,
Und soll er Helden dienen, so ist er
froh und wohlgemut.” (1688)
Da sprach der König Gunther:
“Wollt ihr mein Bote sein,
Ob mich behalten wolle um der Liebe
mein
Mein lieber Freund Rüdger,
und die in meinem Bann?
Das will ich immer lohnen so gut ich
irgend nur kann.” (1689)
“Der Bote bin ich gerne,” sprach da
Eckewart,
Mit viel gutem Willen erhob er sich
zur Fahrt
Und saget Rüdigeren was er
da vernommen:
Dem war in langen Zeiten so liebe
Kunde nicht gekommen. (1690)
Man sah zu Bechlaren eilen einen
Degen,
Den Rüdger wohl erkannte; er
sprach: “Auf diesen Wegen
Kommt Eckewart gegangen, Kriemhildens
Untertan.”
Er wähnte schon, die Feinde
hätten ihm ein Leid getan. (1691)
Da ging er vor die Pforte, wo er den
Boten fand;
Der nahm sein Schwert vom
Gürtel und legt' es aus der Hand.
Die Märe, die er brachte,
verhehlte nicht sein Mund
Dem Wirt und sein Freunden, er macht'
es blad ihnen kund. (1692)
Er sprach zum Markgrafen: “Mich hat
zu euch gesandt
Gunther mein Herre von Burgondenland,
Geiselher sein Bruder und auch
Gerenot.
Jeglicher der Recken euch seine
Dienste der entbot. (1693)
“Dasselbe tut auch Hagen, Volker auch
zugleich,
Mit Fleiß und rechter Treue;
dazu bericht ich euch
Was des Königs Marschall
euch durch mich entbot:
Es sei den guten Knechten eure
Herberge Not.” (1694)
Mit lachendem Munde versetzte
Rüdiger:
“Nun wohl mir dieser Märe,
dass die Könge hehr
Begehren meiner Dienste: Dazu bin ich
bereit.
Wenn sie ins Haus mir kommen, des bin
ich höchlich erfreut.” (1695)
“Dankwart der Marschall, der hat euch
kund getan,
Wer euch zu Hause noch heute zieht
heran:
Sechzig schneller Recken und tausend
Ritter gut,
Und neuntausend Knechte.” Da ward ihm
fröhlich zu Mut: (1696)
“Wohl mir um diese Gäste,”
sprach da Rüdiger,
“Dass mir zu Hause kommen die edeln
Ritter hehr,
Denen ich noch selten einen Dienst
getan.
Nun reitet ihnen entgegen, sei's
Freund oder Untertan.” (1697)
Sie eitlen zu den Rossen, Ritter so
wie Knecht.
Was sie ihr Herr geheißen,
das däuchte alle recht:
Sie brachte ihre Dienste um so
schneller dar;
Noch wusst es nicht Gotlinde, die in
ihrer Kammer war. (1698)
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