31. Abenteuer
Wie die Herren zur
Kirche gingen
“Mir wird so kühl im
Harnisch,” sprach der Fiedeler,
“Als ob die Nacht nicht
länger währen wolle mehr:
Ich fühl es an den
Lüften, es ist nicht weit vom Tag.”
Da weckten sie gar manchen, der da im
Schlafe noch lag (1902)
Da schien der lichte Morgen den
Gästen in den Saal.
Hagen begann zu fragen die Ritter
allzumal,
Ob sie zu dem Münster zur
Messe wollten gehn?
Nach Site bei den Christen erscholl
der Glocken Getön. (1903)
Der Gesang war ungleich; kein Wunder
mocht es sein,
Dass Christen mit Heiden nicht
stimmen überein.
Da wollten zu der Kirche die in
Gunthers Lehn:
Man sah sie von den Betten all zumal
da erstehn. (1904)
Da schnürten sich die Recken
in also gut Gewand,
Dass wohl niemals Helden in eines
Königs Land
Bessre Kleider brachten Hagen war es
leid:
Er sprach: “Ihr tätet besser
und trüget Kleider zum Streit. (1905)
Nun ist euch zur Genüge die
Märe wohl bekannt:
Drum traget statt der Rosen die Waffen
an der Hand;
Statt wohl gesteinter Hüte
die lichten Helme gut,
Da wir so wohl erkennen der argen
Kriemhilde Mut. (1906)
Wir müssen heute streiten,
das will ich euch sagen.
Statt seidner Hemden sollt ihr
Halsbergen tragen;
Statt der reichen Mäntel die
guten Schilde breit,
Wenn jemand mit euch zürnet,
dass ihr in der Wehr seid. (1907)
Meine leiben Herren, ihr Freunde wie
mein Bann,
Geht nun zu dem Münster
williglich heran
Und klaget Gott dem reichen eure Sorg
und Not;
Denn wisset unbezweifelt, es naht uns
allen der Tod. (1908)
Ihr sollt auch nicht vergessen was
von euch geschah,
Und steht andächtgen Herzens
vor euerm Gotte da.
Daran will ich euch mahnen, ihr guten
Recken hehr;
Es wend' es Gott denn anders, so
hört ihr keine Messe mehr.” (1909)
Sie gingen zu dem Münster
die Fürsten wie ihr Lehn.
Auf dem heilgen Friedhof, da
hieß sie stille stehn
Hagen der kühne, damit man
sie nicht schied.
Er sprach: “Noch weiß ja
niemand, was von den Heunen geschieht. (1910)
“Legt, meine Freunde, die Schilde vor
den Fuß
Und lohnt es, heut euch jemand
feindlichen Gruß,
Mit tiefen Todeswunden; das ist was
Hagen rät:
So werdet ihr befunden wies euch am
Löblichsten steht.” (1911)
Volker und Hagen, die beiden gingen
dann
Vor das weite Münster. Das
ward darum getan,
Weil sie schauen wollten, ob sich die
Köngin hehr
Mit ihnen drängen
müsse: Sie zürnten ihr beide sehr. (1912)
Da kam der Wirt des Landes und auch
sein schönes Weib;
Mit reichem Gewande geziert war ihr
Leib.
Manchen schnellen Degen sah man mit
ihm fahren;
Da flog der Staub zur Höhe
von der Kriemhilde Scharen. (1913)
Als der reiche König so wohl
gewaffnet sah
Die Könge nebst dem Volke, wie
balde sprach er da:
“Was seh ich meine Freunde unter
Helmen gehn?
Leid wär mir meiner Treue,
wär ihnen Leid hier geschehn. (1914)
Das wollt ich ihnen
büßen, wie es sie däuchte gut.
Wenn ihnen wer beschwerte das Herz
und auch den Mut,
So lass ich sie wohl schauen mir sei
es wahrlich leid:
Was sie gebieten mögen, dazu
bin ich gern bereit.” (1915)
Zur Antwort gab ihm Hagen: “Uns ist
kein Leid geschehn.
Es ist der Herren Sitte, dass sie
gewaffnet gehn
Bei Hofgelagen immer zu dreien vollen
Tagen.
Was uns hier geschähe, wir
würden es Etzeln klagen.” (1916)
Wohl hörte Kriemhilde Hagens
Rede da.
Wie feindlich sie dem Degen unter die
Augen sah!
Sie wollte doch nicht melden den
Brauch in ihrem Land,
So lang sie den auch hatte bei den
Burgonden gekannt. (1917)
Wie grimm und stark sie ihnen
entgegen wäre,
Hätte jemand Etzeln gesagt
die Märe,
Er hätt es wohl gewendet,
was nun doch geschah:
In hohem Übermute
verschwiegen sie es alle da. (1918)
Da schritt mit vielem Volke die
Köngin nach der Tür:
Da wollten diese beide nicht weichen
von ihr
Zweier Hände Breite: Das war
den Heunen leid.
Da musste sie sich drängen
mit den Helden allbereit. (1919)
Etzels Kämmerlinge, die
däuchte das nicht gut:
Da hätten sie den Recken
gern erzürnt den Mut,
Wenn sie gedurft hätten vor
dem König hehr.
Da gab es groß
Gedränge und doch nichts anderes mehr. (1920)
Als nach dem Gottesdienste man heim
zu ziehn begann,
Da kam gar bald geritten mancher
Heunenmann.
Da war bei Kriemhilden manche
schöne Maid:
Wohl siebentausend Degen gaben der
Königin Geleit, (1921)
Kriemhild mit ihren Frauen in den
Fenstern saß
Bei Etzeln dem reichen; gerne sah er
das.
Sie wollten reiten sehen die Helden
auserkannt:
Hei! Was man fremder Recken vor ihnen
auf dem Hofe fand! (1922)
Da war auch mit den Knechten der
Marschall gekommen:
Der kühne Dankwart hatte zu
sich genommen
Seines Herrn Gesinde von Burgondenland:
Die Rosse man gesattelt von
kühnen Niblungen fand. (1923)
Als zu Rosse kamen die
Fürsten und ihr Bann,
Volker der starke hub zu raten an,
Sie sollten buhurdieren nach ihres
Landes Sitten.
Da wurde von den Helden bald gar
herrlich geritten. (1924)
Was der Held geraten, niemanden des
verdross.
Das Kampfspiel und das Schallen
wurden beide groß.
Zu dem weiten Hofe kam da mancher
Mann;
Etzel und Kriemhilde, die schauten
alles mit an. (1925)
Auf den Buhurd kamen sechshundert
Degen,
Dietrichens Recken, den
Gästen entgegen.
Mit den Burgonden wollten sie sich im
Spiel ergehn;
Hätt es ihr Herr
vergönnet, so wär es gerne geschehn. (1926)
Hei! Was gute Degen ritten da heran!
Dieterich dem Herren ward es kund
getan.
Mit Gunthers Ingesinde das Spiel er
ihnen verbot:
Er schonte seiner Leute; das tat ihm
sicherlich Not. (1927)
Als vom Platze schieden die dem
Berner untertan,
Kamen von Bechlaren die im
Rüdgers Bann,
Fünfhundert unter Schilden,
vor den Saal geritten;
Leid wars dem Markgrafen; er
hätt es gern nicht gelitten. (1928)
Da ritt der Degen weislich zu ihnen
durch die Schar
Und sagte seinen Degen: Sie
würden wohl gewahr,
Dass im Unmut wären die in
Gunthers Bann:
Wenn sie das Wettspiel ließen,
so sei ihm Liebes getan. (1929)
Als von ihnen schieden die Helden
unverzagt,
Die Thüringer kamen, wie man
uns hat gesagt,
Und vom Dänenlande wohl
tausend kühner Degen:
Von Stichen sah man fliegen viel der
Splitter allerwegen. (1930)
Irnfried und Hawart in das Kampfspiel
ritten:
Ihrer harrten die vom Rheine mit
hochfährtgen Sitten.
Sie tjosteten mit denen von
Thüringerland:
Durchbohrt von Stichen wurde mancher
schöne Schildesrand. (1931)
Da kam der Degen Blödel, dreitausend
in der Schar.
Etzel und Kriemhilde nahmen sein wohl
wahr,
Weil vor ihnen beiden das Ritterspiel
geschah.
Die Königin es gerne aus
Hass zu den Burgonden sah. (1932)
* Sie gedacht in ihrem Sinne, wie es
schier auch wär geschehn:
“Täten sie wem Leides, so
dürft ich mich versehn,
Dass es zum Ernste käme: An
den Feinden mein
Würd ich dann gerochen, des
wollt ich ohne Sorge sein.” (1933)
Schrutan und Gibeke auf den Buhurd
ritten,
Ramung und Hornbog, nach heunischen
Sitten.
Sie hielten vor den Helden aus
Burgondenland:
Da flogen auf die Schäfte
hoch über des Saales Wand. (1934)
* Wie da die andern ritten, das war
nur eitler Schall.
Von Stößen auf die
Schilde den Pallas und den Saal
Hörte man ertosen durch die
in Gunthers Bann.
Das Lob sich sein Gesinde mit
großen Ehren gewann. (1935)
Da ward die Kurzweile so
mächtig und so groß.
Dass den Satteldecken der blanke
Schweiß entfloss
Von den guten Rossen, so die Helden
ritten:
Sie versuchten an den Heunen sich mit
hochfährtgen Sitten. (1936)
Da sprach der kühne Volker,
der edle Fiedelmann:
“Zu zag sind diese Degen, sie greifen
uns nicht an.
Ich hörte immer sagen, sie
hassten uns so sehr:
Nun wär die Zeit gelegen, es
fügt sich ihnen so nicht mehr.” (1937)
“Wieder zu den Ställen,”
sprach da Volker,
“Ziehe man die Rosse; wir reiten wohl
noch mehr
In den Abendstunden, kommt dazu die
Zeit:
Ob dann wohl den Burgonden den Preis
die Königin beut?” (1938)
Da sahn sie einen reiten so zierlich
daher,
Wie im Heunenlande wohl kein andrer
mehr:
Vielleicht in den Zeiten hatt er ein
Liebchen traut:
Er ritt so schmuck gekleidet als
eines edeln Ritters Braut. (1939)
Da sprach wieder Volker: “Wie blieb
das ungetan?
Jener Frauenliebling muss einen
Stoß empfahn.
Das mag hier niemand wenden, es geht
ihm an den Leib:
Nicht frag ich, ob drum
zürne dem König Etzel sein Weib.” (1940)
“Nicht doch! Bei meiner Liebe,” der
König gleich begann,
“Man wird uns darum tadeln, greifen
wir sie an:
Die Heunen lasst beginnen, es kommt
wohl noch dahin.”
Noch saß König
Etzel am Fenster bei der Königin. (1941)
Ich will das Kampfspiel mehren,”
sprach Hagen dagegen,
“Lasst die Frauen sehen und alle
diese Degen
Wie wir reiten können; das
ist wohlgetan:
Man gibt doch wenig Lobes den Recken
hier in Gunthers Bann.” (1942)
Volker der Schnelle ritt wieder in
den Streit.
Da schuf er mancher Fraue
großes Herzeleid:
Er stach dem reichen Heunen der Speer
durch den Leib:
Das sah man bald beweinen manche Maid
und manches Weib. (1943)
Da kam in großer Eile Hagen
mit seinem Bann:
Mit sechzig seiner Degen zu reiten
hub er an
Zu dem Fiedelspieler hin wo das Spiel
geschah;
Etzel mit Kriemhilden das alles wohl
übersah. (1944)
Da ließen die drei
Könige den kühnen Fiedler gut
Unter seinen Feinden nicht
länger ohne Hut.
Da ward von tausend Helden mit
großer Kunst geritten;
Sie taten was sie lüstete
mit gar hochfährtgen Sitten. (1945)
Als der reiche Heune zu Tode war
geschlagen,
Vernahm man seiner Freunde Wehruf und
Klagen.
Da fragte das Gesinde: “Wer hat das
getan?”
Man sprach: “Das tat der Fiedler,
Volker der kühne Spielmann.” (1946)
Nach Schwertern und nach Schilden
riefen gleich zur Hand
Des Markgrafen Freunde von der Heunen
Land.
Zu Tode schlagen wollten sie da den
Fiedelmann;
Der Wirt von seinem Fenster daher zu
eilen begann. (1947)
Da hob sich von den Heunen
Lärm und lauter Schall.
Abstiegen mit dem Volke die
Könge vor dem Saal;
Zurück die Rosse
stießen die in Gunthers Bann.
Da kam der König Etzel den
Streit zu schlichten heran. (1948)
Einem Vetter dieses Heunen, den er
bei ihm fand,
Eine scharfe Waffe riss er dem aus der
Hand
Und schlug sie all zurücke;
er war in großem Zorn:
“Wie hätt ich meine Dienste
an diesen Helden verlorn, (1949)
Wenn mir erschlagen wäre
dieser Fiedelmann,”
Sprach der König Etzel, “ihr
hättet missgetan.
Als er erstach den Heunen, sein
Reiten wohl ich sah,
Dass es durch ein Straucheln ohne
seine Schuld geschah. (1950)
Ihr sollt meine Gäste mit
Frieden lassen ziehn.”
So ward er ihr Geleite. Die Rosse zog
man hin
Zu den Herbergen; sie hatten manchen
Knecht,
Der den Degen fleißiglich zu
allen Diensten ward gerecht. (1951)
Der Wirt mit seinen Freunden ging zum
Saal zurück;
Da regte sich kein Zürnen
mehr von seinem Blick.
Man richtete die Tische, das Wasser
man auch trug:
Da hatten die vom Rheine der starken
Feinde genug. (1952)
* Unlieb war es Etzeln, doch folgte
manche Schar
Den Fürsten, die mit Waffen
wohl versehen war,
Im Unmut auf die Gäste, als
man zu Tische ging,
Den Freund bedacht zu
rächen, wenn es günstge Zeit verhing. (1953)
* “Dass ihr in Waffen lieber zu
Tische geht als bloß,”
Sprach der Wirt des Landes, “die
Unart ist zu groß:
“Wer aber an den Gästen den
kleinsten Frevel wagt,
Es kostet ihm das Leben: Das sei euch
Heunen gesagt.” (1954)
Bevor sie niedersaßen, die
Herrn, das währte lang,
Weil zu sehr mit Sorgen Frau
Kriemhilde rang.
Sie sprach: “Fürst von
Berne, heute muss ich flehn
Bei dir um rat und Hilfe; meine
Sachen ängstlich stehn.” (1955)
Zur Antwort gab ihr Hildebrand, ein
Recke lobeswert:
“Wer schlägt die Nibelungen,
dem lieh ich nicht mein Schwert:
Um aller Schätze willen; es
wird ihm wahrlich leid:
Sie sind noch unbezwungen, die
schnellen Ritter allbereit.” (1956)
* “Ich rede nur von Hagen; der hat
mir leid getan:
Er erschlug Siegfrieden, meinen
lieben Mann.
Wer den von ihnen schiede, dem
wär mein Gold bereit;
Entgält es anders jemand,
das wär mir inniglich leid.” (1957)
* Da sprach Meister Hildebrand: “Wie
möchte das geschehn,
Den ihnen zu erschlagen? Ihr solltets
selber sehn:
Bestünde man den Degen, so
gäb es eine Not,
Dass Arme so wie Reiche dabei
erwürben den Tod.” (1958)
Da sprach wohl gezogen dazu Herr
Dieterich:
“Verschont, reiche Königin,
mit solchen Reden mich:
Mir ist von euern Freunden kein
solches Leid geschehn,
Dass ich die kühnen Degen im
Streit sollte bestehn. (1959)
“Die Bitte ehrt euch wenig, viel edel
Fürstenweib,
Dass ihr verraten möchtet
eurer Freunde Leid.
Sie kamen euch auf Gnade hieher in
dieses Land:
Siegfried bleibt ungerochen wohl von
Dietrichens Hand.” (1960)
Als sie keine Untreu bei dem Berner
fand,
Versprach sie unsäumig in
Degen Blödels Hand
Eine weite Landschaft, die Nudung
einst besaß:
Später schlug ihn Dankwart,
dass er der Gabe gar vergaß. (1961)
Sie sprach: “Du sollst mir helfen,
mein Bruder Blödelein.
Es sind in diesem Hause die
große Feinde mein,
Sie Siegfrieden schlugen, meinen
lieben Mann:
Wer mir das rächen
hülfe, dem wär ich immer untertan.” (1962)
Zur Antwort gab ihr Blödel:
“Fraue, wisset das,
Ich darf an euern Freunden nicht
üben meinen Hass,
Weil sie mein Bruder Etzel so gerne
sehen mag:
Tät ich ihnen Leides, der
König trüg mirs immer nach.” (1963)
“Nicht doch, Degen Blödel,
ich bin dir immer hold:
Ich gebe dir zum Lohne mein Silber
und mein Gold
Und eine schöne Fraue,
Nudungens Weib:
So magst du immer kosen ihren
minniglichen Leib. (1964)
Das Land samt den Burgen will ich dir
alles geben:
So magst du, edler Ritter, mit
Freuden immer leben,
Wenn du das Land gewinnest, das
Nudung einst besaß;
Was ich dir jetzt gelobe, mit Treue
leist ich dir das.” (1965)
Als der Herre Blödel
vernommen von dem Sold,
Und ihm durch ihre Schöne
gefiel die Fraue hold,
Wollt er im Kampf verdienen das
minnigliche Weib.
Darob verlieren musste der Degen
Leben und Leib. (1966)
Da sprach er zu der Königin:
“Geht wieder in den Saal.
Eh man es inne werde, erheb ich
großen Schall;
Hagen muss es büßen
was er euch hat getan:
Ich bring euch gebunden
König Gunthers Untertan.” (1967)
“Nun waffnet euch,” sprach
Blödel, “ihr all in meinem Lehn,
Lasst uns zu den Feinden in die
Herberge gehn.
Mir will es nicht erlassen
König Etzels Weib:
Wir Helden müssen alle
verwagen Leben und Leib.” (1968)
Als den Degen Blödel
entließ die Königin,
Dass er den Streit beginne, ging sie
zu Tische hin
Mit Etzeln dem Könige und
mit seinem Bann:
Sie hatte schlimme Räte
wider die Gäste getan. (1969)
* Wie sie zu Tische gingen, das will
ich euch sagen:
Man sah reiche Könige ihr
vor die Krone tragen;
Manchen hohen Fürsten und
viel der werten Degen
Sah man hehrer Sitte vor der
Königin pflegen. (1970)
* Der König wies den
Gästen die Sitze überall,
Den Höchsten und den Besten
neben sich im Saal.
Den Christen und den Heiden die Kost
er unterschied;
Man gab die Fülle beiden,
wie es der weise König riet. (1971)
* In den Herbergen aßen die
Knecht in Gunthers Bann.
Truchsesse wies man sie zu verpflegen
an:
Die hatten sie zu speisen
großen Fleiß gepflogen.
Die Bewirtung und die Freude ward
bald mit Jammer aufgewogen. (1972)
Als nichts anders mochte begonnen
sein der Streit,
(In ihrem Herzen begraben war
Kriemhilds altes Leid;
Da hieß sie zu den Tischen
tragen Etzels Sohn:
Wie konnt ein Weib aus Rache wohl
jemals freislicher tun? (1973)
Von Etzels Leuten kamen viere gleich
daher
Und brachten Ortlieben, den jungen
König hehr,
An den Tisch der Fürsten, wo
auch Hagen saß:
Das Kind must ersterben durch seinen
mordlichen Hass. (1974)
Als der reiche König seinen
Sohn ersah,
Zu seiner Frauen Brüdern
gütlich sprach er da:
“Schauet, meine Freunde, das ist mein
einzig Kind,
Und das eurer Schwester; das sei euch
allen hold gesinnt. (1975)
“Gerät er nach dem Stamme,
er wird ein kühner Mann,
Reich und voll Adel, stark und
wohlgetan.
Erleb ich es, ich geb ihm
zwölf reicher Könge Land,
So tut euch wohl noch Dienste des
jungen Ortliebes Hand. (1976)
“Darum will ich euch bitten, lieben
Freunde mein,
Wenn ihr nach Hause wieder reitet an
den Rhein,
Dass ihr mit euch nehmet eurer
Schwester Kind;
Und seid auch dem Knaben immer
gnädiglich gesinnt: (1977)
“Erzieht ihn nach Ehren bis er
gerät zum Mann:
Hat euch in euerm Lande jemand ein
Leid getan,
So hilft er euch es rächen,
erwuchs ihm erst der Leib.”
Die Rede hörte Kriemhild
wohl, des König Etzels Weib. (1978)
“Ihm sollten wohl vertrauen alle
diese Degen,
Wenn er zum Mann erwüchse,”
sprach Hagen dagegen;
“Doch ist der junge König so
schwächlich anzusehn:
Man wird mich selten schauen nach Hof
zu Ortlieben gehn.” (1979)
Der König blickt' auf Hagen;
die Rede war ihm leid.
Wenn er auch nichts entgegnete, der
König allbereit,
Es schmerzt' ihn in der Seele und
trübte seinen Mut.
Da waren Hagens Sinne zu keiner
Kurzweile gut. (1980)
Es schmerzte wie den König
sein fürstlich Ingesind
Was Hagen da gesprochen hatte von dem
Kind.
Dass sie's vertragen sollten, ging
ihnen allen nah;
Noch konnten sie nicht wissen, was
von dem Recken bald geschah. (1981)
* Gar manche, die es hörten
und die ihm trugen Groll,
Hätten ihn gern bestanden;
der König selber wohl,
Wenn er mit Ehren durfte, so
käm der Held in Not.
Bald tat ihm Hagen Ärgeres,
er schlug ihn vor seinen Augen tot. (1982)
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